6. Januar 2024
Zur christlichen Liebe gehören Zeit, Geduld, Mitgefühl und ein demütiges Warten-Können. Papst Franziskus hebt in „Amoris laetitia“ auch die Wichtigkeit der Kommunikation hervor: „Sich Zeit lassen, wertvolle Zeit, die darin besteht, geduldig und aufmerksam zuzuhören, bis der andere alles gesagt hat, was er nötig hatte. Das erfordert die Askese, nicht mit dem Reden zu beginnen, bevor der passende Moment gekommen ist. Anstatt anzufangen, Meinungen zu äußern und Ratschläge zu erteilen, muss man sich vergewissern, ob man alles gehört hat, was der andere zu sagen hat. … Oftmals braucht einer der Ehegatten nicht eine Lösung seiner Probleme, sondern nur, angehört zu werden. Er muss spüren, dass man sein Leid, seine Enttäuschung, seine Angst, seinen Zorn, seine Hoffnung, seinen Traum erfasst hat.“
Es gilt also, in der Ehe einander Raum und Gehör zu schenken, die Person in ihrer Eigenheit und Besonderheit zu würdigen und die „Wahrheit des anderen zu erkennen“: „Wichtig ist die Fähigkeit, die eigenen Empfindungen auszudrücken, ohne zu beleidigen; eine Sprache zu gebrauchen und eine Art zu sprechen, die vom anderen leichter akzeptiert oder toleriert werden kann, auch wenn der Inhalt anspruchsvoll ist; die eigene Kritik vorzubringen, ohne jedoch den Zorn abzureagieren als eine Form der Rache, und eine moralisierende Sprache zu vermeiden, die nur anzugreifen, zu ironisieren, zu beschuldigen und zu verletzen sucht. Viele Diskussionen unter den Ehepartnern drehen sich nicht um sehr schwerwiegende Fragen. Manchmal handelt es sich um kleine Dinge von geringer Bedeutung. Was aber die Gemüter erhitzt, ist die Art, wie sie zur Sprache gebracht werden, oder die Haltung, die im Dialog eingenommen wird.“ Daraus lässt sich ersehen, dass Debatten zwar leidenschaftlich geführt werden können, aber nicht immer die Liebe mehren und vertiefen. Der Papst rät hier zu Behutsamkeit und Nachsicht.
Schließlich wendet er sich der „Welt der Emotionen“ zu und spricht über die leidenschaftliche Liebe. Jesus Christus habe ein „reiches Gefühlsleben“ besessen, besonders verfügte er über eine hohe Sensibilität für das Los der anderen. Wie nun sind die menschlichen Leidenschaften zu beurteilen oder zu ordnen? Der Papst schreibt: „Wenn man beginnt, Begehren oder Abneigung zu empfinden, ist das weder sündhaft, noch tadelnswert. Gut oder schlecht ist die Handlung, die jemand durch eine Leidenschaft motiviert oder von ihr begleitet vollzieht. Wenn aber die Gefühle gefördert und gesucht werden und wir aufgrund ihrer schlechte Handlungen begehen, dann liegt das Schlechte in der Entscheidung, sie zu nähren, und in schlechten Handlungen, denen man nachgeht. Auf der gleichen Linie liegt, dass die Tatsache, an jemandem Gefallen zu finden, nicht von sich aus etwas Gutes ist. Wenn ich mit diesem Gefallen danach strebe, dass diese Person zu meiner Sklavin wird, steht mein Gefühl im Dienst meines Egoismus. Zu glauben, dass wir gut sind, nur weil wir ‚Gefühle haben‘, ist eine gewaltige Täuschung. Es gibt Menschen, die sich zu großer Liebe fähig fühlen, nur weil sie ein starkes Bedürfnis nach Zuneigung haben, aber sie verstehen nicht, für das Glück der anderen zu kämpfen, sondern leben in ihre eigenen Wünsche eingeschlossen.“
Der Egoismus erweist sich stets als Gift für menschliche Beziehungen und beeinträchtigt erheblich das Leben in der Familie. Darum weist Papst Franziskus auf den besonderen Wert der Sensibilität füreinander hin: „Eine Familie gelangt zur Reife, wenn das Gefühlsleben ihrer Mitglieder sich in eine Sensibilität verwandelt, welche die großen Grundentscheidungen und Werte weder beherrscht, noch verdunkelt, sondern zum Wohl aller der Freiheit der Einzelnen folgt, aus ihr entspringt, sie bereichert und sie schöner und harmonischer werden lässt.“
Das Gefühlsleben ebenso wie die Triebe müssten geordnet werden: „Die Übertreibung, der Mangel an Kontrolle und die Versessenheit auf eine einzige Art von Genuss schwächen schließlich den Genuss selbst, machen ihn krank und schädigen das Leben der Familie.“ Deswegen müsse nicht auf genussvolle Momente verzichtet werden, aber sie sollten „gleichsam eingeflochten“ sein „in andere Momente großherziger Hingabe, geduldigen Erwartens, unvermeidlicher Ermüdung und des Mühens um ein Ideal“: „Das Leben in der Familie beinhaltet all das und verdient, ganz gelebt zu werden.“
Sodann bezieht sich Papst Franziskus auf die erotische Dimension der Liebe und nennt die Geschlechtlichkeit ein „wunderbares Geschenk für seine Geschöpfe“, ein Geschenk, das zu kultivieren sei. Er nimmt reichlich Bezug auf Papst Johannes Paul II. und führt selbst aus: „Die Sexualität ist nicht ein Mittel zur Befriedigung oder Vergnügung, denn es ist eine zwischenmenschliche Sprache, bei der der andere ernst genommen wird in seinem heiligen und unantastbaren Wert.“ Die Erotik sei eine „spezifisch menschliche Äußerung der Geschlechtlichkeit“: „Die gesündeste Erotik ist zwar verbunden mit dem Streben nach Vergnügen, setzt aber die Ehrfurcht voraus, und kann deshalb die Triebe vermenschlichen.“ Mitnichten sei die Erotik ein „geduldetes Übel“ oder eine „Last“, sondern ein „Geschenk Gottes“, das – einzig und ausschließlich – in der „Begegnung der Eheleute“ ihren Platz hat. Papst Franziskus betont hier ebenso wenig wie seine Amtsvorgänger, dass die freudvoll gelebte Sexualität in der Ehe von Mann und Frau gemeint ist. Das muss der Heilige Vater auch nicht, denn er bestätigt, was die Kirche aller Zeiten und Orte lehrt, wovon im Evangelium Jesu Christi gesprochen wird – entsprechend der petrinischen Aufgabe des Vicarius Christi.
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