27. Juli 2024
In der fünften Katechese zur „Theologie des Leibes“ vom 10. Oktober 1979 (L’Osservatore Romano Nr. 79/42) denkt Johannes Paul II. über die „Bedeutung der ursprünglichen Einsamkeit des Menschen“ nach.
Gesprochen wird nicht von der Einsamkeit des Mannes, sondern von der Einsamkeit des Menschen als solchem. Eine Bezugnahme auf das Geschlecht finde nicht statt, solange der Mensch allein und einsam sei: „Es ist jedoch schwierig, allein aufgrund dieses Faktums weitgehende Schlussfolgerungen zu ziehen. Dennoch vermag der Gesamtzusammenhang jener Einsamkeit, von welcher Gen 2,18 spricht, uns zu überzeugen, dass es sich hier um die Einsamkeit des ‚Menschen‘ (des Mannes und der Frau) und nicht allein um die Einsamkeit des Mannes, hervorgerufen durch das Fehlen der Frau, handelt.“
Die Einsamkeit scheint ein „fundamentales Problem“ zu bezeichnen, denn es wird von Gott festgestellt, dass es nicht gut sei, dass der Mensch, der eine besondere Stellung in der Schöpfung hat, allein bleibe: „Der geschaffene Mensch befindet sich vom ersten Augenblick seiner Existenz an vor Gott gleichsam auf der Suche nach seinem Wesen; man könnte sagen: auf der Suche nach seiner Selbstbestimmung. Heute würde man sagen: auf der Suche nach seiner Identität. Die Feststellung, dass der Mensch in der sichtbaren Welt und besonders unter den Lebewesen ‚allein ist‘, hat für diese Suche eine negative Bedeutung, da es ausdrückt, was der Mensch ‚nicht ist‘.“
Selbstbestimmung und Identität werden also hier von Johannes Paul II. eigens hervorgehoben. Was heute existenziell und existenzialistisch diskutiert wird – insbesondere auch auf Dimensionen der Geschlechtlichkeit, die dem biblischen Text entgegenstehen –, wird dargelegt in dem Sinne, dass Gottes Geschöpf sich nicht in sich selbst genügt. Er sucht nach einem Mitgeschöpf, das ihm entspricht, das ihm zugehörig sein kann und mit dem er gemeinschaftlich leben kann.
Die anderen Geschöpfe, die Tiere, sind nicht einsam. Der Mensch aber entdeckt und erkennt seine Einsamkeit und damit einen fundamentalen Unterschied zu allen anderen Lebewesen: „Das eigene Erkennen geht einher mit dem Erkennen der Welt, aller sichtbaren Geschöpfe, aller Lebewesen, denen der Mensch einen Namen gegeben hat, um ihnen gegenüber sein Anderssein zu behaupten. Das Erkennen offenbart den Menschen als den, der im Hinblick auf die sichtbare Welt die Fähigkeit der Erkenntnis besitzt. Mit diesem Erkennen, das ihn gewissermaßen über sein eigenes Sein hinausgehen lässt, entdeckt sich der Mensch zugleich selbst in der ganzen Besonderheit seines Seins. Er ist nicht nur seinem Wesen nach und subjektiv allein. Die Einsamkeit bezeichnet auch die Subjektivität des Menschen, die sich gerade durch die Selbsterkenntnis entwickelt. Der Mensch ist allein, weil er sich von der sichtbaren Welt, von der Welt der Lebewesen, ‚unterscheidet‘.“
Der Mensch findet sich in der Welt als Person vor, als besonderes Subjekt, das reflektiert, anschaut, ordnet und Unterschiede erkennt: „Dieser Prozess führt uns auch zu einer ersten Beschreibung des menschlichen Wesens als menschliche Person mit der Subjektivität, die sie kennzeichnet.“ Der Mensch tritt mit Fragen und Unterscheidungen an die Welt heran, in der er lebt – und er stellt als Person fest, dass er einsam ist. Und so lesen wir im Buch Genesis: „‚Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibe. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht‘ (Gen 2,18).“
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