5. August 2023
In der Enzyklika „Evangelium vitae“ erinnert Johannes Paul II. nicht nur daran, dass wir uns stets neu der Schönheit und des Wertes des Lebens bewusst werden, sondern auch an die vielen Dienste der Liebe, die Menschen, die pflegerisch tätig sind, für ihre Angehörigen und Freunde erbringen.
Der diakonische Dienst ist von elementarer Bedeutung und ein Ausdruck des lebendigen Glaubens an Gott. Das „sterbliche Leben“ wird als wunderbares Geschenk beschrieben: „In jedem Kind, das geboren wird, und in jedem Menschen, der lebt oder der stirbt, erkennen wir das Abbild der Herrlichkeit Gottes: diese Herrlichkeit feiern wir in jedem Menschen, der Zeichen des lebendigen Gottes, Ikone Jesu Christi ist.“
Johannes Paul II. spricht wertschätzend die Verbundenheit an und die Traditionen und Bräuche, „mit denen in den verschiedenen Ländern und Kulturen die Freude über ein neugeborenes Leben, die Achtung und die Verteidigung jedes menschlichen Lebens, die Sorge für den Kranken oder Notleidenden, die Nähe zum Alten oder Sterbenden, die Teilnahme am Schmerz des Trauernden, die Hoffnung und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit zum Ausdruck gebracht werden“.
Wichtig sei es, heute neu „in den Gewissen, in den Familien, in der Kirche und in der zivilen Gesellschaft das Erkennen des Sinnes und Wertes zu wecken, den das menschliche Leben zu jedem Zeitpunkt und unter jeder Bedingung hat; in das Zentrum der Aufmerksamkeit soll dabei besonders das schwerwiegende Problem von Abtreibung und Euthanasie gerückt werden, ohne jedoch die anderen Augenblicke und Aspekte des Lebens zu übergehen, die je nachdem, was die geschichtliche Entwicklung nahelegt, jeweils aufmerksame Beachtung verdienen“.
Die „Liebe zu den anderen“ wird oft in der „Selbsthingabe“ im Alltag vollzogen: „Auf diese Weise wird unsere ganze Existenz zur glaubwürdigen und verantwortungsbewußten Aufnahme des Geschenkes des Lebens und zu einem aufrichtigen, dankbaren Lobpreis an Gott, der uns dieses Geschenk gemacht hat. Das geschieht bereits in vielen, vielen Akten eines oft schlichten und verborgenen Sichverschenkens, die von Männern und Frauen, Kindern und Erwachsenen, Jungen und Alten, Gesunden und Kranken vollbracht werden.“ Menschen, die sich auf diese Weise und auch durch „heroische Taten“ hingeben, bezeichnet als „leuchtende Offenbarung des höchsten Grades von Liebe“.
Wenn ein Mensch sein Leben für den geliebten Menschen hingibt, ist dies „Teilhabe am Geheimnis des Kreuzes, an dem Jesus offenbar macht, welchen Wert für Ihn das Leben jedes Menschen hat und wie es sich in der aufrichtigen Selbsthingabe voll verwirklicht“.
Zugleich gebe es viele Beispiele im Alltag, die eine „echte Kultur des Lebens“ fördern. Johannes Paul II. benennt an erster Stelle das stille Zeugnis der Mütter, die sich ganz ihrer Familie widmen. Insbesondere den Müttern, deren Dienst in der Gegenwart oft nicht geschätzt und bisweilen verhöhnt wird, drückt der Papst seine tiefe Dankbarkeit aus.
