19. August 2022
"Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben die Päpste den interreligiösen Dialog mit ihrem Lehramt gefördert und ermutigt", sagt Kardinal Miguel Ángel Ayuso Guixot, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog. "Paul VI. betonte den Dialog mit der Welt. Johannes Paul II. den Dialog des Friedens. Benedikt XVI. den Dialog der Nächstenliebe und der Wahrheit. Und heute fordert Papst Franziskus den Dialog der Geschwisterlichkeit."
In der Kirche und außerhalb oft verwechselt, falsch verstanden oder nicht verstanden: der interreligiöse Dialog, den der Kardinal ansprach. Und dann gibt es auch noch die Ökumene.
Auf seinem deutschsprachigen Twitter-Account schrieb Papst Franziskus in diesem Monat: "Der Neuanfang eines Dialogs entsteht nicht durch Worte, sondern durch Schweigen, dadurch, dass man nicht stur bleibt, sondern geduldig wieder anfängt, dem anderen zuzuhören, seinen Schwierigkeiten, dem, was er auf dem Herzen hat. Die Heilung des Herzens beginnt mit dem Zuhören."
Wir wollen heute unserem Gast zuhören – es ist wieder der koptisch-orthodoxe Erzbischof Angaelos von London.
Ich habe diese Frage schon vielen meiner Gäste gestellt. Angesichts des aktuellen Ukraine-Krieges scheint der interreligiöse Dialog zur Erhaltung des Friedens gescheitert zu sein?
Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, denn ich denke, wenn wir uns die Situation in der Ukraine ansehen, gibt es kein eindeutiges interreligiöses Element. Es handelt sich offensichtlich um einen geopolitischen Krieg. Und wenn überhaupt, dann wird er zwar den Kirchen zugeschrieben, aber eine interreligiöse Komponente gibt es hier nicht.
Natürlich sehen wir das auch an anderen Orten, wo man erwarten würde, dass religiöse Führer, Institutionen und Gremien miteinander sprechen und Fragen der Ungerechtigkeit, Verfolgung, Ungleichheit und alles andere klären würden. Manchmal geschieht das, oft aber auch nicht. Aber ich glaube nicht, dass wir das direkt mit der Ukraine in Verbindung bringen können.
Wenn wir die Verwirrung sehen, die z. B. einige Geistliche der deutschen katholischen Kirche in den letzten Monaten verursacht haben, ist dann nicht der Schritt vor dem interreligiösen Dialog der innerreligiöse Dialog, um Einheit unter unseren eigenen Gruppen zu erreichen, bevor wir in den Dialog mit anderen religiösen Gruppen eintreten?
Ich denke, es gibt natürlich eine Priorität. Ich meine, es ist besser für uns, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen, und selbst wenn wir nicht mit einer einheitlichen Stimme sprechen, sollten wir zumindest die Positionen der anderen verstehen. Ja, natürlich ist der innerreligiöse Dialog wichtig, das, was wir ökumenische zwischenkirchliche Beziehungen nennen. Und ich denke, dass sich das sehr gut entwickelt und vielerorts verbessert.
Aber wenn das stattgefunden hat, auch wenn wir uns nicht auf einen ökumenischen Standpunkt einigen können, haben wir zumindest gegenseitigen Respekt, und wenn wir uns mit anderen religiösen Oberhäuptern oder Glaubensgemeinschaften treffen, dann können wir zumindest an einer gemeinsamen Plattform teilnehmen, miteinander arbeiten und versuchen, uns gegenseitig zu unterstützen.
Natürlich wäre es unglaublich heuchlerisch, wenn wir über den interreligiösen Dialog sprechen würden, aber keine Zeit und Mühe in den ökumenischen Dialog mit unseren Schwestern und Brüdern investieren würden. Die Leute werden uns sofort zur Rechenschaft ziehen und sagen, warum habt ihr das getan? Und warum haltet ihr euch nicht an das englische Sprichwort, das besagt, dass Nächstenliebe zu Hause beginnt? Wenn wir also unser eigenes Haus nicht in Ordnung bringen können, wird es schwierig sein, nach außen zu sprechen.
Aber wie gesagt, wir müssen nicht immer erst das eine vollständig abschließen, um das andere zu beginnen. Wenn wir in der Ökumene vorankommen, können wir uns auch auf einen interreligiösen Aspekt einlassen, denn es sind beides Wege, die sich manchmal sogar gegenseitig bereichern. Denn wenn wir zusammenstehen, werden wir in einer Position tatsächlich geeinter.
Wie vermitteln wir im Zeitalter von Netflix und Amazon vor allem jungen Menschen, die keine Religion oder keinen Glauben an Gott haben, die Bedeutung der Religion, der organisierten Religion wie der koptisch-orthodoxen oder der katholischen Kirche?
Die Kirche muss relevant und zugänglich sein. Sie muss Wirkung zeigen, sie muss einen Platz im Leben der Menschen haben. Andernfalls werden die Menschen andere Entscheidungen treffen. Wie Sie sagen, haben die Menschen im Moment viele andere Möglichkeiten, und wenn wir keinen positiven und proaktiven Einfluss auf ihr Leben haben, werden sie sich umsehen, wer diesen Einfluss hat und wer ihn ausüben kann.
Ich glaube, wir machen manchmal den Fehler, dass wir versuchen, mit Dingen wie den sozialen Medien und Netflix zu konkurrieren, aber da können wir unmöglich mithalten.
