5. Mai 2025
Der bekannte Vatikanexperte und Buchautor Ulrich Nersinger blickt im Gespräch mit CNA Deutsch auf das bevorstehende Konklave zur Wahl eines neuen Papstes.
Am Mittwoch beginnt das Konklave. Was hat es mit diesem Begriff auf sich? Seit wann wird der neue Papst durch ein solches Verfahren bestimmt?
Christus hat seiner Kirche keine feste Norm zur Wahl ihres Oberhauptes hinterlassen. Eine Papstwahl beruht daher nicht auf göttlichem Recht, sondern auf kirchlichem. Nach geltendem Recht hat allein der Papst die Vollmacht, die Wahl eines Nachfolgers Petri zu regeln. Unsere derzeitige Papstwahl im Konklave geht auf Entwicklungen im 13. Jahrhundert zurück. Der selige Papst Gregor X. (Tedaldo Visconti, 1271–1276) machte dann im Jahr 1275 kraft der Apostolischen Konstitution Ubi periculum das Konklave für alle Papstwahlen verbindlich. Die Bezeichnung Konklave beruht auf den Brauch, die Wähler des Pontifex Maximus von der Außenwelt zu separieren und in bestimmten Räumlichkeiten cum clave (mit dem Schlüssel) einzuschließen. So sollten und sollen die Kardinäle vor auswärtigen Einflüssen geschützt werden.
Papst Benedikt XVI. hatte – entgegen so mancher medialer Darstellung – einmal betont, dass der Heilige Geist nicht den nächsten Papst wählt. Trotzdem spielt er eine Rolle. Welche?
Lassen wir am besten Papst Benedikt XVI. selber zu Wort kommen. 1998 stellte August Everding, der langjährige Generalintendant der Bayerischen Staatstheater, dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation die Frage: „Eminenz, glauben Sie wirklich, dass bei der Papstwahl der Heilige Geist mitwirkt?“ Der Kardinal antwortete: „Ich würde nicht sagen in dem Sinn, dass der Heilige Geist den jeweiligen Papst heraussucht, denn da gibt es zu viele Gegenbeweise, da waren doch viele da, die der Heilige Geist ganz evident nicht herausgesucht hätte. Aber dass er insgesamt die Sache nicht aus der Hand lässt, uns sozusagen wie ein guter Erzieher an einem sehr langen Band lässt, sehr viel Freiheit lässt, es aber nicht ganz abschnappen lässt, das würde ich schon sagen.“
Der Beistand des Heiligen Geistes, seine Präsenz im Konklave ist von herausragender, eminenter Bedeutung, ja existenziell. Wir sollten ihn in diesen für die katholische Kirche so bedeutsamen Tagen mit unseren Gebeten bestürmen.
Papst Johannes Paul II. hatte 120 wahlberechtigte Kardinäle als Obergrenze vorgesehen, die gut im Domus Sanctae Marthae unterkommen können. Nun nehmen wohl 133 Kardinäle am Konklave teil. Wo werden die „überzähligen“ Kardinäle untergebracht? Und wie viele Zimmer – die nun versiegelt sind – hat Papst Franziskus im vatikanischen Gästehaus eigentlich belegt?
Der Kardinalkämmerer (Camerlengo) und seine Assistenz sowie die Generalkongregationen der Kardinäle haben für die Unterbringung der Papstwähler bzw. der entsprechenden Modalitäten Sorge zu tragen. Die Unterbringung erfolgt im unter Papst Johannes Paul II. erbauten vatikanischen Gästehospiz, welches das frühere „Santa Marta“ aus dem Jahre 1884 ersetzte. Der Neubau bietet den Purpurträgern entsprechenden Komfort. Man spricht allgemein von 122 Suiten, 22 Einzelzimmern und einem Appartement, die zur Verfügung stehen. Der Wohnbereich, den der verstorbene Heilige Vater in Anspruch nahm, bleibt für die Zeit der Sedisvakanz versiegelt und kann nicht in Anspruch genommen werden. Die Zuteilung der Zimmer in der Domus Sanctae Marthae geschieht durch Losentscheid.
