20. Juni 2021
Ich bin Medjugorje Deutschland(*) sehr dankbar für die Einladung, an dieser Stelle eine Betrachtung über die Bedeutung von 40 Jahren Medjugorje schreiben zu dürfen. Das Folgende sind sozusagen „Betrachtungen von unten“, Gedanken, die sich einer Katholikin im Angesicht dieser himmlischen Geschehnisse aufdrängen.
Es ist meine feste Überzeugung, dass es seit jenen dreiunddreißig Jahren, in denen Gott als Mensch unter uns gelebt hat, nie wieder ein derart außerordentliches Eingreifen des Himmels in die Geschicke der Menschheit gegeben hat. Ja, Gott hat uns große Heilige geschenkt, die den Lauf der Kirchengeschichte wesentlich beeinflusst haben. Ich denke etwa an den Heiligen Benedikt, dessen Klöster Europa christianisiert haben, oder die großen Ordensgründer, Franziskus, Dominikus und später Ignatius, deren jeweilige Gründungen die Kirche maßgeblich reformiert und Unermessliches zur Weltmission beigetragen haben. Gott hat seiner Kirche im Laufe der Jahrhunderte viele heilige Bischöfe, Märtyrer, Mystiker und Missionare geschenkt und sie durch diese erneuert und reformiert. Aber, keiner dieser Heiligen war – bei all seiner Heiligkeit – „unbefleckt.“ Sie alle waren Sünder wie wir und sind erst durch das Mitwirken mit Gottes Gnade im Laufe ihres Lebens heilig geworden. Keiner von ihnen war sündenlos. Jetzt aber leben wir, zum ersten Mal seit Jesus im Jahre 33 in den Himmel aufgefahren ist, in einer Zeit, da Gott die Geschicke der Menschheit durch eine Prophetin lenkt, die nicht „nur“ heilig, sondern sündenlos ist, und mit Seele und Leib schon vollkommen mit Gott vereint. Niemals in der Kirchengeschichte war der Himmel uns so nahe, wie in den letzten 40 Jahren, da Gott die Unbefleckte Empfängnis selbst beauftragt hat, täglich zu uns zu kommen, um mit uns zusammen Seine Schlachten zu kämpfen, die Kirche Gottes zu erneuern und ihr auf ihrem Weg durch Nacht und Wüste dieser Zeit wie in einer Feuersäule vorauszugehen und zu leuchten (vgl. Ex 13:21).
Vierzig Jahre sind eine biblisch symbolträchtige Zeit. Sie entspricht der Zahl der Jahre, die das Volk Israel in der Wüste verbracht hat, zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug in das Gelobte Land. Die vierzig Jahre Israels in der Wüste sind wiederum ein Symbol für die Wanderung der Kirche durch die Wüste dieser Welt, vom ersten Kommen Christi bis hin zu seiner Wiederkunft, wenn die ganze Schöpfung in das Land Seiner Ruhe eintreten wird.
Vierzig Jahre sind nun vergangen, seit die Gospa am Abend des 24. Juni 1981 zum ersten Mal auf dem Podbrodo erschienen ist und begonnen hat, uns zur Umkehr einzuladen. „Friede, Friede, Friede“; „Friede zwischen Gott und den Menschen und unter allen Menschen!"“, waren ihre ersten Worte und damit das Programm ihres Kommens, das auch in dem Titel ausgedrückt ist, unter dem sie sich vorgestellt hat: Königin des Friedens. Maria ist gekommen, um allen Menschen den Frieden zu bringen, der allein in ihrem Sohn Jesus zu finden ist (Eph 2:14). Friede ist etwas, das die Welt weder geben noch machen kann (Joh 14:27), denn die Wurzel alles Unheils (jedes Krieges oder Streites, jeder Naturkatastrophe und jeder Krankheit) liegt in der Abwendung des Menschen von Gott. Nur wenn die Menschheit zu demjenigen umkehrt, der durch seinen Tod am Kreuz, Sünde, Tod und Teufel - den Urheber des Bösen - zerstört hat, wird Friede sein.
Wer ihre Botschaften aufmerksam liest, wird bemerken, dass Maria nichts anderes tut, als uns die offizielle Offenbarung Gottes in Erinnerung zu rufen und aktuell in unsere Zeit hinein zu sprechen. Gleich einem alttestamentlichen Propheten ruft uns die Gospa unermüdlich zu: „Kehrt um ... von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat“ (Joel 2:12-13). Mit Umkehr, Fasten und Gebet, so sagt uns die Gottesmutter, können Kriege und sogar Naturkatastrophen verhindert werden, die letztlich alle eine Folge der Sünde sind. Das ist im Kern auch die Botschaft der Bibel. Auffällig ist dabei die Deckungsgleichheit ihrer Botschaft mit der Sendung jenes Heiligen, an dessen Festtag ihre Erscheinungen begonnen haben, des Heiligen Johannes des Täufers. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass, während es Johannes Aufgabe war, das Volk Gottes auf das erste Kommen Christi vorzubereiten, es nun Mariens Sendung ist, die Welt auf die Wiederkunft Christi vorzubereiten. Damit ist aber auch schon etwas über die tiefe Harmonie zwischen dem Wirken Mariens und der Sendung der Kirche als Kirche gesagt, denn die Sendung der Kirche ist letztlich die Fortsetzung der Sendung des Täufers: sie soll die Menschheit zu Jesus führen, dem Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt und sie im Heiligen Geist taufen wird (vgl. Joh 1,29.34). So predigt Petrus am Pfingsttag mit Worten, die auch aus dem Mund des Täufers hätten stammen können und im Wesentlichen die Worte der Gospa zusammen fassen: “Kehrt um und jeder lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). Und weiter: „Kehrt um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden und der Herr Zeiten des Aufatmens kommen lässt und Jesus sendet als den für euch bestimmten Messias“ (Apg 3:19-20). In der Umkehr zu Jesus liegt der Schlüssel zu dem Frieden, den allein Gott geben kann und der die herausragende Frucht des Heiligen Geistes ist. Die Sendung des Täufers findet ihre Fortsetzung in der Sendung der Kirche und die Sendung Mariens ist die Sendung der Kirche, denn Maria ist das Urbild der Kirche und die Kirche in Person.
