Bedroht ein emeritierter Papst den katholischen Frieden? Diese Auffassung wird bisweilen vertreten. Nun hat sich Ulrich Nersinger zu Wort gemeldet. Behauptet wird von Tobias Fricke, dass Benedikt XVI. seinen Nachfolger, Papst Franziskus, kritisiert habe und "kirchenpolitische Äußerungen" mache. Haben Sie solche Stellungnahmen vernommen? Wahrscheinlich nicht, denn Benedikt XVI. hat sich weder im Pontifikat noch als Emeritus auf diese Weise geäußert. Als Papst war er nie der oberste Kirchenpolitiker – und heute ist er auch nicht in dieser Weise tätig. Dass theologische Gedanken kirchenpolitisch instrumentalisiert werden, kommt natürlich immer wieder vor. Wer theologisch denkt und sich äußert, muss damit rechnen. 

Dass Benedikt weiterhin mit "Eure Heiligkeit" angesprochen werde, hält Nersinger für einen Bruch mit der von ihm selbst "beschworenen Hermeneutik der Kontinuität, also der Interpretation und Auslegung des Glaubens": "Er bricht mit den Traditionen." Als "kirchenpolitisch" wird sein Aufsatz zum Zölibat beurteilt.

Außerdem, so formuliert es Fricke, habe er "seinen Nachfolger Franziskus kritisiert". Man fragt sich dann erstaunt: wann, wie und warum? Nersinger weist diese Ansicht nicht ab, bedauerlicherweise, und sagt stattdessen: "Das darf eigentlich gar nicht geschehen. Er wollte sich ja zurückziehen, eine klösterliche Abgeschiedenheit – und dann kann man das eigentlich nicht mehr machen. Es ist dann auch in gewisser Weise unfair gegenüber dem Nachfolger. … Es kann auch nur einen Papst geben, auch wenn der andere sich emeritiert nennt. Es kann nur die Meinung eines Papstes in der Kirche Geltung haben."

In der römisch-katholischen Kirche gibt es nur einen Papst – und dieser heißt Franziskus. Behauptet wird auch, dass Benedikt XVI. nicht verborgen vor der Welt lebe. Ulrich Nersinger zeigt sich enttäuscht: "Ich habe gehofft, dass er das umsetzt, was er versprochen hat. Was er angedeutet hat. Ich habe nicht gedacht, dass er dann doch wieder präsent wird. … Das Petrusamt ist ein Amt der Einheit, und da kann es nur einen geben, der uns allen so im Bewusstsein als Papst erscheint." Gegenwärtig, so scheint es, wwird die nicht unbeträchtliche Konfusion in der Kirche weiterhin vermehrt.

Lesenswert erscheint heute ein Porträt des FAZ-Journalisten Jörg Bremer, das im Dezember 2014 erschienen ist. Benedikt XVI. wird unter anderem damit zitiert, dass kein Zweifel bestehe, "wer der wahre Papst ist" und dass er natürlich kein "Nebenpapst" sei. Bremer schrieb damals, als er Benedikt in seinem Altersruhesitz besucht hatte: "Journalisten lässt Benedikt gemeinhin nicht herein, und wenn, zu Höflichkeitsbesuchen. Aber diesmal diktiert er seinem Besucher geradezu ins Blatt und bittet auch zweimal, dies und jenes nicht zu schreiben. Ihm ist wichtig, dass man draußen erfährt, dass er nicht als Nebenpapst gesehen werden will, der in Kirchendebatten womöglich sogar gegen Franziskus Position bezieht." Darüber hinaus sagte er: "Er habe gewollt, dass man ihn seit seinem Rücktritt "Vater Benedikt" nennt oder "Padre Benedetto", aber er sei damals zu schwach und müde gewesen, um das durchzusetzen. Ob man das schreiben dürfe? "Ja, machen Sie das; vielleicht hilft's."" Ob das heute hilft? Ich weiß es nicht. Aber ich wiederhole es gerne, denn es scheint nötig zu sein. Zwischen Papst Franziskus und Vater Benedikt herrscht ein herzliches, freundschaftliches Einvernehmen – und sie dienen beide der Kirche, der eine im Petrusdienst, der andere im Gebet.

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