Nicht alle Papstwähler dürften in dem Haus unterkommen. Möglichkeiten der Unterbringung könnten in einem Nebengebäude, das von Alt-Santa-Marta übriggeblieben ist, erfolgen. Gemunkelt wurde auch, dass man das in der Vatikanstadt befindliche Äthiopische Kolleg geräumt hat.
Geben Sie unseren Lesern einen Einblick: Wie sieht die Unterbringung der Kardinäle aus? Speisen alle gemeinsam, oder wird das Essen im Dienst von Stille und Gebet direkt in die Zimmer geliefert?
Heute dürften die Kardinäle ihr Essen gemeinsam aus einer gemeinsam Küche zu sich nehmen. Dem war nicht nicht immer so. In vergangenen Jahrhunderten ließ sich jeder Kardinal als Vorsichtsmaßnahme (Vergiftung!) separat sein Essen von auswärts bringen. Eine dann doch später übliche Gemeinschaftsküche sorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch für erhebliche Aufregung unter den Papstwählern.
Im Konklave von 1903 klagte das Gros der Kardinäle nach ihrer ersten Mahlzeit über Unwohlsein, das zu Magenkrämpfen und schließlich bei einigen in Erbrechen überging. Befürchtungen tauchten auf, das Kardinalskollegium sei einem Giftanschlag ausgesetzt. Der Camerlengo beauftragte zwei von der Erkrankung nicht Betroffene – der eine hatte aus Gesundheitsgründen sein Essen aus der Kantine der Päpstlichen Schweizergarde, der andere von einem Privatkoch erhalten –, auf Spurensuche nach dem vermeintlichen Giftanschlag zu gehen. Die beiden Eminenzen begutachteten unter anderem die Vorratskammern und die Küche. Beim Hinausgehen aus der Kochstube fiel der Blick des einen Kardinals auf einen Kupferkessel. Er stutzte und wagte einen genaueren Blick in Topf: der Überzug war fehlerhaft. Da das freigesetztes Kupfersulfat als starkes Brechmittel wirkt, war der „Täter“ gefunden.
Mobiltelefone und andere Kommunikationsmittel sind verboten, damit die Wahl tatsächlich auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Wie wird gewährleistet, dass niemand letztlich doch vielleicht per Mobiltelefon mit der Außenwelt in Verbindung bleibt?
Mittlerweile kommen zur Sicherung des Konklave vor allem GSM-Jammer zum Einsatz, leistungsstarke Störsender, die das „Global System for Mobile Communication“, einen internationalen Standard für Mobilfunknetze, außer Kraft setzen. Die Wirkung dieser und anderer genutzter Störsender ist so gravierend, dass deren Einsatz vom Vatikan den italienischen Verantwortlichen für die Überwachung des Luftraums über Rom mitgeteilt werden muss. Zwar darf der Vatikan generell nicht überflogen werden. Aber da sich in dessen Nähe Krankenhäuser befinden und oft der Einsatz von Rettungshubschraubern erforderlich ist, muss eine solche Warnung erfolgen. Die Störsender könnten durchaus die Elektronik der Hubschrauber maßgeblich beeinflussen und zu einem Absturz führen.
Die Papstwahl selbst findet in der Sixtinischen Kapelle statt. Wie kommen die Kardinäle vom Domus Sanctae Marthae auf der einen Seite des Petersdoms zum Wahlort, ohne zufällig mit der Öffentlichkeit in Kontakt treten zu können?
