Am 9. Januar 1980 legte Johannes Paul II. in der Mittwochskatechese dar, welche Bedeutung der „bräutliche Sinn des Leibes“ besitzt (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/3). Zunächst fragt er, die Gedanken der Vorwoche aufnehmend, ob der Mensch in der „ursprünglichen Einsamkeit“ die Welt tatsächlich als „persönlich beglückendes, für den Menschen geschaffenes Geschenk“ erfährt. Ein „gewisser Mangel an Gutem“ wird sichtbar, denn der Mensch ist allein, und die Lebewesen um ihn, die Mitgeschöpfe, bieten ihm nicht die „Grundbedingungen, die eine Existenz in der Beziehung gegenseitigen Sich-Schenkens ermöglichen“.

Allein verwirklicht der Mensch sein Wesen nicht, das ist der „entscheidende Inhalt der Gottesebenbildlichkeit“: „Denn das Sich-Schenken bringt sozusagen ein besonderes Kennzeichen der personalen Existenz, ja des eigentlichen Wesens der Person zum Ausdruck.“

Johannes Paul II. erläutert: „Er verwirklicht es nur, wenn er ‚mit irgend jemandem‘ lebt, und noch tiefer und vollkommener, wenn er ‚für irgend jemanden‘ da ist. Dieses Gesetz für die Existenz der Person wird im Buch Genesis als Merkmal der Schöpfung herausgestellt eben durch die Bedeutung dieser beiden Worte ‚allein‘ und ‚Hilfe‘. Gerade sie weisen darauf hin, wie grundlegend und maßgeblich für den Menschen die Beziehung und die Gemeinschaft der Personen ist. Gemeinschaft der Personen heißt, in einem gegenseitigen Füreinander, in einer Beziehung gegenseitigen Sich-Schenkens zu leben. Und diese Beziehung ist genau die positive Aufhebung der ursprünglichen Einsamkeit des Menschen.“

Die „ursprüngliche Beseligung des Menschen“ liegt in der Aufhebung dieser Einsamkeit – und wir erleben die „Glückseligkeit“, die untrennbar verbunden ist mit dem „Geheimnis der Schöpfung“, die aus Liebe, dem „Wesen des schöpferischen Schenkens“, geschaffen ist, wenn der „männliche Mensch“ die ihm zugehörige Frau erblickt und beide einander um ihre Zugehörigkeit wissen, in liebevoller Zuneigung, herzlicher Sympathie und Hingabe.

Johannes Paul II. äußert sich nun weiterhin über die hiermit verbundenen Themen Person und Geschlecht, die untrennbar verknüpft sind. Über Geschlechtlichkeit und Person müsse gleichzeitig gesprochen werden, sonst wäre die „Harmonie der Anthropologie“, die im Buch Genesis entfaltet wird, preisgegeben: „Es besteht eine enge Verbindung zwischen dem Geheimnis der Schöpfung als Geschenk, das der göttlichen Liebe entspringt, und jenem beseligenden Anfang der menschlichen Existenz als Mann und Frau in der ganzen Wahrhaftigkeit ihres Leibes und ihres Geschlechtes, die ganz einfach die Wahrhaftigkeit der Gemeinschaft zwischen den Personen ist. Wenn der erste Mann beim Anblick der Frau ausruft: ‚Das ist Fleisch von meinem Fleisch und Gebein von meinem Gebein‘ (Gen 2,23), bekräftigt er nur die menschliche Identität beider. Damit scheint er zu sagen: Siehe, ein Leib, der die Person darstellt! Einem vorhergehenden Abschnitt des jahwistischen Textes folgend kann man auch sagen: dieser Leib macht die lebendige Seele offenbar, zu welcher der Mensch wurde, als Gott Jahwe ihm das Leben einhauchte (vgl. Gen 2,7), womit seine Einsamkeit gegenüber allen anderen Geschöpfen begann. Aus dieser Tiefe jener ursprünglichen Einsamkeit steigt der Mensch nun auf zur Dimension des gegenseitigen Sich-Schenkens, dessen Ausdruck – und daher auch dessen Ausdruck als Person – der menschliche Leib in der ganzen ursprünglichen Wahrheit seiner Männlichkeit und Weiblichkeit ist.“

