26. Dezember 2020
Die Wahrheit des christlichen Glaubens berührt. In der Weihnachtszeit pilgern nicht nur fromme Menschen zu den Krippen, die in den Kirchen ausgestellt sind, besucht und verehrt werden können. Gläubige, Suchende und Zweifler wissen oder ahnen auch von innen her, dass Krippe und Kreuz aus demselben Holz gemacht sind.
In säkularer Vermessenheit wurde vor etwa einhundert Jahren von einer neuheidnischen Ideologie, mit der bedauerlicherweise auch viele Christen sympathisierten, eine andere Deutung des Weihnachtsfestes angestrebt: Die Krippe als Symbol des Lebens sollte positiv aufgenommen werden und das Kreuz ersetzen. Wer Weihnachten vom Leidensweg des Herrn, vom Kreuz und von Ostern trennt, hat das Wesen des Christentums missverstanden – und wer Versatzstücke der Botschaft gefällig arrangiert oder instrumentalisiert, versündigt sich am Evangelium und verspottet den Herrn. Es gibt viele Möglichkeiten, an der Krippe des Herrn und am Kreuz vorbeizugehen. Benedikt XVI. benennt "drei Gruppen von Spöttern". Die erste dieser Gruppen seien "die Vorübergehenden": "Die Menschen, die den Herrn auf diese Weise verhöhnen, drücken damit ihre Verachtung für den Ohnmächtigen aus, lassen ihn seine Ohnmacht noch einmal spüren." (Joseph Ratzinger – Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg im Breisgau 2010, 232) In der Krippe liegt das schutzbedürftige, sich nach Liebe sehnende Kind, Gottes eingeborener Sohn. Das Neue Testament erzählt von der Obdachlosigkeit Gottes in der Welt, von der vergeblichen Suche nach einer Herberge. Die hochschwangere Maria und Joseph werden abgewiesen. Niemand möchte mit den beiden etwas zu tun haben. Maria und Joseph können ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht nicht verbergen. In einem Stall wird Jesus geboren. Die Hirten, die Außenseiter in der damaligen Gesellschaft sind, kommen herbei, auch die Weisen aus dem Morgenland, ebenso sind Tiere zugegen. Der Stall bleibt aber ein Stall, die Futterkrippe eine harte Wiege aus Holz.
So viele unserer Weihnachtslieder wirken auf uns bisweilen romantisch, weltentrückt und sentimental. Die meisten Menschen damals wollten bei seiner Geburt nichts von Jesus wissen: nur ein Kind, ein Kind mehr, vielleicht ein Kind zu viel. Dazu sind Joseph und Maria nicht einmal verheiratet. Auch ist der Zimmermann offenbar nicht der leibliche Vater. Jesu Leben beginnt nicht in Pracht und Herrlichkeit, sondern in der Futterkrippe. Wie oft, können wir uns fragen, gehen auch wir an der Krippe vorbei? Sind wir Vorübergehende, die heute für die Dinge Gottes und füreinander kaum Zeit haben? Vielleicht schlagen wir Anklopfenden die Tür zu, suchen nach ausweichenden Antworten und möchten ungestört wie in uns selbst verschlossen bleiben.
Die nächste Gruppe von Spöttern, die Benedikt erwähnt, besteht aus den "Mitgliedern des Synedriums", es sind nämlich "Priester, Schriftgelehrte und Älteste". Diese klugen Zeitgenossen des Herrn haben viele Kenntnisse, aber sie erkennen ihn nicht. Sie wollen ihn bloßstellen und lächerlich machen. Die Weisen aus dem Morgenland hingegen sind klüger. Verständlicherweise fragen sie erst im Palast nach dem neugeborenen König, dem sie huldigen wollen. Vernünftige Menschen denken auf diese Weise. Dann aber werden sie misstrauisch gegenüber Herodes. Die Weisen sind also keine Spötter, darum gehen sie zur Krippe. Die Gelehrten, auch die Vornehmen, die Pharisäer und Priester verhöhnen Jesus, der vor ihnen steht. Sie formulieren Erwartungen: Der Gekreuzigte solle vom Kreuz steigen. Er würde doch über die nötige Macht verfügen, wenn er wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Das Buch der Weisheit, so Benedikt, spreche "von dem Gerechten, der dem boshaften Leben der anderen im Weg steht, der sich als Sohn Gottes bezeichnet und dem Leiden überliefert wird". Die Gelehrten kennen diesen Text gut – er ist der, der von sich sagt, er sei Gottes Sohn –, aber sie verkennen den Herrn und seine Sendung: "Ohne dass die Spötter es merken, erkennen sie damit an, dass Jesus wirklich derjenige ist, von dem das Weisheits-Buch redet. Gerade in der Situation der äußersten Hilflosigkeit erweist er sich als der wahre Sohn Gottes. … Gerade im Spott bewahrheitet sich das Geheimnis Christi. … Gott selbst wird ihn retten – aber anders, als diese Leute hier es sich vorstellen. Die Auferstehung wird der Augenblick sein, in dem Gott ihn aus dem Tod herausholt und ihn als seinen Sohn beglaubigt." (ebd., 233 f.) Die Verspottung des Herrn reicht bis heute weit hinein in die Gesellschaft, auch in die Kirche. Traurig macht die Verhöhnung von Glaubensweisen, von Andachtsgegenständen und von Haltungen, die die Treue zur Lehre der Kirche bezeugen.
