In den Katechesen vom 13. August und 20. August 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 34–35) wird auf das Alte Testament in seiner Bedeutung für die „Theologie des Leibes“ Bezug genommen, ausgehend von den Worten des Herrn: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen …“ (Mt 5,27).

Adressiert sind zunächst die Juden, also „Söhne und Töchter des auserwählten Volkes“, die mit dem Gesetz vertraut sind, und mit den Mahnreden der Propheten aufgrund der Übertretungen. Christus konzentriert sich vor allem auf die „Auslegung des Gesetzes“, bei der „die richtige Bedeutung von Gut und Böse, wie sie der göttliche Gesetzgeber ausdrücklich gewollt hat, aufgehoben wird und verschwindet“. Das Gesetz diene der Gerechtigkeit, die größer sein solle als jene der Schriftgelehrten und Pharisäer. Der Herr weist damit die bloße Kasuistik ab: „Wenn Christus das Ethos umwandeln will, dann will er vor allem die grundlegende Klarheit der Auslegung zurückgewinnen: ‚Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen‘ (Mt 5,17). Vorbedingung für das Erfüllen ist das richtige Verständnis. Das gilt nun u. a. auch für das Gebot ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘.“

Beendet werden soll die herrschende kasuistische Praxis, auch die Polygamie hatte sich seit den Zeiten der Könige David und Salomo durchgesetzt. Johannes Paul II. schreibt: „Unter Ehebruch versteht man nur die Inbesitznahme der Frau eines anderen, während der Besitz weiterer Frauen neben der ersten nicht als Ehebruch gilt. Die ganze Tradition des Alten Bundes zeigt, dass dem Gewissen der aufeinanderfolgenden Generationen des auserwählten Volkes und ihrem Ethos die tatsächliche Notwendigkeit der Einehe, und zwar als wesentliche und unverzichtbare Folgerung aus dem Gebot ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘, nicht klar war.“

Gegen die Polygamie wurde nicht vorgegangen. Sie galt als legitim: „Unter Ehebruch versteht man hier vor allem (und vielleicht ausschließlich) die Verletzung des Eigentumsrechts eines Mannes auf jede Frau, die vor dem Gesetz als seine Frau gilt (gewöhnlich ist es eine unter mehreren). Man versteht den Ehebruch dagegen nicht vom Standpunkt der Einehe aus, wie sie der Schöpfer eingesetzt hat.“

Eindeutig werde nun von Christus der Ehebruch als Sünde identifiziert. Ebenso werden Konkubinen abgelehnt. Johannes Paul II. legt dar: „Im ganzen Alten Testament findet sich keine ausdrückliche Erwähnung der Verpflichtung zur Einehe, wenn auch das von den späteren Büchern gebotene Bild zeigt, dass sie in der sozialen Praxis vorherrschte (vgl. z. B. die Weisheitsbücher […]). Man kann sagen, dass ein solches Recht, während es die Sünde bekämpfte, zugleich die sozialen Strukturen der Sünde umfaßte und sogar schützte bzw. legalisierte. Unter diesen Umständen erfuhr der wesentliche ethische Sinn des Gebotes ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘ notwendig eine grundlegende Umwertung. In der Bergpredigt stellt Christus erneut den eigentlichen Sinn heraus und überschreitet damit die überlieferten gesetzlichen Einschränkungen.“

Zwar waren Homosexualität und Sodomie verboten und unter Todesstrafe gestellt, aber ein „Kompromiss mit dem leiblichen Begehren“ bestand offenbar in der Zulässigkeit der Polygamie: „Das Eherecht des Alten Testamentes setzt in seinem ganzen Zusammenhang die Zeugung der Nachkommenschaft in der Ehe an den ersten Platz, es sucht in einigen Fällen sogar eine vor dem Gesetz gleiche Behandlung von Mann und Frau deutlich zu machen.“ Die Absicht lag in der „Ordnung des sozialen Lebens“.

Christus stellt aber in der Bergpredigt den ursprünglichen Sinn der Ehe wieder her und erinnert an die Propheten, die mahnten, dass die „größte Sünde“ von Israel und Juda darin bestand, „den einen wahren Gottes zugunsten des Kultes verschiedener Götzen“ aufgegeben zu haben: „In den Weissagungen der Propheten und zumal von Jesaja, Hosea und Ezechiel wird der Gott Jahwe oft als Bräutigam dargestellt, und die Liebe, mit der er sich an Israel gebunden hat, kann und muss gleichgesetzt werden mit der bräutlichen Liebe von Ehegatten. Nun begeht aber Israel aufgrund seines Götzendienstes und weil es Gott, seinen Bräutigam, verläßt, an ihm Verrat, den man mit dem Verrat der Frau an ihrem Mann vergleichen kann: es begeht tatsächlich Ehebruch.“ Mit Christus wird ein „neues Ethos“ sichtbar, in dem der Ehebruch zwischen Mann und Frau eindeutig als moralisch verwerflich, als Sünde benannt ist.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.