Die biblische Anthropologie steht somit allen postmodernen Fantasien entgegen. Unverrückbar und eindeutig sind Frau und Mann, liebend und leibhaftig, aufeinander bezogen: „Der Leib, der die Weiblichkeit für die Männlichkeit und umgekehrt die Männlichkeit für die Weiblichkeit zum Ausdruck bringt, bekundet die Gegenseitigkeit und Gemeinschaft der Personen. Er bringt sie durch das Sich-Schenken als das grundlegende Merkmal der personalen Existenz zum Ausdruck. Der Leib ist also Zeuge der Schöpfung als eines grundlegenden Geschenks und somit Zeuge der göttlichen Liebe als Quelle, aus welcher dieses Geschenk entspringt. Männlichkeit und Weiblichkeit – also die Geschlechtlichkeit – sind das ursprüngliche Zeichen des schöpferischen Geschenkes und der Tatsache, dass der Mensch als Mann und Frau sich dieses Geschenkes bewusst wird, das er sozusagen ganz ursprünglich erlebt. Das ist die Bedeutung, mit welcher die Geschlechtlichkeit in die Theologie des Leibes eintritt.“

So darf hier auch gesagt sein, dass die Kirche deshalb erklärt, dass der Leib nicht angetastet und nicht neu modelliert werden darf, denn der Leib bezeugt die Schöpfung und zugleich die göttliche Liebe: „Mit jenem beseligenden Anfang von Sein und Leben des Menschen als Mann und Frau wird der Sinn des Leibes offenbart und entdeckt, den man als ‚bräutlich‘ bezeichnen muss.“ So werden sich Mann und Frau liebend „so eng miteinander verbinden, dass sie ‚ein Fleisch‘ werden“.

Damit steht ihr Menschsein unter dem „Segen der Fruchtbarkeit“: „Der Mensch tritt ein ‚in das Dasein‘ mit dem Bewusstsein dieser Finalität der eigenen Männlichkeit bzw. Weiblichkeit, das heißt seiner Geschlechtlichkeit.“ In der „ursprünglichen Nacktheit“ ist sich der Mensch sowohl seiner „Zeugungskraft“ als auch des „eigenen Geschlechtes“ bewusst, aber „von körperlichen und sexuellen Zwängen frei“. Er befindet sich in einem Stadium innerer Freiheit.

Johannes Paul II. legt dar: „Heißt das: Freiheit vom ‚Geschlechtstrieb‘? Der Begriff ‚Trieb‘ besagt ja bereits einen inneren Zwang, dem Trieb vergleichbar, wie er für die Fruchtbarkeit und Zeugung in der gesamten Welt der Lebewesen (animalia) gilt. Es scheint jedoch, dass beide Genesis-Texte von der Erschaffung des Menschen den Aspekt der Fortpflanzung im Zusammenhang mit der Existenz des Menschen als Person sehen. Demzufolge wird auch die Analogie des menschlichen Leibes und der menschlichen Sexualität in Bezug auf die Welt der anderen Lebewesen – die wir auch als ‚Analogie der Natur‘ bezeichnen können – in beiden Berichten (wenn auch unterschiedlich) auf die Ebene der ‚Gottebenbildlichkeit‘ und auf die Ebene der Person und der Gemeinschaft zwischen den Personen erhoben.“

Dies gelte es weiter und vertieft zu bedenken. Besonders auch der „moderne Mensch“ müsse sich bewusst sein, „dass sich in jenen biblischen Texten, die vom Anfang des Menschen sprechen, die Offenbarung des ‚bräutlichen Sinnes des Leibes‘ findet“. Die Entfaltung dessen, was dieser Sinn bedeutet, ist Gegenstand weiterer Katechesen.

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