11. September 2022
Im Jahr 1903 kam das Kardinalskollegium in Rom zusammen, um einen Nachfolger für Papst Leo XIII. zu wählen, der 25 Jahre lang regiert hatte. Es wurde allgemein angenommen, das Konklave würde Kardinal Mariano Rampolla wählen, der als einflussreicher Staatssekretär von Leo XIII. gedient hatte. Als sich abzeichnete, dass Rampolla kurz vor der Wahl stehen würde, griff der Erzbischof von Krakau ein.
Der österreichische Kaiser Franz Joseph hatte seinen Untertanen in Krakau angewiesen, sich gegen Rampolla auf das ius exclusivae zu berufen – ein Ausschlussrecht, auf das sich bestimmte katholische Monarchen berufen, um in einem Konklave ein Veto gegen einen einzelnen Kandidaten einzulegen. Das Kardinalskollegium gab der Forderung des Kaisers nicht sofort nach, aber nach mehreren Abstimmungsrunden ging nicht Rampolla, sondern Giuseppe Sarto als neuer Bischof von Rom aus dem Konklave hervor und gab sich den Namen Pius X.
Das Konklave von 1903 war nicht das erste Mal, dass ein katholischer Monarch in einem Konklave sein Veto gegen einen Kandidaten einlegte, aber es sollte das letzte Mal sein. Nur wenige Monate nach seiner Wahl setzte Pius X. dem ius exclusivae ein für alle Mal ein Ende.
Die Geschichte des Konklaves von 1903 ist nicht nur ein faszinierendes Stück katholischer Trivialgeschichte, sondern erinnert auch daran, dass katholische Laien in der Vergangenheit einen enormen Einfluss innerhalb der Kirche ausgeübt haben – wenn auch auf eine Art und Weise, die nicht immer theologisch sinnvoll war oder der Hierarchie gefiel.
Es gibt noch ein paar Überbleibsel der alten Ordnung. So hat der Präsident der Französischen Republik nach wie vor das Recht, die Bischöfe von Metz und Straßburg zu ernennen. Und das Abkommen des Vatikans mit China ist eine Art entfernter (und gefährlicher) Rückschritt, da es das Ernennungsrecht effektiv an Peking abtritt.
Das Zweite Vatikanische Konzil lehnte in seinem Dekret über den Episkopat, Christus Dominus, die Ausweitung solcher Rechte auf weltliche Behörden (ganz zu schweigen von atheistischen, kommunistischen Regierungen) eindeutig ab: Das Konzil wünschte, "daß in Zukunft staatlichen Obrigkeiten keine Rechte oder Privilegien mehr eingeräumt werden, Bischöfe zu wählen, zu ernennen, vorzuschlagen oder zu benennen".
Wenn das Zweite Vatikanische Konzil die allgemeine Berufung zur Heiligkeit und die wesentliche Mitverantwortung aller Getauften für die Mission der Kirche betonte, so schloss es auch einige der offensichtlicheren Möglichkeiten aus, in denen katholische Laien das Leben und die Leitung der Kirche beeinflussen.
Und bis zu einem gewissen Grad war, zumindest im Westen, ein Großteil der nachkonziliaren Ära durch den Versuch gekennzeichnet, die Macht der Laien zu behaupten: nicht in der Person katholischer Fürsten, sondern in einer demokratischeren Form.
Das jüngste und offensichtlichste Beispiel dafür ist der deutsche "Synodale Weg", der ausdrücklich "Macht" als eines der vier primären Diskussionsforen betrachtet. Die Synode zur Synodalität wird, je nachdem, wer darüber spricht, oft auch als Demokratisierung und Dezentralisierung der kirchlichen Macht dargestellt, obwohl Papst Franziskus ständig vor Versuchen warnt, Synodalität in solchen Kategorien zu verstehen.
In der Zwischenzeit grassiert die schädlichste und am weitesten verbreitete Form des Klerikalismus in der heutigen Kirche weiter – der unbändige Glaube, dass das Maß eines Laien seine Nähe zur klerikalen Macht ist. Es ist eine Idee, die hauptsächlich von Laien verbreitet wird.
Während viele Laien weiterhin um einen Platz am Tisch des Klerus buhlen und sich darum sorgen, wer während der Messe im Altarraum sitzen oder dieses oder jenes Dikasterium in der römischen Kurie leiten darf, geraten weite Teile des Weinbergs, die nur von Laien gepflegt werden können, in Unordnung.
Nehmen wir zum Beispiel das Familienleben. Das Konzil hat sehr schön über die wesentliche Rolle von Ehe und Familie bei der Verbreitung des Glaubens gesprochen.
Aus diesem Ehebund nämlich geht die Familie hervor, in der die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volke Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen. In solch einer Art Hauskirche sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein und die einem jeden eigene Berufung fördern, die geistliche aber mit besonderer Sorgfalt.
Doch in den Vereinigten Staaten ist in den Jahren seit dem Konzil die Zahl der katholischen Ehen zusammengebrochen.
Laut CARA wurden 1969 in den USA 426.309 katholische Ehen geschlossen, als es rund 50 Millionen Katholiken in den Vereinigten Staaten gab. Bis 2014 war die Zahl der Katholiken im Land auf etwa 70 Millionen angewachsen – aber die Zahl der katholischen Eheschließungen fiel zum ersten Mal unter 150.000. Im Jahr 2020 sank die Gesamtzahl der katholischen Eheschließungen in den Vereinigten Staaten – zweifellos aufgrund der Pandemie – auf 97.200.
Wenn es darum geht, katholische Ehen zu schließen – ein zentraler und unersetzlicher Teil der Laienberufung – versagen die katholischen Laien kläglich. Es überrascht nicht, dass die Zahlen zeigen, dass die katholischen Laien auch bei der Erziehung der nächsten Generation von Katholiken in ihrer Berufung versagen. Im Jahr 1969 gab es mehr als eine Million Kindertaufen; im Jahr 2014 war die Zahl auf unter 700.000 gesunken. Auch die Zahl der Erstkommunionen ist dramatisch gesunken.
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Dies ist nichts Neues; die Trends sind seit Jahrzehnten offensichtlich. In praktisch allen Fällen hat die Pandemie den Zusammenbruch rapide beschleunigt. Und wir haben noch gar nicht über die Evangelisierung der Kultur, der Wirtschaft oder der Politik gesprochen – allesamt in erster Linie Aufgabe der Laien.
Das Zweite Vatikanische Konzil sah eine Wiederbelebung der Laienberufung vor. Und so einfach es in den letzten Jahren war, diesen Bischof oder jenen Papst oder diesen oder jenen Priester für den Zustand der Dinge verantwortlich zu machen, so sehr müssen sich die katholischen Laien fragen, warum unser Teil des Weinbergs in solch eine Verwirrung geraten ist.
Der Autor, Stephen P. White, arbeitet für das Ethics and Public Policy Center in Washington, D.C.
Übersetzung des englischen Originals mit freundlicher Genehmigung von "The Catholic Thing".
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.
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