Lichtreiche Gedanken über die oft nicht einfache Beziehung von Glaube und Vernunft hat Benedikt XVI. oft vorgestellt. Schlicht betrachtet erscheint es gerade aber unvernünftig, den Glauben von der Vernunft zu trennen oder diesen als einen Gegensatz zu ihr zu begreifen. Auch in der Enzyklika „Lumen fidei“ wird das Nachdenken hierzu fortgeführt. Der Glaube verkündet die „Wahrheit der vollkommenen Liebe Gottes“ und öffnet den Menschen für die „Macht dieser Liebe“. So erreicht der Glaube den „eigentlichen Kern der Erfahrung jedes Menschen, der dank der Liebe das Licht erblickt und dazu berufen ist zu lieben, um im Licht zu bleiben“.

In der Antike begegnete die Botschaft des Evangeliums den seinerzeit bekannten zeitgenössischen Philosophien, in denen das Ringen um die Wahrheit gegenwärtig war. Eine schwierige, aber auch fruchtbare Beziehung nahm ihren Ausgang. Vernunft und Glaube können einander wechselseitig stärken: „Wenn wir das volle Licht der Liebe Jesu finden, entdecken wir, dass in all unserer Liebe immer ein Schimmer jenes Lichts vorhanden war, und begreifen, welches ihr letztes Ziel war. Und die Tatsache, dass unsere Liebe ein Licht mit sich bringt, hilft uns zugleich, den Weg der Liebe zu sehen, der in die Fülle der totalen Hingabe des Sohnes Gottes für uns führt. In dieser Kreisbewegung erleuchtet das Licht des Glaubens alle unsere menschlichen Beziehungen, die in Einheit mit der einfühlsamen Liebe Christi gelebt werden können.“

Die Gestalt des heiligen Augustinus, dessen Denken später im Verlauf der Philosophiegeschichte oft eigenwillig verstanden und existenzphilosophisch verzeichnet wurde – etwa von Martin Heidegger und Hannah Arendt –, steht als „bedeutsames Beispiel“ für den Weg, „auf dem die Suche der Vernunft mit ihrem Sehnen nach Wahrheit und Klarheit in den Horizont des Glaubens eingefügt wurde, von dem sie ein neues Verstehen empfing“: „Einerseits nimmt er die griechische Philosophie des Lichtes mit ihrem Beharren auf dem visuellen Element auf. Durch seine Begegnung mit dem Neuplatonismus hat er das Paradigma des Lichtes kennen gelernt, das von oben herabkommt, um die Dinge zu erleuchten, und das so ein Symbol Gottes ist. Auf diese Weise hat der heilige Augustinus die göttliche Transzendenz begriffen und entdeckt, dass alle Dinge eine Transparenz in sich tragen, d. h. die Güte Gottes, das Gute widerspiegeln können. So hat er sich vom Manichäismus befreit, in dem er vorher lebte und der ihm die Vorstellung nahelegte, das Böse und das Gute lägen in ständigem Kampf miteinander, gingen ineinander über und vermischten sich ohne deutliche Umrisse. Die Einsicht, dass Gott Licht ist, hat ihm eine neue Lebensorientierung gegeben und ihm die Fähigkeit verliehen, das Böse zu erkennen, dessen er schuldig war, und sich dem Guten zuzuwenden.“

Die philosophisch-theoretische Reflexion genügt aber nicht, und das wissen auch viele Philosophen. Der „entscheidende Moment“ für Augustinus auf dem Weg des Glaubens war nicht ein eine „Vision Gottes jenseits von dieser Welt“, sondern eine innere Erfahrung, ein „Hören, als er im Garten eine Stimme vernahm, die sagte: „Nimm und lies“. Er nahm das Buch mit den Briefen des heiligen Paulus und blieb beim dreizehnten Kapitel des Römerbriefes stehen. So erschien der persönliche Gott der Bibel, der fähig ist, zum Menschen zu sprechen und herabzusteigen, um mit ihm zu leben, sowie seinen Weg in der Geschichte zu begleiten, indem er sich in der Zeit des Hörens und der Antwort zeigt.“

