10. August 2024
Wer auf der Suche nach dem Licht ist und sich im abendländischen Kontext bewegt, der kommt nicht umhin, nach Rom zu blicken. Wer wüsste das besser als Lothar C. Rilinger, der bekannte, dezidiert katholische Publizist. Doch sein neues Werk „Auf der Suche nach dem Licht“ beginnt nicht in der Ewigen Stadt. Nein, es handelt sich um eine Suche, ja, mehr noch um eine Annäherung. Anders, als der Leser zunächst vielleicht denkt, wird daraus eine Reise ins Licht.
Im Lepanto-Verlag, einem noch recht neuen Stern am geistigen wie geistlichen Firmament Europas, erscheinen mit Regelmäßigkeit Bücher, die den Geist des geistlichen Europas tragen und repräsentieren. Doch was die äußere Form seiner Veröffentlichungen betrifft, so stapelt dieses Haus gern tief. So auch bei Rilingers „Auf der Suche nach dem Licht“: Wie schon öfter bei Lepanto wurde hier einem sehr durchdachten und empfehlenswerten Buch, das eine große Aufmachung verdient hätte, lediglich eine Klappenbroschur spendiert. Wer seine Schritte gen Italien lenkt, hin zur ewigen Stadt, kann dieses Buch aber umso besser einstecken – immerhin ist es erfreulich handlich.
Lothar C. Rilinger ist ein höchst profilierter Autor. Er nimmt den Leser zunächst mit in die südalpine Stimmung, in der das mythische Arkadien sich Schicht um Schicht offenbart. Wir erleben hier einerseits, ganz diesseitig betrachtet, eine Reisebeschreibung von literarischer Qualität. Sie wird mit jeder Seite mehr zur Beschreibung einer Anabasis von Aquileja, das in spätantiker Zeit in die Bedeutungslosigkeit sank, hinaus zum Stuhle Petri, nach Roma aeterna. Was hat das mit dem Abendland an sich zu tun? Hier sind wir an dem Punkt, an dem es die zweite Ebene dieses Werkes zu würdigen gilt, die es zu einer „doppelten“ Reisebeschreibung macht. Denn Rilinger gelingt es zusätzlich, eine jenseitige Reise, eine Seelenreise zum überzeitlichen Rom, zur Idee einer Ewigen Stadt in uns in Gang zu setzen. Machen wir uns aber zunächst ganz diesseitig auf den Weg.
Cividale del Friuli liegt nicht an den üblichen Reiserouten. Warum beginnt Rilinger seinen Weg nach Rom genau hier? Ein Kleinod langobardischer Kunst ist der Grund. Die Formsprache der Spätantike, schon frühmittelalterlich in der Verwendung, das allein schon sehr faszinierend, und mit durchdachten, weitblickenden Worten in seine Relation gesetzt. Nicht weit ist der Weg von hier nach Udine. Auch diese Stadt, obschon deutlich größer, ist stets ein wenig im touristischen Windschatten – noch nicht richtig im Süden, auch nicht am Meer. Rilinger beschreibt, warum wir trotzdem anhalten sollten, warum dies demjenigen eine wichtige Station sein sollte, der Rom wissend erreichen möchte.
Konzentration auf Wesentliches – so ließe sich das durchaus breit angelegte Kapitel über Venedig charakterisieren. Der Autor beschränkt sich auf zwei ganz genau gewählte Orte, von denen aus er aber die Geistes- und Kirchengeschichte ausleuchtet. Ist es der Markusplatz? Nein, den kennt jeder. Ist es der Dogenpalast? Nein, auch allbekannt. Und so beginnt Rilinger mit der Kirche San Giorgio Maggiore – zitiert sei hier beispielhaft seine Überzeugung, nach der hier „wahre Größe, die nur in der Verherrlichung Gottes erreicht werden kann“, zu finden sei. In der Kirche San Salvatore begegnet dem Leser dann das Genie Tizians, und Rilinger weiß es ihm nahezubringen. Lohnende Gedanken über das Verhältnis von Staat und Kirche schließen dieses Kapitel ab.
Das Kapitel über Florenz ist wie eine Kuppel geschichtet – vom Äußerlichen nach innen, nach oben und wieder zurück. Pars pro toto, denn als Gesamtkunstwerk beschreibt Rilinger diese Stadt. Mit jeder Zeile wird spürbar, dass hier jemand schreibt, der ergriffen wurde und begriffen hat. Florenz, die Rast auf dem Weg zum Licht, Kultur um Gottes willen. Santa Croce, Giotto, Dante – gewaltige Stichworte. Die daran geknüpften Themen handeln von der Abkehr, Umkehr und Rückkehr im biblischen Sinne, extrapoliert wird dies vor allem in Bezug auf das Papsttum. So lenkt der Autor den Blick des Lesers auch hier nach Rom. Doch mittig im Kapitel, auf dessen Höhe sozusagen, wird die Kuppel des Domes Santa Maria del Fiore beschrieben, dieses unerreichte Meisterwerk Brunelleschis. So wird dieses Kapitel gleichsam selbst zum Kunstwerk.
Durch die Toskana und Umbrien führt der Weg, auf den Rilinger seine Leser nun mitnimmt. Die Lektüre lohnt, wie die bisher gemachten Anmerkungen wohl ermessen lassen. Und dann, sozusagen vor den Toren der Ewigen Stadt, wird der Lesefluss kurz unterbrochen. Dort befindet sich der gesammelte Bildteil, höchst aussagekräftig, wirklich gut zusammengestellt. Er bildet quasi den Fanfarenstoß vor dem Eintritt des Pilgers in die ewige Stadt.
Rom also – Caput Mundi. Hier ist der Pilger, denn als solcher versteht sich der Leser inzwischen längst, am Ziel angekommen. Hier, gleichermaßen im Licht stehend, breitet nun der Autor einige ausgewählte kirchliche Themen aus. Der Malteserorden und seine Werke gehören dazu, Papst Pius XII., dessen Heiligsprechung mancherorts erhofft wird, ebenfalls. Ein gewichtiges Kapitel ist Benedikt XVI. gewidmet, der ganz gewiss als zukünftiger Kirchenlehrer anzusehen ist. Nun folgt ein Kunstgriff. Von Rom lenkt Rilinger den Blick nach Lourdes und Bethlehem – ohne die Stadt geistig zu verlassen. Er nimmt den Leser an die Hand und zeigt ihm sein Glaubenspanoptikum, auf dass sich ihm Stadt und Erdkreis öffnen mögen. Denn nur der, dem Roma aeterna ihre Geheimnisse preisgab, der versteht Europa in seiner diesseitigen und jenseitigen Tiefe und Bedeutung.
Lothar C. Rilinger: Auf der Suche nach dem Licht – Zeichen des Glaubens auf dem Weg von Aquileja nach Rom; Rückersdorf üb. Nürnberg 2024; 310 Seiten, Klappenbroschur, 28 farbige Abb.; ISBN 978-3-942605-33-5; 21,50 Euro.
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