27. Januar 2018
Bevor ich meinen Sohn Max kennenlernte, hatte ich nie viel Zeit mit jemandem mit Down-Syndrom verbracht.
In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, lebte ein behinderter Mann. Er war groß, und einem Kind (mir zumindest) kam er gefährlich vor. Er scherte sich nicht um die Intimsphäre anderer Menschen. Er schien Leute anzüglich zu begaffen, besonders Frauen. Ich habe ihn wahrscheinlich missverstanden, aber er machte mir Angst. In Ermangelung anderer Erfahrungen hinterließ diese Angst Spuren.
Bevor ich meinen Sohn Max kennenlernte, hatte ich Angst davor, mit Behinderten zu sprechen.
Zwei meiner Kinder haben Down-Syndrom. Ich wundere mich oft, dass ihre Mitschüler offenbar keine Angst vor ihnen haben. Max und Pia sind nicht so wie andere Kinder. Sie brabbeln manchmal. Sie spielen anders und lernen anders. Sie unterbrechen den Unterricht, singen falsch und laut – und manchmal rennen sie einfach aus dem Klassenzimmer.
Aber ihre Schulkameraden scheinen keine Angst zu haben. Meine Kinder werden jeden Morgen in der Schule mit Umarmungen und High-Fives begrüßt. Auf dem Schulflur begrüßen ältere Schüler sie, nennen sie bewußt beim Namen. Ein Klassenkamerad ist immer darauf erpicht, neben Max zu sitzen. Ihre Mitschüler haben meine Kinder kennen- und, im Kennenlernen, auch lieben gelernt.
Ehrlich gesagt fällt es mir immer noch schwer, mich mit geistig behinderten Erwachsenen zu unterhalten, die ich nicht gut kenne. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ihre Welt ist anders - sie sind anders - und ihre Andersheit weckt in vielen Menschen unter uns eine Art von Angst.
Diese Angst hat zu einer hohen Diskriminierungsrate gegen Menschen mit geistiger Behinderung geführt. Diese führt zu ihrer Isolation und Institutionalisierung. Sie führt zu Einsamkeit. Und für viele Kinder mit Down-Syndrom heute bedeutet sie eine Abtreibung vor der Geburt.
Abtreibungsaktivisten verstecken ihre Angst oft hinter der Sprache des Mitgefühls. Sie sagen, dass niemand mit den Herausforderungen des Down-Syndroms leben sollte. Dass es unfair sei, oder sogar ungesund, wenn die Eltern sich der Belastung stellen müssen, sich um ein behindertes Kind zu kümmern. Dass den Behinderten ihr kurzes, schwieriges und schmerzhaftes Leben erspart bleiben sollte. Aber zu einem großen Teil ist es die Angst davor, mit Menschen zu leben, die sich sehr von uns unterscheiden, die zu der erschreckend hohen Abtreibungsrate von Kindern mit Down-Syndrom führt.
Ich verstehe die Angst vor dem Anderssein. Aber ich weiß auch aus der Erfahrung meiner eigenen Familie, dass Vertrautheit diese Angst überwinden wird, ebenso wie Freundschaft und schließlich Liebe. Menschen dabei zu helfen, ihre Ängste zu überwinden ist die beste Vorgehensweise gegen die Tendenz, Kinder mit Down-Syndrom abzutreiben.
Deshalb ist es so entmutigend, dass sich die irische Down-Syndrom-Organisation gegen die Verwendung von Bildern von Kindern mit Down-Syndrom in Werbe-Kampagnen gegen die Liberalisierung der irischen Abtreibungsgesetze ausgesprochen hat. Die Organisation bezeichnet solche Bilder als "Ausnutzung", wenn die Gesichter von Menschen gezeigt werden, die in weiten Teilen der entwickelten Welt Opfer einer eugenischen Ausrottung sind. Diese Werbe-Kampagne nützt nicht aus. Sie ist ein Hilfeschrei.
Pro-Life-Aktivisten sollten nicht beschönigen, wie Menschen mit Down-Syndrom wirklich leben. Es wäre falsch so zu tun, als ob sie keine Probleme haben, oder als ob geistig behinderte Menschen einfach ein gewöhnliches Leben führen können. Aber es ist nicht falsch, deren lächelnde Gesichter zu zeigen. Das ist nicht, wie einige irische Abtreibungsbefürworter sagen, "emotionale Erpressung".
Kampagnen, die die Gesichter von Menschen mit Down-Syndrom zeigen, zielen darauf ab, die Angst zu überwinden, die zu Ausgrenzung, Marginalisierung und in vielen Fällen zum Tod führt. Eine Interessengruppe, die das nicht realisiert, hat ihren Weg verloren oder vergessen, um was es bei der Interessenvertretung geht.
Nach eigenen Angaben ist die Mission von "Down Syndrome Ireland", "Respekt und Akzeptanz von Menschen mit Down-Syndrom als geschätzte Mitglieder der irischen Gesellschaft zu fördern." Aber Menschen mit Down-Syndrom werden nicht respektiert oder akzeptiert, bis man sie kennt, und sie liebt. Wenn man ihre Gesichter versteckt, und man zulässt, dass
die Angst umgeht, wird es auch leichter sein, sie zu töten.
J. D. Flynn ist Chefredakteur der Catholic News Agency, der englischsprachigen Ausgabe von CNA Deutsch.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von First Things, wo dieser Artikel im englischen Original erschienen ist. Übersetzt von AC Wimmer.
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Hinweis: Kommentare spiegeln die Ansicht des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.