Die Offenheit für diese inneren Erfahrungen und für die Sphäre des Glaubens bedeutet aber nicht, das Leben nun wider die Vernunft auszurichten: „Und so hat er eine Philosophie des Lichtes entwickelt, die in sich die dem Wort eigene Gegenseitigkeit aufnimmt und einen Raum öffnet für die Freiheit, den Blick auf das Licht zu richten. Wie dem Wort eine freie Antwort entspricht, so findet das Licht als Antwort ein Bild, das es widerspiegelt. Indem er Hören und Sehen einander zuordnet, kann der heilige Augustinus also Bezug nehmen auf »das Wort, das im Innern des Menschen leuchtet«. Auf diese Weise wird das Licht sozusagen das Licht eines Wortes, weil es das Licht eines persönlichen Antlitzes ist, ein Licht, das uns, indem es uns erleuchtet, ruft und sich in unserem Gesicht widerspiegeln will, um aus unserem Innern heraus zu leuchten. Im Übrigen bleibt der Wunsch nach der Schau des Ganzen — und nicht nur der Fragmente der Geschichte — bestehen und wird sich am Ende erfüllen, wenn der Mensch, wie der heilige Bischof von Hippo sagt, schauen und lieben wird. Und das nicht etwa, weil er fähig sein wird, das ganze Licht zu besitzen, das immer unerschöpflich bleiben wird, sondern weil er ganz und gar in das Licht eingehen wird.“

Der Weg der Philosophie, die glaubensoffen ist, führt also stets über die Philosophie hinaus. Einfach gesagt: Wir haben nicht dem Denken geglaubt, sondern wir haben der Liebe geglaubt. Der Liebe zu glauben heißt nicht, die Vernunft abzulehnen, sondern sie anzunehmen und einzubetten auf dem Weg zu Gott. Der Glaube steht also nicht im Widerspruch zur Vernunft, wohl aber zu einem falschen Wahrheitsbegriff, der Wahrheit als die „subjektive Authentizität des Einzelnen“ ansieht.

Vor der Wahrheit des Glaubens muss sich aber niemand fürchten: „Wenn es sich aber bei der Wahrheit um die Wahrheit der Liebe handelt, wenn es die Wahrheit ist, die sich in der persönlichen Begegnung mit dem Anderen und den anderen erschließt, dann ist sie aus der Verschlossenheit in den Einzelnen befreit und kann Teil des Gemeinwohls sein. Da sie die Wahrheit einer Liebe ist, ist sie nicht eine Wahrheit, die sich mit Gewalt durchsetzt, eine Wahrheit, die den Einzelnen erdrückt. Da sie aus der Liebe hervorgeht, kann sie das Herz, die persönliche Mitte jedes Menschen erreichen. So wird deutlich, dass der Glaube nicht unnachgiebig ist, sondern im Miteinander wächst, das den anderen respektiert. Der Gläubige ist nicht arrogant; im Gegenteil, die Wahrheit lässt ihn demütig werden, da er weiß, dass nicht wir sie besitzen, sondern vielmehr sie es ist, die uns umfängt und uns besitzt. Weit davon entfernt, uns zu verhärten, bringt uns die Glaubensgewissheit in Bewegung und ermöglicht das Zeugnis und den Dialog mit allen.“

Das „Licht des Glaubens“ sei mit der „Wahrheit der Liebe“ vereint, die immer in „Leib und Seele gelebt“ werde: „Das Licht des Glaubens ist ein inkarniertes Licht, das von dem leuchtenden Leben Jesu ausgeht. Es erleuchtet auch die Materie, baut auf ihre Ordnung und erkennt, dass sich in ihr ein Weg der Harmonie und des immer umfassenderen Verstehens öffnet. So erwächst dem Blick der Wissenschaft ein Nutzen aus dem Glauben: Dieser lädt den Wissenschaftler ein, für die Wirklichkeit in all ihrem unerschöpflichen Reichtum offen zu bleiben. Der Glaube ruft das kritische Bewusstsein wach, insofern er die Forschung daran hindert, sich in ihren Formeln zu gefallen, und ihr zu begreifen hilft, dass die Natur diese immer übersteigt. Indem er zum Staunen angesichts des Geheimnisses der Schöpfung einlädt, weitet der Glaube die Horizonte der Vernunft, um die Welt, die sich der wissenschaftlichen Forschung erschließt, besser zu durchleuchten.“

Heute ruft der Glaube auch zu einer kritischen Reflexion auf, etwa hinsichtlich der von Michel Foucault inspirierten „Humanwissenschaften“ und ihren diversen Implikationen, die unverständlicherweise auf dem „Synodalen Weg“ positiv aufgenommen werden.

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