6. Februar 2022
Am vergangenen Sonntag, dem fünften im Jahreskreis, hörten und bedachten wir das Lukasevangelium über die Berufung der ersten Jünger des Herrn (Lk 5,1–11). Die Fischer am See Genezareth wuschen ihre Netze. Jesus vertraut sich Simon an, steigt in dessen Boot und lehrt das wartende Volk vom See aus. Der Evangelist berichtet uns nicht, was der Herr sagt. Aber das Evangelium erzählt von dem Jünger, der Petrus genannt sein wird. Simon spricht als nüchterner Realist. Die ganze Nacht hindurch haben sie keine Fische gefangen. Zugleich betont er: "Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen." Das heißt auch: Ich, der erfahrene Fischer Simon, habe genügend Erfahrungen gesammelt – und keine Hoffnung mehr. Aber wenn du, Herr, mir sagst, dass ich erneut hinausfahren soll auf den See, so will ich es tun. Papst Benedikt XVI. hat bei der Ansprache zum Angelus am 10. Februar 2013 – ein Tag vor der Bekanntgabe seines Amtsverzichts – über dieses Evangelium nachgedacht und die Vorgeschichte der Berufung der ersten Jünger gedeutet. Jesus lehrt das Volk, aber über die Lehre erfahren wir nichts. Danach folgt ein Bekenntnis, ein Vertrauenserweis des Fischers Simon. Anschließend – und weltlich gedacht ganz unerwartet – ergibt sich ein "wunderbarer Fischfang, der sich nach dem Willen des Herrn vollzog".
Dieses Evangelium hat mich durch die letzte Woche begleitet. Fragen sind in mir aufgestiegen. Die Situation heute scheint in vielem dem, was der Evangelist Lukas berichtet, sehr ähnlich zu sein. Wir sitzen traurig am See. Doch vertrauen wir noch dem Wort des Herrn? Rechnen wir ernsthaft mit Gott? Auf fast allen Kanälen hörten wir in der letzten Woche immer wieder dasselbe. So viele Medien sind beherrscht gewesen von den Resonanzen des deutschkatholischen Reformprogramms "Synodaler Weg" und mehr noch von dem Empörungsrausch, der im Gefolge des Münchner Missbrauchsgutachtens nicht unerwartet entstanden ist und bis weit in die Kirche hineinreicht.
Stellen wir uns vor, dass vielleicht nicht eine große Menschenmenge, aber die eine oder der andere Suchende uns begegnen würde, der sich und uns die Gottesfrage stellt. Was würden wir antworten? Diese Suchenden erwarten nicht die papierreiche Agenda des Synodalen Wegs, der vielleicht Ausdruck der Lebenswirklichkeit einer Mehrheit der Delegierten dort ist, aber von der Gottesfrage und dem Evangelium Jesu nichts zu tun hat. Würden wir die Suchenden zu einem Spaziergang einladen? Würden wir Fragende zu einem Gespräch und einem Austausch über den Glauben ermutigen? Der Herr würde uns sagen, glaube ich: "Fahr hinaus!" Das heißt: Warum nicht? Mach das! Hab Vertrauen!
Wir sehen vielleicht keine wunderbaren Zeichen wie die ersten Jünger. Oder doch? Sie sind könnten anderer Art sein. Ich treffe noch immer Menschen im Alltag, die auf der Suche nach den Spuren Gottes sind. Noch immer begegne ich Menschen, die einfach gläubig sind und das auch bleiben wollen.
Möglicherweise spüren wir, dass wir – als rom- und papsttreue Katholiken – manchmal mitten in der Kirche, die oft eher kunterbunt als römisch-katholisch anmutet, vereinsamen. Das stelle auch ich fest. Aber ich darf sagen: Mein ganzes Leben hindurch habe ich mich nicht ein einziges Mal dafür entschuldigt, dass ich römisch-katholischer Christ bin – und das wird auch so bleiben. Ich bin dankbar und glücklich, der Kirche des Herrn anzugehören. Es ist wie ein unverdientes Geschenk. So finde ich mich mein ganzes Leben hindurch in dem Wort des Simon Petrus wieder: "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder." (Lk 5,8) Vielleicht geht es Ihnen ähnlich? Möglicherweise hören wir heute von innen her sagen dasselbe wie damals die Fischer am See Genezareth: "Fürchte dich nicht!"
Ja, wir sehen Entfremdungsprozesse, wir bezeugen im Raum der Kirche aufgebrachte Thesen, die nicht nur der verbindlich gültigen Lehre, sondern auch dem Evangelium entgegenstehen. Am 17. Februar 2013 sprach Benedikt XVI. übrigens über die "Instrumentalisierung Gottes aus eigenen Interessen". Heute entsteht manchmal der Eindruck, als hätten viele zu Kündern der Botschaft Jesu bestellte Personen sich längst von dieser abgewandt. Ob sie wissen, was sie tun? Ich weiß es nicht. Ja, wir sehen skandalöse Vorgänge, die uns zutiefst beschämen – wie den Missbrauchsskandal. Wir sehen Anfeindungen. Vielleicht werden wir auch selbst angefeindet. Wir fühlen uns auch untauglich und überfordert. Doch der Evangelist Lukas erzählt davon, dass Simon Petrus auf das Wort des Herrn traut und erneut die Netze auswirft. Benedikt XVI. sprach 2013 von der "Pädagogik der Berufung durch Gott, der nicht so sehr auf die Qualitäten der Erwählten blickt als vielmehr auf ihren Glauben, wie jenen des Simon, der spricht: »Wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen« (V. 5). Das Bild des Fischfangs verweist auf die Sendung der Kirche. … Der Mensch ist nicht Urheber seiner Berufung, sondern antwortet auf den Vorschlag Gottes; und die menschliche Schwäche darf keine Angst machen, wenn Gott ruft. Man muß auf seine Kraft vertrauen, die gerade in unserer Armut wirkt; man muß sein Vertrauen immer mehr in die Macht seines Erbarmens setzen, das verwandelt und erneuert."
Ganz einfach sagt er: "Mißerfolge und Schwierigkeiten dürfen nicht zur Entmutigung führen: unsere Aufgabe ist es, gläubig die Netze auszuwerfen, der Herr macht den Rest." Darauf vertraue ich, daran glaube ich – und Sie?
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