22. August 2022
Als Transhumanismus bezeichnet man die Veschmelzung von Mensch und Maschine. Längst ist vieles davon Wirklichkeit geworden, was man früher in den Science-Fiction-Fernsehserien wie "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" oder "Raumschiff Enterprise" noch als Zukunftsvision dargestellt hatte. In der Tat ist man eigentlich schon weit über den Punkt dessen hinaus, was ein "normaler" Mensch sich in seinen kühnsten Träumen vorstellen kann.
Konzerne investieren seit vielen Jahren Milliarden in die Entwicklung und die Verbreitung von Technologien, die das erklärte Ziel haben, den Menschen Schritt für Schritt durch Roboter bzw. durch eine Mischform – die sogenannten Cyborgs – zu ersetzen.
Während des diesjährigen Sommerkurses der Gustav-Siewerth-Akademie im Südschwarzwald ging es um genau dieses Thema aus theologischer Sicht.
Der in St. Pölten lehrende Dogmatiker Michael Stickelbroeck sagte in seinem Vortrag: "Durch sein Körperbild, das am Wesen des Lebendigen vorbeigeht, konterkariert der Transhumanismus die ontologische Konstitution des Menschen als geistbegabtes biologisches Seiendes."
Der menschliche Körper "als ein verfügbares Objekt, das wie ein unbelebter technischer Apparat aufgefasst wird, tritt dem 'eigentlichen' (cartesisch) 'Ich' des Menschen oder dem Subjekt gegenüber. Er entbehrt jeder Einheit und Ganzheit und kann, selbst aus Teilen bestehend, nach Belieben mit neuen Versatzstücken versehen werden, die in ihrer Zusammensetzung ein anderes Funktionsgebilde ergeben."
Im Anschluß an den Vortrag sprach Christian Peschken (EWTN) mit dem Priester und Dogmatik-Professor Michael Stickelbroeck.
Prof. Dr. Stickelbroeck, in seiner Enzyklika Laudato si' schrieb Papst Franziskus sinngemäß, dass der unzweifelhafte Nutzen, den die Menschheit aus technologischem Fortschritt ziehen kann (vgl. Laudato si' 102), von dem Maß abhängt, in dem die neuen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf ethische Weise gebraucht werden (vgl. Laudato si' 105). Kann künstliche Intelligenz, können Roboter überhaupt auf einer ethischen Grundlage funktionieren?
Der Mensch wird nicht dadurch schlecht, dass er Technologie verwendet. Das betrifft auch künstliche Intelligenz. Er kann sie einsetzen, um daraus eine Erleichterung für bestimmte Dinge zu ziehen. Die Technologie ist natürlich in sich ambivalent und man muss auch die Gefahren sehen, die daraus erwachsen können. Ein starker Gebrauch technischer Mittel führt auf Seiten des Menschen – des Users – zu Kompetenzverlust und führt in neue Abhängigkeiten hinein.
Man sollte sich dessen mehr bewusst werden, dass sich damit auch Gefahren ergeben. Maschinen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, verfügen selbst nicht über die Möglichkeit ethischen Handelns. Sie können überhaupt nicht handeln. Handeln kann nur die menschliche Person, das heißt sie trifft ethische Entscheidungen nach dem Maßstab des Guten und des Bösen. Aber technologische Artefakte besitzen nicht die Möglichkeit des Handelns, wie sie für Personen besteht.
Glauben Sie, dass die Medien etwa durch Hollywood-Filme wie "Terminator" bewusst gegenüber dem Publikum bewerben, das ein transhumanistisches Konzept etwas Gutes sei? Immerhin hilft der gute Cyborg in dem Film den Menschen und bekämpt solche Cyborgs, die sich gegen den Menschen richten.
Es gibt in den Science-Fiction-Filmen, die wir kennen, Androiden, die dann auch reden und mit den Menschen Umgang pflegen. Aber dies sind natürlich Simulationen, und die lenken davon ab, dass eine Maschine nicht personale Züge aufweisen kann und nicht als ein entsprechendes menschliches Double fungieren kann. Roboter können nicht im Sinne des Guten oder Schlechten handeln.
Ich kenne die Hintergründe von Hollywood zu wenig, aber ich nehme an, dass hier auch suggestive Mittel eingesetzt werden, um bestimmte Dinge als normal und gängig zu verkaufen, die man so peu à peu in unsere Gesellschaft einführen möchte, um den Menschen irgendwelche Bedenken und Ängste zu nehmen, die gegenüber den "intelligenten" Robotern bestehen, damit die Leute es irgendwann als etwas Normales empfinden, mit Maschinen zu kommunizieren und sich nicht mehr die Frage stellen: Ist der Apparat überhaupt ein menschlicher Partner, ein menschliches Du – oder was denn?
"Der ständige Technikgebrauch, der zur digitalen Vereinnahmung des Subjekts führt, kann von den Eliten leicht genutzt werden, um die kollektive Masse der Menschen in ihrem Sinne zu konditionieren", sagten Sie in Ihrem Vortrag. Wie ist das im Einklang mit den internationalen Menschenrechten zu sehen?