Bei den vergangenen Papstwahlen wurden die wahlberechtigten Kardinäle vom Domus Sanctae Marthae aus mit Bussen zur Sixtinischen Kapelle gebracht. 2005 stand es den Purpurträgern auch frei, sich zu Fuß zur Sixtina zu begeben. 2013 hatten die Kardinäle die von der Gendarmerie bewachten und eskortierten Busse zu nehmen. Die Papstwahlordnung Johannes Pauls II. legt besonderen Wert darauf, „dass die wahlberechtigten Kardinäle auf dem Weg vom Domus Sanctae Marthae zum Apostolischen Palast von niemandem erreicht werden können“.
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Dass niemand mit den Kardinälen auf dieser Wegstrecke in Kontakt kommt, dafür sorgen die vatikanischen Sicherheitsdienste, die Päpstliche Schweizergarde und das Gendarmeriekorps des Staates der Vatikanstadt. Diesen steht auch eine engmaschige Videoüberwachung der Wegstrecke zur Verfügung. Die Sixtinische Kapelle wie auch das vatikanische Gästehaus werden auf Abhörmaßnahmen („Wanzen“, etc.) untersucht. Vor den vergangenen Konklaven waren in der Sixtina immer wieder elektronische „Spione“ aufgespürt worden.
Nach dem Konklave im Jahr 2013, aus dem Franziskus als Papst hervorging, war viel von der Sankt-Gallen-Mafia die Rede. Worum handelt es sich? Inwiefern wurde das Konklave beeinflusst? Und wie kann man ein solches Handeln überhaupt verhindern?
Ein Blick in die Konklavegeschichte zeigt, dass es durch alle Jahrhunderte hindurch Versuche gab, auf die Wahlen Einfluss zu nehmen – mit allen Mitteln. Sie waren deren ständige Begleiter. 2005 hatte eine Gruppe von Kardinälen und Bischöfen, die sich regelmäßig im schweizerischen Sankt Gallen traf, unheilvoll von sich Reden gemacht. In ihrem Bestreben, auf das Konklave verbotenerweise Einfluss zu nehmen, bezeichnete sie sich selbst mit kaum vorstellbarer Unverfrorenheit als Sankt-Gallen-Mafia.
Eine Form weltlicher Einflussnahme, das sogenannte ius exclusivae katholischer Staaten, sollte sich noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts auswirken. Ein ius, also ein „Recht“ darauf, einen Kandidaten von der Papstwahl auszuschließen, hat die Kirche einer weltlichen Macht niemals zugestanden – von daher wird in kirchlichen Dokumenten immer nur von einem civile veto seu exclusiva gesprochen. Zuletzt 1903 hatte der österreichische Kaiser durch den Kardinalerzbischof von Krakau ein Veto aussprechen lassen. Der neue Pontifex, der heilige Pius X. (Giuseppe Sarto, 1903–1914), erließ sodann am 30. Januar 1904 die Apostolische Konstitution Commissum Nobis, die das vorgebliche Recht der Exklusive in jeder Form ablehnte. Ein Kardinal, der es übernehmen würde, ein Veto in irgendwelcher Art vorzubringen, sollte ipso facto der Exkommunikation verfallen.
Damit alles geheim bleibt, kann es natürlich keine externen Übersetzer geben. Die Lateinkenntnisse dürften heute auch bei Kardinälen eher begrenzt sein. Wie kommuniziert man also miteinander?
Sie haben recht, Lateinkenntnisse – geschweige denn die Beherrschung der eigentlichen Kirchensprache – können nicht mehr vorausgesetzt werden. Auch das Italienische ist für viele Purpurträger keine Option, zumal, wenn sie von den „Rändern der Welt“ kommen. Ich vermute und hoffe doch, dass die Mehrzahl der Kardinäle einer der Weltsprachen mächtig ist. Und wenn auch diese nur rudimentär vorhanden zu sein scheinen, wird man wohl, wie man so schön sagt, „mit Hängen und Würgen“ zu einer Kommunikation kommen müssen.
Hinweis: Interviews wie dieses spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gesprächspartner wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.