12. Juli 2023
Ermordete Priester, Überfälle auf Dörfer und Massenentführungen: Die Gewalt gegen Christen in Nigeria nimmt immer heftigere Züge an. In der westlichen Welt jedoch nimmt man davon kaum Notiz – und das, obwohl die Folgen nicht nur für Afrika, sondern auch für Europa dramatisch sein könnten. Der Leiter der „Genozidprävention Subsahara bei der Organisation Christian Solidarity International (CSI)“, Franklyne Ogbunwezeh, beschreibt die gefährliche und tödliche Lage, in die Christen durch die Angriffe islamistischer Täter geraten sind, und fordert den Westen auf, sich zu engagieren, um dieser Gewalt ein Ende zu bereiten.
Lange Zeit lebten Christen und Moslems in Nigeria friedlich zusammen. Erst seit der Jahrtausendwende entstand eine Bewegung zur Islamisierung des Landes. In deren Folge haben sich 12 nördliche Bundesstaaten entschieden, die islamische Scharia einzuführen – übrigens entgegen der Verfassung Nigerias. Ab 2009 begann dann die Terrororganisation Boko Haram Menschen aus dem Norden des Landes zu vertreiben und startete Angriffe auf die christlichen Staatsbürger. Bis heute sollen ihnen rund 35.000 Menschen zum Opfer gefallen sein, etwa zwei Millionen mussten ihre Heimat verlassen. Mittlerweile hat Boko Haram an Bedeutung verloren. Die islamistischen Übergriffe sind dadurch aber nicht verschwunden. Ganz im Gegenteil! Seit einigen Jahren kommt es zu immer mehr Übergriffen, die auch jedes Mal brutaler werden. Mittlerweile sind selbst die mehrheitlich christlichen und bislang friedlichen Bundesstaaten Zentralnigerias betroffen. Getragen werden diese Angriffe im Wesentlichen von der jüngeren Terrororganisation Islamischer Staat in Westafrika (ISWAP) und den islamischen Fulani-Hirten. Wöchentlich liest man in den Zeitungen von Überfällen auf Dörfer und Kirchgänger sowie von Entführungen. So wurde beispielsweise erst am 17 Juni 2023 ein Pfarrer der Gemeinde St. Paul in Bomo von Bewaffneten aus seinem Haus entführt.
Dabei geht es bei den Übergriffen nicht, wie teils behauptet wird, nur um die fruchtbaren Böden der zentralnigerianischen Bundesstaaten, sondern auch um ein Programm der Zwangsislamisierung und um Genozid. Warum sonst sollten Islamisten christliche Priester und Ordensschwestern entführen, quälen und sogar töten? Die dahintersteckende Tatsache ist: Der mittlere Gürtel Nigerias war immer das Bollwerk des Christentums; fällt es, fällt auch der Rest des Landes. Daher zielen die Islamisten bewusst auf diese Region ab. Für Afrika und selbst für Europa könnte das fatale Konsequenzen haben. Als bevölkerungsreichstes Land und starke Volkswirtschaft hat es eine Signalwirkung auf dem afrikanischen Kontinent. Gleichzeitig verlassen immer mehr junge, mobile Menschen das Land. Etwa 5 Prozent der afrikanischen Flüchtlinge in Europa stammen aus Nigeria – Tendenz mit zunehmendem Terror steigend. Zumal im Norden des Landes aufgrund der Terrorherrschaft mittlerweile eine Hungersnot ausgebrochen ist: Laut UNO sind dort etwa sechs Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Die letzte Regierung von Muhammadu Buhari war nicht in der Lage, die Ermordung von Christen im mittleren Gürtel durch die Fulani zu stoppen. Das dürfte diese ermutigt haben, ihre systematischen Mordkampagnen im mittleren Gürtel fortzusetzen. Die Häufigkeit und das Muster dieser Verbrechen veranlasste die Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI), im Januar 2020 eine Genozid-Warnung herauszugeben und den damaligen Präsidenten aufzufordern, „alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die nigerianischen Bürger vor der völkermörderischen Gewalt zu schützen“.
Doch statt abzuflauen, gibt es immer mehr Morde an Christen. Aktuell gibt es in Nigeria ca. 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge. Von Seiten der westlichen Länder kommt wenig Hilfe. Beobachter des Konfliktes denken mittlerweile laut über eine Teilung des 230-Millionen-Einwohner-Staates in einen friedlichen, christlichen Süden und einen islamischen Norden nach. Zwar arbeitet beispielsweise die deutsche Bundesregierung in Energiefragen mit Nigeria zusammen, tatsächlich wäre es aber notwendig, die nigerianische Führung unter Druck zu setzen, dass sie die Gewalt der Fulani-Hirten wirksam bekämpfen soll. Gelingt dies nicht, könnten die Millionen Binnenflüchtlingen bald den Weg nach Europa suchen.
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