Menschenrechte werden heutzutage gerne bemüht, um alles Mögliche damit zu legitimieren. Menschenrechte werden benutzt, um bestimmte ethnische Gruppen gegenüber anderen zu bevorteilen, Unterdrückungsmechanismen zu demaskieren, den Aufstand unterdrückter Gruppen gegen andere zu legitimieren. Man spricht in Brüssel, in EU-Gremien davon, dass man das Menschenrecht auf Abtreibung legitimieren möchte.
Menschenrechte verlieren ihren Sinn, den sie in einem christlichen, humanistischen Rahmen besitzen könnten, wenn man sie abkoppelt von der Personalität und der Geistigkeit des Menschen. Ich finde, Menschenrechte sollten immer auch abgestützt sein durch Menschenwürde, Personwürde. Man muss zuerst den Menschen als Person sehen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und seinem Aufenthaltsort. Innerhalb des Mutterleibes, außerhalb des Mutterleibes. Man muss jeden, jedes menschliche Wesen als Person achten und ihm diese unbedingte Achtung zukommen lassen. Erst auf dieser Grundlage haben auch Menschenrechte ihren Sinn.
In dem Sinne, wie Sie die Frage stellten, glaube ich, dass es nicht im allgemeinen Diskurs als Widerspruch empfunden wird, wenn der Mensch manipuliert wird und wenn man Menschenrechte geltend macht, so wie sie heutzutage verstanden werden. Auf der Ebene der der Europäischen Union zum Beispiel.
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Aus katholischer Sicht ist die Verschmelzung von Mensch und Maschine eine durch unseren freien Willen begangene Versündigung gegen Gott und seine Schöpfung?
Man kann den Menschen nicht zur Maschine machen. Das widerspricht auch der Schöpfung gemäß seines Seins. Der Mensch ist vom Schöpfer ins Dasein gerufen worden mit seiner Körperlichkeit, mit seiner Leiblichkeit. Diese Leiblichkeit darf nicht durch Maschinen in permanenter Weise überformt werden.
In Ihrem Vortrag sagten Sie, dass der technologische Fortschritt militärisch gesehen von großem Nutzen sein kann. Killer-Roboter, zum Beispiel. Stellt deren Einsatz eine totale Freisprechung von irgendeiner menschlichen Verantwortung dar?
Der Mensch ist immer verantwortlich für die technischen Produkte, die er entwickelt hat und einsetzt. Der Mensch kann nicht von seiner Verantwortung freigesprochen werden, wenn zum Beispiel Drohnen computergesteuert aufsteigen und bestimmte Subjekte ausschalten oder ganze Volksgruppen bedrohen.
Es ist immer der Mensch mit seiner Verantwortung und seinem freien Willen, der solche Handlungen setzt und der letztlich die Technik steuert, die diese Dinge ausführt.
"Jedes Produkt, das eine Bedienungsanleitung braucht, um zu funktionieren, ist kaputt", sagt der Technologie-Unternehmer Elon Musk. Ist es jedoch nicht gerade die Bedienungsanleitung, für uns Christen also die Bibel, das Wort unseres Schöpfers, die den Schöpfer eines Produktes über sein Produkt bestimmen lässt?
Ich denke, technische Artefakte haben eine Bedienungsanleitung. Nur primitive Apparate brauchen keine. Ich benötige eine Bedienungsanleitung, wenn ich mir ein neues Gerät kaufe, um zu wissen, wie es funktioniert. Der Mensch ist aber nicht in der Lage, neue Wesen als Selbstsein zu schaffen, so dass ihnen auch Leben und Selbstbewegung zukommen.
Gott ist gleichzeitig nicht sozusagen ein Ingenieur unserer menschlichen Natur, der einer Bedienungsanleitung zu folgen hätte oder der dieses menschliche Wesen im Nachhinein mit dem Schraubenzieher manipuliert, so wie der Mensch als Schöpfer von Artefakten dies tut. Der Mensch ist vor allem als Geschöpf in sein Eigensein und Selbstsein von Gott hinein gesetzt. Und der Mensch als Macher von technischen Dingen vermag nicht solches hervorzubringen, nämlich lebendige Wesen, die über ein solches Selbstsein verfügen.
Die Entwicklung des Transhumanismus: Ist dies nicht Letzen Endes ein Aufstand, eine Rebellion gegen Gott im Stil des Luzifer?
Der Mensch eignet sich bestimmte schöpferische Fähigkeiten zu, die er hier zum Einsatz bringt, und lebt vielleicht von der Illusion, Gott spielen zu können, indem er Dinge kreiert, die Lebendiges simulieren. Es steht sicherlich dies dahinter, wie es auch in dem Titel des Buches von Yuval Harari zum Ausdruck kommt: "Homo Deus". Es sind sicherlich Fantasien, die nach der göttlichen Schöpfermächtigkeit ausgreifen.
EWTN hat alle Vorträge des Sommerkurses der Gustav-Siewerth-Akademie aufgezeichnet. Die neunteilige Vortragsreihe soll gegen Ende dieses Jahres ausgestrahlt werden.