23. September 2023
Am 22. Februar 2001 schrieb Johannes Paul II. einen dankbaren und zugleich sehr ernsten Brief an die deutschen Kardinäle. Den Anlass hierfür bot ein Konsistorium, in dem unter anderem Johannes Joachim Degenhardt, Karl Lehmann, Leo Scheffczyk und Walter Kasper zu Kardinälen berufen worden waren.
Der Papst erinnert zugleich an die schwierigen Zeiten, in denen sich die Kirche befindet. Er lobt die „solide organisatorische Struktur“ der Kirche in Deutschland und gibt zu bedenken: „Zugleich ist nicht zu übersehen, daß sich immer mehr Menschen vom aktiven Glaubensleben zurückziehen oder nur noch Teile des Evangeliums und der kirchlichen Lehre annehmen. Der fortschreitende Prozeß der Säkularisierung und der damit verbundene Glaubensschwund droht die Kirche von innen her auszuhöhlen, so daß sie zwar nach außen hin stark erscheint, aber innerlich kraftloser wird und auch an Glaubwürdigkeit verliert.“ Diese Erosion des Glaubens hat sich in letzter Zeit – insbesondere durch den deutschen Synodalen Weg – noch verschärft. Der Glaubensschwund inmitten der Kirche ist unübersehbar geworden.
Johannes Paul II. appelliert eindringlich, dass der „katholische Glaube in seiner Fülle und Schönheit mit neuem Elan verkündet“ werden solle. Er mahnt, dass die Lehre der Kirche beachtet und eingehalten werden müsse: „Jene, die im Namen der Kirche den Dienst der Lehre und der Leitung ausüben, müssen fest im Glauben der Kirche verankert sein, um nicht dem Zeitgeist oder der Resignation zu verfallen. ‚Das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube‘ (1 Joh 5,4). Die Lehre in den Theologischen Fakultäten ist nicht dem freien Belieben anheimgegeben, sondern muß vom Grundgesetz der ‚fides quaerens intellectum‘ bestimmt sein, vom Glauben kommen und zum Glauben führen. Die Katechese muß auf allen Stufen zum Glauben mit der Kirche verhelfen.“ Verwendet werden solle insbesondere auch der Katechismus. Die Bischöfe sollten „auch und gerade in schwierigen Fragen“ die „Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und die Einbindung in die Weltkirche“ bewahren. Jeglicher nationale Eigensinn ist also abzulehnen, natürlich auch in der Morallehre.
Johannes Paul II. schreibt: „Große Sorgen bereiten mir verschiedene Entwicklungen im Bereich von Ehe und Familie. Auch in Ihrem Land wird das Verständnis der Ehe als Lebens- und Liebesbund zwischen Mann und Frau, der auf das Wohl der Ehegatten sowie auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet ist, von vielen Menschen und auch vom Gesetzgeber in Frage gestellt. Der daraus resultierende Verfall an menschlichen und christlichen Werten ist unabsehbar. Die Treue zu Christus verpflichtet uns, die Gläubigen auf die tragischen Folgen dieser Entwicklungen hinzuweisen und ihnen einen anderen Weg zu zeigen. Daher bitte ich Sie, zusammen mit den Bischöfen klare Orientierungen zu geben, damit viele Gläubige dem Plan des Schöpfers über Ehe und Familie entsprechen, die Kinder und Jugendlichen im Glauben erziehen und sich getreu an die moralischen Prinzipien halten, wie sie in der Enzyklika Humanae vitae, im Nachsynodalen Mahnschreiben Familiaris consortio und im Schreiben der Glaubenskongregation über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen dargelegt sind.“
Der Papst hebt also die lebens- und menschenfreundliche Lehre der Kirche deutlich hervor – und wünscht sich nachdrücklich, dass diese Schriften angenommen und deren Impulse beherzigt werden. Diese „klaren Orientierungen“ bilden auch heute den Fundus, aus dem wir schöpfen könnten und sollten. Dankbar sind und bleiben für päpstliche Mahnungen wie diese einfach gläubige Katholiken auch heute. Die Morallehre der Kirche wird heute massiv angegriffen – und diese Angriffe kommen auch aus der Kirche selbst. Wir müssen das als gläubige Katholiken nicht verstehen, und Johannes Paul II. bestärkt auch uns heute, nicht dem gesellschaftlichen Mainstream zu huldigen, sondern dem Evangelium Jesu Christi zu folgen. Er schreibt deutlich: „Die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft hängt wesentlich von der Zukunft der Familie ab.“ Die Moral ist mitnichten eine Privatsache, sie fußt auf der Botschaft Christi.
Johannes Paul II. wirbt für die „Zukunft der Familie“ – und die Morallehre der Kirche ist für das geistige und geistliche Wachstum und für die sittliche Reife der Familie unverzichtbar. Diese päpstliche Mahnung war 2001 notwendig, sie ist es heute nicht um nichts weniger. Die Treue zu Christus kann von der Treue zur kirchlichen Morallehre nicht gelöst werden.
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