In der „vierhändig“ verfassten Enzyklika „Lumen fidei“ werden die biblischen Stadien des Glaubens betrachtet. Die Gestalt Abrahams wird gewürdigt: „Der Glaube öffnet uns den Weg und begleitet unsere Schritte in der Geschichte. Darum müssen wir, wenn wir verstehen wollen, was der Glaube ist, seinen Verlauf beschreiben, den zuerst im Alten Testament bezeugten Weg der gläubigen Menschen. Ein außergewöhnlicher Platz kommt dabei dem Abraham zu, unserem Vater im Glauben. In seinem Leben ereignet sich etwas Überwältigendes: Gott richtet sein Wort an ihn, er offenbart sich als ein Gott, der redet und ihn beim Namen ruft. Der Glaube ist an das Hören gebunden.“ 

Gläubige sind also hörende Menschen. Von der Schwerhörigkeit für Gott hat Benedikt XVI. in seinem Pontifikat oft gesprochen. Auch mitten in der Kirche haben viele von uns oft den Eindruck, dass über sehr viel gesprochen, aber von Gott gar nicht. Es geht freilich nicht allein um die rechte Rede von Gott, sondern auch um die Schulung sowie Bildung des Gehörs. Hören wir einander zu? Öffnen wir unsere Ohren, unsere Herzen, unsere ganze Person etwa bei der stillen Anbetung wirklich auf Gott hin?

Spüren wir, dass wir wie Abraham von Gott angesprochen werden: „Abraham sieht Gott nicht, aber er hört seine Stimme. Auf diese Weise nimmt der Glaube einen persönlichen Charakter an. Gott erweist sich so nicht als der Gott eines Ortes und auch nicht als der Gott, der an eine bestimmte heilige Zeit gebunden ist, sondern als der Gott einer Person, eben als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der fähig ist, mit dem Menschen in Kontakt zu treten und einen Bund mit ihm zu schließen. Der Glaube ist die Antwort auf ein Wort, das eine persönliche Anrede ist, auf ein Du, das uns bei unserem Namen ruft.“

Wir, also Sie und ich, sind beim Namen gerufen. Gott ruft uns, er beruft uns zu Zeugen seiner Auferstehung. Der Ruf kann auch eine „Aufforderung“ sein, „sich einem neuen Leben zu öffnen“. Viele beklagen in dieser Zeit etwa den Schwund an Priesterberufungen und denken deswegen über Strukturreformen oder gar über die Abschaffung des Zölibats nach. Selten hören wir, dass um Priesterberufungen gebetet wird. Wie schön wäre es, welch Glaubenszeugnis, wenn wir dies tun würden. Der Glaube öffnet die Augen: „Die Sicht, die der Glaube dem Abraham verleiht, wird dann immer mit diesem zu vollziehenden Schritt nach vorn verbunden sein: Der Glaube „sieht" in dem Maße, in dem er vorangeht und in den Raum eintritt, den das Wort Gottes aufgetan hat.“

Abraham vertraut sich diesem Wort an. Tun auch wir dies heute? Oder vertrauern wir eher weltlichen Umfragen über den Glauben, Statistiken über den Glaubensverlust oder einer je eigenen Wahrscheinlichkeitsrechnung, ob das Wort Gottes wahr sein könnte oder eine trügerische Gedankenspielerei, die in der Antike entstanden ist. Fragen wir also ernsthaft: Was zeichnet diesen Glauben aus? „Der Glaube begreift, dass das Wort, eine scheinbar flüchtige, vorübergehende Wirklichkeit, wenn es vom treuen Gott ausgesprochen wird, das Sicherste und Unerschütterlichste wird, was es geben kann, das, was die Kontinuität unseres Weges in der Zeit ermöglicht. Der Glaube nimmt dieses Wort wie einen sicheren Felsen, auf dem man mit festen Fundamenten bauen kann. ... Der gläubige Mensch empfängt seine Kraft aus der vertrauensvollen Selbstübergabe in die Hände des treuen Gottes.“

So wird in der Enzyklika Abrahams Glaube gekennzeichnet: „Für Abraham erhellt der Glaube an Gott die tiefsten Wurzeln seines Seins, erlaubt ihm, die Quelle des Guten zu erkennen, die der Ursprung aller Dinge ist, und gibt ihm die Bestätigung, dass sein Leben nicht vom Nichts oder vom Zufall ausgeht, sondern auf eine persönliche Berufung und Liebe zurückzuführen ist. Der geheimnisvolle Gott, der ihn gerufen hat, ist nicht ein fremder Gott, sondern derjenige, der Ursprung von allem ist und alles erhält.

Die große Glaubensprüfung Abrahams, das Opfer seines Sohnes Isaak, zeigt dann, bis zu welchem Punkt diese ursprüngliche Liebe fähig ist, für das Leben auch über den Tod hinaus zu bürgen.“ Der Glaube an Gott reicht also über die Endlichkeiten dieser Welt hinaus und öffnet Horizonte, die so viel weiter reichen, als manche klugen Philosophen und Religionskritiker gestern wie heute annehmen. Doch die Weisheit der Welt reicht nicht weit genug. Manchmal steht sie der Wahrheit sogar im Weg. Einfach gläubige Christen beten daher um Führung, um Gottes Willen zu erkennen und nach seinen Weisungen zu leben. Wir können nichts Besseres tun, als den „geheimnisvollen Gott“ zu ehren, zu loben und zu preisen – und uns ihm ganz anvertrauen, im Leben und im Sterben.

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