6. April 2024
In dem Schreiben „Samaritanus bonus“ wird die lebensfreundliche Morallehre der Kirche erneut bekräftigt. Kardinal Ladaria als Präfekt der Glaubenskongregation schreibt dort, dass „palliative Behandlungsmethoden“ bei Sterbenskranken nicht ausreichen. Der Beistand der Mitmenschen, der Familie und der Angehörigen sei nötig, um auch dem Patienten zu bezeugen, dass sein Leben einen „einzigartigen und unwiederholbaren Wert“ besitzt: „In einer historischen Epoche, in der die Autonomie verherrlicht und die Pracht des Individuums gefeiert wird, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass, auch wenn es wahr ist, dass jeder das eigene Leiden, den eigenen Schmerz und den eigenen Tod erlebt, diese Erlebnisse immer vom Blick und der Gegenwart anderer begleitet sind.“
Wer dem Kranken und Sterbenden in diesem Sinne beisteht, bezeugt Liebe und Hoffnung: „Die Ankündigung des Lebens nach dem Tod ist weder Illusion noch Vertröstung, sondern eine Gewissheit, die sich im Zentrum der Liebe befindet und mit dem Tod nicht vergeht.“ Das Geschenk des Lebens sei unantastbar bis in die Sterbestunde hinein. Das Beispiel des barmherzigen Samariters zeigt das „sehende Herz“. Er ist darin Vorbild für den Dienst an den Kranken: „Dieses Herz sieht, wo Liebe gebraucht wird und handelt entsprechend. Die Augen nehmen in der Schwäche einen Ruf Gottes wahr zu handeln, indem man im menschlichen Leben das erste Gemeingut der Gesellschaft anerkennt. Das menschliche Leben ist ein heiliges und unantastbares Geschenk, und jeder von Gott geschaffene Mensch hat eine transzendente Berufung und eine einzigartige Beziehung zu dem, der das Leben gibt.“
Der „positive Sinn des menschlichen Lebens“ wird bereits durch die rechte Vernunft wahrgenommen und vom Licht des Glaubens bestätigt. Die Würde des Menschen ist unveräußerlich: „Der unantastbare Wert des Lebens ist eine grundlegende Wahrheit des natürlichen Sittengesetzes und eine wesentliche Grundlage der Rechtsordnung. So wie es nicht akzeptiert werden kann, dass ein anderer Mensch unser Sklave ist, auch wenn er uns darum bitten würde, können wir uns ebenfalls nicht direkt dafür entscheiden, gegen das Leben eines menschlichen Lebewesens vorzugehen, selbst wenn er es von uns verlangt.“
Entschieden wendet sich die Kirche gegen Euthanasie und assistierten Suizid. In dem Schreiben heißt es: „Einen Kranken zu töten, der um Euthanasie bittet, bedeutet daher keineswegs, seine Autonomie anzuerkennen und zur Geltung kommen zu lassen, sondern im Gegenteil, den Wert seiner Freiheit, die stark von Krankheit und Schmerz bedingt ist, und den Wert seines Lebens zu verkennen, und ihm jede weitere Möglichkeit einer menschlichen Beziehung, des Existenzsinnes und des Wachstums im Leben auf Gott hin zu verweigern. Darüber hinaus wird der Moment des Todes anstelle von Gott entschieden. Aus diesem Grund sind ‚Abtreibung, Sterbehilfe und freiwilliger Selbstmord selbst (...) eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers.‘“
Heute bestünden kulturelle Hindernisse, die den Wert des Lebens und dessen Heiligkeit verschleiern. Utilitaristische Perspektiven treten auf, von „Lebensqualität“ wird gesprochen – und dieser Begriff wird mit dem Genuss des physischen Lebens verknüpft. Aufgrund dieses Prinzips wird das Leben nur dann als würdig angesehen, wenn es nach Einschätzung des Subjekts selbst oder Dritter ein akzeptables Qualitätsniveau in Bezug auf das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen bestimmter psychischer oder physischer Funktionen aufweist. Häufig wird das würdige Leben sogar mit der bloßen Anwesenheit einer psychischen Belastung identifiziert. Nach diesem Ansatz verdient das Leben nicht, fortgesetzt zu werden, wenn die Lebensqualität als niedrig erscheint. Somit wird jedoch nicht mehr anerkannt, dass menschliches Leben einen Wert an sich hat.
Wer die „Lebensqualität“ des Sterbenden geringschätzt, kehrt sich ab vom Evangelium Jesu Christi. Zudem gebe es die Haltung der vermeintlich „mitfühlenden Euthanasie“: „Es sei mitfühlend, dem Patienten zu helfen, durch Euthanasie oder assistierten Suizid zu sterben. In Wirklichkeit besteht menschliches Mitgefühl nicht darin, den Tod zu verursachen, sondern darin, den Patienten anzunehmen, ihn in Schwierigkeiten zu unterstützen, ihm Zuneigung, Aufmerksamkeit und die Mittel zur Linderung des Leidens anzubieten.“ Zudem führe der Individualismus dazu, dass der Wert des Lebens und des Lebens der anderen relativiert werde. So würden Euthanasiepraktiken legalisiert und die Sorge für Kranke und Sterbende erlischt, der Tod wird herbeigeführt: „In diesem Sinne sprach Papst Franziskus von ‚Wegwerfkultur‘. Die Opfer dieser Kultur sind gerade die zerbrechlichsten Menschen, die Gefahr laufen, von einem Räderwerk ‚weggeworfen‘ zu werden, das um jeden Preis effizient sein will. Es ist ein stark antisolidarisches Kulturphänomen, das Johannes Paul II. als ‚Kultur des Todes‘ bezeichnete und das authentische ‚Strukturen der Sünde‘ erzeugt. Es kann zu falschen Handlungen an sich führen, nur, weil man sich bei ihrer Ausführung ‚wohl fühlt‘, und es kann Verwirrung bzgl. Gut und Böse stiften, wobei jedes persönliche Leben dagegen einen einzigartigen und unwiederholbaren Wert hat, der immer vielversprechend und transzendenzoffen ist. In dieser Wegwerfkultur und Kultur des Todes erscheinen Euthanasie und assistierter Selbstmord als falsche Schlüssel, um Probleme in Bezug auf den todkranken Patienten zu lösen.“
Darum sind alle Formen der Euthanasie und des assistierten Suizids grundsätzlich abzulehnen. Sie stehen im Widerspruch zum Evangelium Jesu Christi und zur verbindlich gültigen Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.