Die Nächstenliebe ist ein wichtiger Dienst gegen die „Kultur des Todes“ und ein Zeichen für die neue Zivilisation der Liebe – „wir müssen uns des anderen als Person annehmen, die von Gott unserer Verantwortung anvertraut worden ist“: „Als Jünger Jesu sind wir berufen, uns zum Nächsten jedes Menschen zu machen (vgl. Lk 10, 29-37) und dabei dem Ärmsten, Einsamsten und Bedürftigsten besonderen Vorzug zu gewähren. Dadurch, daß wir dem Hungernden, dem Dürstenden, dem Fremden, dem Nackten, dem Kranken, dem Gefangenen — wie auch dem ungeborenen Kind, dem alten Menschen in seinem Leiden oder unmittelbar vor seinem Tod — helfen, dürfen wir Jesus dienen, wie Er selber gesagt hat: ‚Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan‘ (Mt 25, 40).“ Das menschliche Leben sei „in jeder Phase und in jeder Situation heilig und unverletzlich“.
Johannes Paul II. würdigt insbesondere die Liebe zu den alten Menschen: „Wenn sich dann das irdische Dasein seinem Ende zuneigt, ist es wiederum die Liebe, die die geeignetsten Bedingungen ausfindig macht, damit alte Menschen, besonders wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, und die sogenannten Kranken im Endstadium sich einer wirklich menschlichen Fürsorge erfreuen und Antworten erhalten können, die ihren Bedürfnissen, insbesondere ihrer Angst und Einsamkeit angemessen sind.“
Er denkt besonders an alle im Gesundheitswesen tätigen Personen und ruft in Erinnerung, dass sie zu „Hütern und Dienern des menschlichen Lebens“ bestellt sind. Sie sind gefordert, dem Ungeist der Zeit zu widerstehen: „In dem heutigen kulturellen und sozialen Umfeld, in dem die Wissenschaft und die ärztliche Kunst Gefahr laufen, die ihnen eigene ethische Dimension zu verlieren, können sie bisweilen stark versucht sein, zu Urhebern der Manipulation des Lebens oder gar zu Todesvollstreckern zu werden. … Die absolute Achtung jedes unschuldigen Menschenlebens erfordert auch die Ausübung des Einspruchs aus Gewissensgründen gegen vorsätzliche Abtreibung und Euthanasie. ‚Sterben lassen‘ darf niemals als eine medizinische Behandlung angesehen werden, auch dann nicht, wenn man nur die Absicht hätte, damit einer Bitte des Patienten nachzukommen: es ist vielmehr die Verneinung des ärztlichen Berufes, der sich als leidenschaftliches und hartnäckiges ‚Ja‘ zum Leben qualifiziert.“
Erneut spricht Johannes Paul II. auch die Gesetzgebungen an: „Ich wiederhole noch einmal, daß eine Vorschrift, die das natürliche Recht auf Leben eines Unschuldigen verletzt, unrecht ist und als solche keinen Gesetzeswert haben kann. Deshalb erneuere ich mit Nachdruck meinen Appell an alle Politiker, keine Gesetze zu erlassen, die durch Mißachtung der Würde der Person das bürgerliche Zusammenleben selber an der Wurzel bedrohen.
Die Kirche weiß, daß es im Rahmen pluralistischer Demokratien wegen des Vorhandenseins starker kultureller Strömungen mit verschiedenem Ansatz schwierig ist, einen wirksamen gesetzlichen Schutz des Lebens in die Tat umzusetzen. Doch veranlaßt von der Gewißheit, daß die sittliche Wahrheit im Inneren jedes Gewissens ein Echo haben muß, ermutigt sie die Politiker, angefangen bei jenen, die Christen sind, nicht zu resignieren und jene Entscheidungen zu treffen, die unter Berücksichtigung der konkreten Möglichkeiten zur Wiederherstellung einer gerechten Ordnung bei der Geltendmachung und Förderung des Wertes des Lebens führen sollen.“
Damit verbunden appelliert er an die Sozial- und Familienpolitik, die zu den Bedingungen der „Angriffe gegen das Leben“ gehört. Es gelte, den Familien und vor allem den Müttern die „gebührende Unterstützung“ zuzusichern: „die Familienpolitik muß Grundlage und Motor jeder Sozialpolitik sein.“
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