Die Jungfrauengeburt wird in Frage gestellt, bezweifelt oder karikiert, selbst von Theologen. Andere behaupten, dass es sich bei der Auferstehung des Herrn nur um eine erfundene Geschichte handele, die sich die Jünger ausgedacht hätten. Als Möglichkeit erwägen manche, dass es besondere Wahrnehmungsweisen oder Anschauungen geben könnte, vielleicht Fantasien. Sehen wir in der Wirklichkeit, woran wir glauben oder glauben möchten? Der Spott hat viele Gesichter und kann verstörende, ja diabolische Formen annehmen.
Benedikt XVI. stellt noch eine dritte Gruppe der Spötter vor, die "Mitgekreuzigten Jesu": "Nicht beide Mitgekreuzigte Jesu stimmen in den Spott ein. Der eine von ihnen begreift das Geheimnis Jesu." (ebd., 234 f.) Er nimmt das "Antlitz Gottes" wahr und hat "gerade am Kreuz begriffen, dass dieser Ohnmächtige der wahre König ist – der, auf den Israel wartet und an dessen Seite er nun nicht nur am Kreuz, sondern auch in der Herrlichkeit stehen will." Im "Mitsein mit Gott" liegt das "wahre Heil des Menschen". So fährt Benedikt XVI. fort: "So ist in der Geschichte der christlichen Frömmigkeit der rechte Räuber zum Bild der Hoffnung geworden – zur tröstenden Gewissheit, dass Gottes Erbarmen uns auch im letzten Augenblick erreichen kann; ja, dass nach einem verfehlten Leben die Bitte um seine Güte nicht umsonst getan wird." (ebd., 236) Wir alle sind auf dem Weg zur Krippe, auf dem Weg zum Kreuz oft vielleicht auch versucht, zu hasten und zu eilen, weil es uns nicht drängt, im Gebet zu verweilen, vor dem göttlichen Kind und vor dem gekreuzigten Herrn, der mit Augen voller Liebe auf diese Welt schaut. Wir bezeugen zwar unseren Glauben und unsere Hoffnung auf den barmherzigen Gott. Aber das fällt uns nicht immer leicht, auch weil wir unser ganzes Leben hindurch lernen und begreifen, nicht nur für die guten und nicht ganz so schlechten Tage dankbar zu sein, sondern Not, Leid und Traurigkeit annehmen müssen. Oder annehmen dürfen? So können wir dankbar sein für die Teilhabe an der Passionsgemeinschaft mit Christus, die an der Krippe von Bethlehem ihren Anfang nimmt, zum Kreuz von Golgatha führt und hinein in das Licht des Ostermorgens.
Wir stehen in der Weihnachtszeit an der Krippe unseres Herrn. Können wir staunend uns freuen und gläubig ihm unser Herz schenken? Krippe und Kreuz gehören zusammen. Benedikt XVI. schreibt: "Das Kreuz ist sein Thron, von dem aus er die Welt an sich zieht. Von diesem Ort der äußersten Hingabe seiner selbst, von diesem Ort einer wahrhaft göttlichen Liebe aus herrscht er als der wahre König auf seine Weise – auf die Weise, die weder Pilatus noch die Mitglieder des Hohen Rates hatten begreifen können." (ebd., 235) Ein Grundentscheid verbindet Christen überall auf der Welt: Wir haben der Liebe geglaubt.
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