Was wir tun müssen, ist das zu präsentieren, was wir haben und was sonst niemand hat, nämlich die Geschichte der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus und die Hoffnung auf ein Leben in ihm.
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Nun, wir präsentieren das auf verschiedene Weise in der Jugendarbeit, in der Sportarbeit, in der Kreativarbeit, in der Kinderarbeit, in der Seniorenarbeit – wir tun unser Bestes und versuchen, so viele Möglichkeiten wie möglich zu bieten, damit die Menschen denken: Das ist wirklich relevant für mich, das wird in meinem Leben funktionieren. Ich glaube, wenn wir versuchen, mit den Elementen der Welt zu konkurrieren, werden wir scheitern, denn sie haben mehr Ressourcen, mehr Fähigkeiten, mehr Einfluss und weniger Grenzen. Es gibt viele Dinge, die wir nicht tun können, und Gott sei Dank können wir sie nicht tun. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir uns darauf besinnen, was unsere "Nischengeschenke" sind, nämlich Hoffnung und Lichter in der Welt, und dass wir das den Menschen auf eine Art und Weise präsentieren, die einen Unterschied macht und ihr Leben bereichern.
Die Ökumene, die ökumenische Bewegung (vom griechischen Wort für "Erdkreis"), ist eine Bewegung im Christentum, die eine weltweite Einigung und Zusammenarbeit der verschiedenen Konfessionen anstrebt.
Sie wird vor allem durch den Ökumenischen Rat der Kirchen, bei dem die römisch-katholische Kirche kein Mitglied ist, aber kooperiert, und lokalen Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen, verkörpert.
Mit interreligiösem Dialog hingegen bezeichnet man den gleichberechtigten, respektvollen und kritischen Meinungsaustausch aller Religionen.
Kann dieser Meinungsaustausch – oder soll er sogar – ein Schritt hin zur einer Weltkirche sein?
Auf keinen Fall. Ich glaube, die Menschen unterschätzen die Macht des Glaubens an eine Religion. Wir wissen mit Sicherheit, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung sich selbst als im weitesten Sinne gläubig betrachten. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass 80 Prozent plötzlich meinen, sie könnten einer einzigen Sache folgen, denn unter diesen 80 Prozent sind Menschen, die sehr engagiert, sehr hingebungsvoll und sehr gläubig sind. Sie werden bei ihrer Religion bleiben, sie werden nicht wechseln.
Und ich denke, es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, dass es beim interreligiösen Dialog nicht darum geht, den anderen zu ändern, sondern ihn zu verstehen und ihm zu ermöglichen, mich zu verstehen und zu sehen, was wir in Zusammenarbeit und gemeinsam tun können.
Wann immer wir einen interreligiösen Dialog geführt haben, bringen wir natürlich Menschen mit, die in ihrem eigenen Glauben oder ihrer eigenen Religion sehr stark sind.
Aber wir erwarten nicht, dass sie Menschen konvertieren. Man erwartet, dass die Menschen freundlich und offen sind und der anderen Person zuhören und sich auf eine Weise ausdrücken, die auf gegenseitigem Verständnis, gegenseitigem Respekt und dem gegenseitigen Wunsch beruht, herauszufinden, was wir gemeinsam tun können.
Natürlich gibt es eine Menge Panikmache von Leuten, die sagen, wenn man sich auf den interreligiösen Dialog einlässt, dann gibt es eine gemeinsame Weltreligion und all das.
Ich glaube nicht, dass das passiert, denn ich werde sicherlich nichts gegen das Christentum unternehmen und es gibt so viele Menschen auf der Welt, die sicherlich nichts anderes als ihre eigene Religion praktizieren wollen. Das ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, aber auch eine Chance, dass wir in der Lage sind, miteinander zu interagieren, uns gegenseitig zu verstehen und uns gegenseitig zur Verantwortung zu ziehen. Wenn also der Glaube oder die Religion von jemandem mich stört, muss ich in der Lage sein zu sagen, ich respektiere dich, aber du darfst mich nicht hindern.
Wenn ich sehe, dass jemand anderer meine Schwester oder meinen Bruder hindert, kann und muss ich dasselbe tun. Damit ich selbst beurteilen und definieren kann, wer ich bin, und mich nicht davon beeinflussen lasse, was alle um mich herum denken.
Wir erwähnten eingangs: Papst Franziskus hatte Anfang des Monats mehrmals und wiederholt auf die Bedeutung des Dialogs hingewiesen – sei es im Bereich der politischen Herausforderungen, sei es im Bereich des ökumenischen und interreligiösen Dialogs im Nahen Osten. Heilung des Herzens beginnt mit dem Zuhören
Zum Schluss ein Zitat von Michael Marie Jung, Professor, deutscher Hochschullehrer, Führungskräftetrainer, Coach und Wortspieler. Er sagte zum Thema Zuhören: Erst wenn man das Zuhören perfekt beherrscht, sollte man langsam anfangen, auch gezieltes Nichtzuhören zu lernen.
Original-Interview aufgenommen in London von Kameramann Eren Cebeci | Deutsche Sprecher: Matthias Ubert, Jan Terstiege | Redaktion, deutsche Übersetzung, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency, Sarl. Im Auftrag von EWTN.
Hinweis: Dieser Blogpost – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – sind kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.
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