Spätestens seit den Missbrauchsskandalen, aber eigentlich seit Jahrzehnten, ist evident, dass die Kirche in einer beispiellosen Krise ist. Maria hatte es in Fatima angekündigt und Papst Paul VI hat es bestätigt, der „Rauch“ Satans ist bis ins Innerste der Kirche eingedrungen. Mariens Pastoralprogramm in Medjugorje ist ganz sicher ein Programm zur Erneuerung der Kirche. Ich meine aber, dass wir das Eingreifen der Gottesmutter unterschätzen, wenn wir es lediglich auf ein Reformprogramm reduzieren. So notwendig dieses auch ist, aber dafür hätte es eventuell auch gereicht, wenn Gott uns ein paar mehr von seinen „gewöhnlichen Heiligen“ geschickt hätte. Nein, Mariens Eingreifen hat etwas mit ihrer Rolle in Gottes Heilsplan zur Erlösung der ganzen Menschheit zu tun. Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift ist sie diejenige, die zusammen mit ihrem Sohn der Schlange den Kopf zertreten und so den Endsieg über den Satan herbeiführen wird (vgl. Gen 3,15). Aber, sie tut das nicht alleine sondern mit und vermittels der Glieder am Leibe ihres Sohnes. Biblisch wird das wunderbar in der Vision von der mit der Sonne bekleideten apokalyptischen Frau ausgedrückt (vgl. Offb 12). Die hier verwandte Symbolik bringt zum Ausdruck, dass diese Frau zugleich Maria und die Kirche darstellt. Sie, Maria–Kirche, leidet Geburtswehen, während sie zusammen mit dem gekreuzigten Christus die von ihrem Sohn erlöste Menschheit zu göttlichem Leben gebiert (Joh 19,26?, Offb 12,2). Da die Schlange, die Teufel oder Satan heißt (v. 9), weder ihr noch ihrem Erstgeborenen etwas anhaben konnte, gerät er „in Zorn über die Frau und er ging fort, um Krieg zu führen mit ihren übrigen Nachkommen, die die Gebote Gottes bewahren und an dem Zeugnis für Jesus festhalten“ (Offb 12,17). Jesus hat zwar den Satan am Kreuz besiegt, aber er überlässt die Ausführung dieses Sieges seiner Kirche auf Erden, die von daher auch „die Streitende Kirche“ genannt wird. Anführerin dieses göttlichen Heeres, das aus den Getauften und im Stand der Gnade lebenden Kindern der Kirche besteht, ist ihre Mutter und der Kirche vornehmstes Glied, Maria die Unbefleckte Empfängnis.
Was sind die Waffen in diesem Endkampf gegen Satan? Die persönliche Umkehr zu Gott in einem Leben nach der Weisung seines Wortes, genährt aus den Sakramenten der Kirche, besonders der Beichte und dem häufigen Empfang der Eucharistie, und einer sich aus dem Herzensgebet speisenden innigen Beziehung zu unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus, wozu die Gottesmutter ganz besonders das Rosenkranzgebet empfiehlt. Im Rosenkranz betrachten wir gleichsam das Leben Gottes auf Erden durch die Augen seiner Mutter, die das Evangelium so tief verstanden und gelebt hat wie kein zweiter nach ihr. Durch diese „süße Kette, die uns an Gott bindet“ (Sel. Bartolo Longo), sind wir im Schutz ihres unbefleckten Herzens sicher vor den Angriffen des bösen Feindes und werden dort zugleich in das Abbild ihres Sohnes umgestaltet. Wir, so sagt der Hl. Grignon von Montfort, die ganz kleinen „unnützen“ Kinder Mariens, sind die Ferse mit der Maria der Schlange den Kopf zertritt. In Gottes unergründlichen Ratschluss hat er die Erlösung der Welt an unsere Mitwirkung gebunden und von unserem Ja-Wort abhängig gemacht. Maria hat dieses Ja-Wort in Nazareth gesprochen und bis zum Kreuz nicht gebrochen. Nun ist es an uns, es mit ihrer Hilfe zu sagen und ihrem Ruf zu folgen, indem wir durch Umkehr, Fasten und Gebet ihr helfen, die Welt zu retten. Erst im Himmel werden wir begreifen, wie privilegiert wir waren, in dieser Zeit gelebt zu haben. Dann werden wir Gott auf Ewig danken, dass wir ihrem Ruf gefolgt sind.
(*) Dr. Nina Heereman ist Assistant Professor for Sacred Scripture am St. Patrick’s Seminar und Universität der Diözese San Francisco (USA). Zuerst veröffentlicht in Medjugorje Deutschland. Publiziert bei CNA Deutsch mit freundlicher Genehmigung.
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