6. November 2021
Der Dienst am Nächsten ist der Gemeinschaft der Gläubigen geboten. Die Caritas gehört unauflöslich zum Wesen der Kirche. In der Enzyklika „Deus caritas est“ legt Benedikt XVI. Gedanken und Überlegungen dazu vor, in der das Tun der Kirche wesenhaft als Handeln einer „Gemeinschaft der Liebe“ dargelegt wird: „Alles Handeln der Kirche ist Ausdruck einer Liebe, die das ganzheitliche Wohl des Menschen anstrebt: seine Evangelisierung durch das Wort und die Sakramente — ein in seinen geschichtlichen Verwirklichungen oftmals heroisches Unterfangen — und seine Förderung und Entwicklung in den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens und Wirkens. So ist Liebe der Dienst, den die Kirche entfaltet, um unentwegt den auch materiellen Leiden und Nöten der Menschen zu begegnen.“
Wie wir bereits gesehen haben, sind Gottes- und Nächstenliebe unauflöslich miteinander verwoben. Benedikt XVI. bekräftigt dies erneut: „Die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe ist zunächst ein Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen, aber sie ist ebenfalls ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft, und dies auf all ihren Ebenen: von der Ortsgemeinde über die Teilkirche bis zur Universalkirche als ganzer. Auch die Kirche als Gemeinschaft muß Liebe üben.“ Dieser Dienst wird als eine ernste Verpflichtung vorgestellt. Das Bewusstsein des Auftrags, einander in Liebe zu dienen, bestehe seit den Anfängen. Die ersten Christen lebten oft auch in einer Gütergemeinschaft, die sich aber beim Wachstum der Kirche nicht aufrechterhalten ließ. Ungeachtet dessen bleibt bis heute gültig: „Innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen darf es keine Armut derart geben, daß jemandem die für ein menschenwürdiges Leben nötigen Güter versagt bleiben.“
Der diakonische Dienst, der „Sozialdienst“, war auch in der jungen Kirche ein „durchaus geistlicher Dienst“. Der Diakon übte ein „wirklich geistliches Amt“ aus. Auch später in der Kirche bleiben im dreigestuften Weihesakrament der Priester und Bischof immer zuerst Diakon. Die nächste Stufe der Weihe hebt die vorausgegangene nicht auf. Der „Dienst gemeinsamer, geordnet geübter Nächstenliebe“ sei „in der grundlegenden Struktur der Kirche selbst verankert“: „Die Kirche kann den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie Sakrament und Wort.“
Benedikt würdigt historische Etappen, in denen immer mehr der diakonische Dienst in der Kirche verankert und zu einem Zeichen der Christen wurde. Das „Wesen der Kirche“ drücke sich in einem „dreifachen Auftrag“ aus: „Verkündigung von Gottes Wort (kerygma-martyria), Feier der Sakramente (leiturgia), Dienst der Liebe (diakonia). Es sind Aufgaben, die sich gegenseitig bedingen und sich nicht voneinander trennen lassen. Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zu ihrem Wesen, ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst.“
Gerade heute wird auch die Wohltätigkeit der Kirche oft noch anerkannt und gelobt. Die Verkündigung des Evangeliums scheint dagegen wie nebensächlich anzumuten und wird seltener wertgeschätzt. Der Liebesdienst der Kirche bleibt indessen ein wesentlicher Bestandteil des Auftrags, der unauflöslich ist. Verkündigung, Liturgie und Diakonie gehören zusammen. Benedikt XVI. legt dar: „Die Kirche ist Gottes Familie in der Welt. In dieser Familie darf es keine Notleidenden geben. Zugleich aber überschreitet Caritas-Agape die Grenzen der Kirche: Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter bleibt Maßstab, gebietet die Universalität der Liebe, die sich dem Bedürftigen zuwendet“ – und jeder Mensch kann in diesem Sinne der Nächste sein, dem die Liebesgabe zuteilwird: „Unbeschadet dieser Universalität des Liebesgebotes gibt es aber doch einen spezifisch kirchlichen Auftrag — eben den, daß in der Kirche selbst als einer Familie kein Kind Not leiden darf.“ Wir sehen darin sowohl den Auftrag für eine materiell reiche Kirche, nicht etwa an den Ausbau institutioneller Strukturen zu denken, sondern dass aus den Gütern auch ein Auftrag erwächst, den Liebesdienst zu leisten – etwa die Evangelisierung zu fördern oder in Projekten Notleidenden auf geeignete Weise zu helfen. Zugleich wissen Gläubige auch, dass es eine versteckte Armut, versteckte Nöte gibt. Wir sehen Bettler mit vielen Gesichtern, und viele sehen wir auch nicht, vielleicht weil sie sich aus Scham verbergen, vielleicht weil wir über sie hinwegsehen möchten.
In der Kirche Gottes, in der Familie Gottes, soll kein Kind Not leiden. Dazu gehört auch die Fürsorge für kinderreiche Familien und für Menschen in der letzten Lebensphase. Wer die Not übersieht, übersieht auch den leidenden Herrn, der im Nächsten gegenwärtig ist.
Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.
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