22. Januar 2022
In der Enzyklika „Spe salvi“ spricht Benedikt XVI. auch eine Frage an, vor der gläubige Menschen mitunter ratlos wirken und sind. In unser Leben ist die „Hoffnungsgewißheit“ eingezeichnet, ebenso Situationen und Stationen des Kreuzes, des Leidens, das wir selbst aushalten müssen – ob es uns oder unsere lieben Mitmenschen betrifft. In den Zeiten der Corona-Pandemie haben wir einander oft „Bleib gesund!“ gewünscht – und diesen Ausspruch von anderen gehört. Vergessen wir aber als Christen nicht, dass das Leben, wenn es von der Endlichkeit verschattet und der ausschließlichen Sorge um körperliches Wohlergehen geprägt wäre, sehr bald „hoffnungslos“ würde. Benedikt bekräftigt darum: „Ich darf immer noch hoffen, auch wenn ich für mein Leben oder für meine Geschichtsstunde augenscheinlich nichts mehr zu erwarten habe. Nur die große Hoffnungsgewißheit, daß trotz allen Scheiterns mein eigenes Leben und die Geschichte im ganzen in einer unzerstörbaren Macht der Liebe geborgen ist und von ihr her, für sie Sinn und Bedeutung hat, kann dann noch Mut zum Wirken und zum Weitergehen schenken.“ Unsere Hoffnung ist das „Reich Gottes“, das wir nicht selbst machen können, sondern das Geschenk Gottes ist, die „Antwort auf Hoffnung“. Es ist wahr, wir können uns den Himmel nicht verdienen, auch wenn „unser Tun nicht gleichgültig ist vor Gott“: „Wir können uns und die Welt öffnen für das Hereintreten Gottes: der Wahrheit, der Liebe, des Guten. … Wir können unser Leben und die Welt von den Vergiftungen und Verschmutzungen freimachen, die Gegenwart und Zukunft zerstören könnten. Wir können die Quellen der Schöpfung freilegen und reinhalten und so mit der Schöpfung, die uns als Gabe vorausgeht, ihrem inneren Anspruch und ihrem Ziel gemäß das Rechte tun.“ Wir können das Naturrecht ernstnehmen oder ignorieren. Wir können Gottes Gaben achten oder uns darüber hochmütig erheben. Wir können mit Gott und dem Gericht rechnen – oder wir können geschmeidig lächelnd darüber hinweggehen. Wir können Zyniker sein – oder Zeugen der Hoffnung.
Benedikt schreibt, dass wir uns mit dem Leid in der Welt, mit den Leidenden konfrontiert sähen: „Ja, wir müssen alles tun, um Leid zu überwinden, aber ganz aus der Welt schaffen können wir es nicht – einfach deshalb nicht, weil wir unsere Endlichkeit nicht abschütteln können und weil niemand von uns imstande ist, die Macht des Bösen, der Schuld, aus der Welt zu schaffen, die immerfort – wir sehen es – Quell von Leiden ist. Das könnte nur Gott: Nur ein Gott, der selbst in die Geschichte eintritt, Mensch wird und in ihr leidet. … Mit dem Glauben, daß diese Macht besteht, ist die Hoffnung auf die Heilung der Welt in der Geschichte hervorgetreten. Aber es ist eben Hoffnung und noch nicht Vollendung; Hoffnung, die uns den Mut gibt, uns auf die Seite des Guten zu stellen, auch wo es aussichtslos scheint, im Wissen, daß im äußeren Gang der Geschichte die Macht der Schuld weiterhin furchtbare Gegenwart bleibt.“
Wir können im Letzten dem Leid nicht aus dem Weg gehen. Es sei auch wichtig, den Schmerz anzunehmen, der für uns auch Teilhabe an der Passionsgemeinschaft mit Christus ist: „Nicht die Vermeidung des Leidens, nicht die Flucht vor dem Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzunehmen und in ihm zu reifen, in ihm Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus, der mit unendlicher Liebe gelitten hat.“ Das Leid kann „furchtbar und nahezu unerträglich sein“, doch der „Stern der Hoffnung“ sei aufgegangen, und „der Anker des Herzens reicht bis zum Thron Gottes“.
Benedikt spricht sogar über das „Maß der Humanität“, das freilich gerade nicht in Euthanasie, Sterbehilfe und anderem liegt, sondern „im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden“ sichtbar wird: „Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen und nicht im Mit-leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft. Aber die Gesellschaft kann die Leidenden nicht annehmen und sie nicht in ihrem Leiden tragen, wenn die einzelnen dies nicht können, und wiederum der einzelne kann das Leid des anderen nicht annehmen, wenn er nicht selbst im Leiden Sinn, einen Weg der Reinigung und der Reifung, einen Weg der Hoffnung zu finden vermag. Denn Annehmen des anderen, der leidet, bedeutet, daß ich mir sein Leid selbst zueigne, daß es auch mein Leiden wird. Eben dadurch aber, daß es nun geteiltes Leid geworden ist, daß ein anderer in ihm da ist, dringt das Licht der Liebe in dieses Leiden ein.“ Benedikt XVI. betont: „Die Fähigkeit, um des Wahren willen zu leiden, ist Maß der Humanität. Aber diese Leidensfähigkeit hängt an der Weise und an dem Maß der Hoffnung, die wir in uns tragen und auf die wir bauen. Weil die Heiligen von der großen Hoffnung erfüllt waren, konnten sie den großen Weg des Menschseins gehen, wie ihn uns Christus vorangegangen ist.“ Die Geschichte des Christentums ist eine Geschichte des Martyriums. Wer an Gott glaubt und im Credo der Kirche verwurzelt ist, der bekennt sich nicht zu Weltrevolution und Sentimentalität, sondern er sagt „Ja“ zum Kreuz in seinem Leben. Zu dem Kreuz, das wir tragen müssen, gehört auch das Leid des Mitmenschen, dem wir beistehen, so oft hilflos und ohnmächtig. Wir können das physische Leid und auch manchen seelischen Kummer unserer Nächsten oft weder mildern noch abnehmen, so sehr wir uns das auch wünschen. Sie kennen das alle sicher aus der Erfahrung Ihres eigenen Lebens: nichts lieber wollten wir, als das Leid dem geliebten Mitmenschen abnehmen und an seiner Statt tragen. Doch es geht nicht nach unserem Wollen und Wünschen.
Der Bote der christlichen Hoffnung faltet die Hände zum Gebet. Jeder von uns kann auch in seinem Schweigen und in seinem diakonisch-caritativen Dienst am Mitmenschen still, mitunter vielleicht auch hadernd und zugleich glaubwürdig die Hoffnung bezeugen, die unser Leben trägt und hält. So schwer es mitunter auch fällt, es ist und bleibt wahr: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Hoffnung, im Kreuz ist Leben.
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