8. April 2023
In der „Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung“ wird auch das Spannungsfeld von Moral und Gesetzgebung diskutiert. Kardinal Ratzinger legt für die Glaubenskongregation 1986 dar: „Das unverletzbare Recht auf Leben jedes unschuldigen menschlichen Individuums, die Rechte der Familie und der Institution Ehe stellen grundlegende moralische Werte dar, weil sie den wesensgemäßen Zustand und die ganzheitliche Berufung der menschlichen Person betreffen; gleichzeitig sind sie konstitutive Elemente der staatlichen Gesellschaft und ihrer Ordnung. Aus diesem Grund erfordern die neuen auf dem Gebiet der Biomedizin eröffneten technologischen Möglichkeiten das Eingreifen der politischen Autoritäten und des Gesetzgebers, weil ein unkontrollierter Rückgriff auf solche Techniken zu unvorhersehbaren und schädlichen Folgen für die staatliche Gesellschaft führen könnte. Der Verweis auf das Gewissen jedes einzelnen und auf die Selbstbeschränkung der Forscher kann nicht ausreichen, um die personalen Rechte und die öffentliche Ordnung zu wahren.“
Das Lehramt der Kirche warnt vor „biologischen Entdeckungen“, die zu „Diskriminierungen zwischen den Menschen“ führen könnten: „In keinem Lebensbereich darf das staatliche Gesetz an die Stelle des Gewissens treten noch Normen über Angelegenheiten vorschreiben, die über seine Zuständigkeiten hinausgehen; es muß bisweilen in Hinblick auf die öffentliche Ordnung Dinge zulassen, die es nicht verbieten kann, ohne dass daraus ein noch größerer Schaden erwüchse. Die unveräußerlichen Rechte der Person aber müssen von der zivilen Gesellschaft und von der politischen Autorität anerkannt und geachtet werden: Diese Rechte des Menschen hängen weder von den einzelnen Individuen noch von den Eltern ab und stellen auch nicht ein Zugeständnis der Gesellschaft und des Staates dar. Sie gehören zur menschlichen Natur und wurzeln in der Person kraft des Schöpfungsaktes, aus dem sie ihren Ursprung genommen hat.“
Zu diesen Rechten zählen „das Recht auf Leben und auf leibliche Unversehrtheit jedes menschlichen Wesens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod“ und, was gerade heute entschieden betont werden muss, die „Rechte der Familie und der Ehe als Institution und – in diesem Zusammenhang – das Recht des Kindes, von seinen Eltern empfangen, auf die Welt gebracht und erzogen zu werden“. Sowohl staatliche Gesetze zur Abtreibung werden angesprochen als auch die gebilligten und geduldeten Experimente an Embryonen: „Als Folge der Achtung und des Schutzes, die man dem Ungeborenen vom Augenblick seiner Empfängnis an zusichern muß, muß das Gesetz die geeigneten Strafmaßnahmen für jede gewollte Verletzung seiner Rechte vorsehen. Das Gesetz darf nicht dulden – im Gegenteil, es muß ausdrücklich verbieten –, daß menschliche Wesen, und seien sie auch im embryonalen Stadium, als Versuchsobjekte behandelt, verstümmelt oder zerstört werden mit dem Vorwand, sie seien überflüssig oder unfähig, sich normal zu entwickeln. Die politische Autorität ist gehalten, der Institution der Familie, auf der die Gesellschaft gründet, den rechtlichen Schutz zu garantieren, auf den sie ein Anrecht hat. Gerade durch die Tatsache, daß sie im Dienst an den Personen steht, muß die politische Autorität auch im Dienst der Familie stehen.“
Bekräftigt wird das Naturrecht: „Alle Menschen guten Willens müssen sich einsetzen, besonders in ihrem Berufsbereich und in der Ausübung ihrer Bürgerrechte, damit die moralisch unannehmbaren staatlichen Gesetze und die unerlaubten praktischen Verhaltensweisen geändert werden. Zudem muß die ‚Verweigerung aus Gewissensgründen‘ gegenüber derartigen Gesetzen angeregt und anerkannt werden. Ja, mehr noch, im moralischen Bewußtsein vieler, besonders unter den Spezialisten biomedizinischer Wissenschaften, beginnt mit Schärfe die Forderung nach passivem Widerstand gegen die Legitimierung von Praktiken aufzuflammen, die in Widerspruch zu Leben und Würde des Menschen stehen.“ Die Eingriffe in die menschliche Fortpflanzung sind scharf zu missbilligen, der Mensch sei zu achten, von der Empfängnis an, „in bezug auf die Würde der menschlichen Person, ihrer Geschlechtlichkeit und der Weitergabe des Lebens“.
Die „gültige Anthropologie der Geschlechtlichkeit und der Ehe“ müsse von Theologen und Lehrern der Moral verstärkt vorgetragen werden: „So wird man die Gründe und die Gültigkeit dieser Lehre immer besser verstehen: Indem die Kirche Gottes den Menschen gegen die Auswüchse seiner eigenen Macht verteidigt, erinnert sie ihn an seinen wahren Adel; nur auf diese Weise wird man der Menschheit von morgen die Möglichkeit sichern können, in der Würde und Freiheit zu leben, die sich aus der Achtung vor der Wahrheit herleiten.“
Es gelte heute – und gerade heute – die „unverzichtbare Treue zur Lehre der Kirche zu bewahren: „Im Licht der Wahrheit über das Geschenk des menschlichen Lebens und der Moralprinzipien, die daraus folgen, ist jedermann eingeladen, in seinem eigenen Verantwortungsbereich wie der barmherzige Samariter zu handeln und auch das kleinste unter den Menschenkindern als seinen Nächsten zu erkennen (vgl. Lk 10, 29-37).“
So müssen wir heute gerade in der Kirchenprovinz Deutschland – insbesondere anhand der konfusen Fantasien und Theorien, die auf dem deutschen Synodalen Weg aufgebracht wurden und Zustimmung fanden – die Notwendigkeit einer katechetischen Unterweisung gemäß der verbindlich gültigen Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte neu erkennen. Die „Achtung vor der Wahrheit“, also vor Gott, ist dringend geboten.
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