Lothar C. Rilinger hat ein neues Werk vorgelegt, nämlich „Christentum und Verfassung“. Der erfahrene Jurist und Publizist behandelt darin nicht weniger als eine Grundfrage der staatlichen Verfasstheit und damit einen wichtigen Aspekt menschlicher Existenz aus europäischer Sicht. Ob Christentum und Verfassung ein Dualismus sein müssen oder ob sie eine Einheit bilden können – darum geht es. Der Autor legt eine Analyse vor, die nichts weniger als eine Hilfe zur Rettung eines bedrohten Kontinents darstellt.

Hinter der Frage, ob das Christentum und eine weltliche Verfassung eines Staates einen Dualismus oder eine Einheit bilden, steht letztlich die Frage nach der Existenz eines christlichen Abendlandes, so wie es seit spätestens Karl dem Großen existiert – wobei die Eingeweihten wissen, dass Akteure des 5. Jahrhunderts nach Christus, vornehmlich Martin von Tours und der Frankenkönig Childerich I., hier viel entscheidender waren. Gerne knien wir uns in diese Fragestellung, denn sie ist derzeit aktueller denn je. Ob wir uns in drei Generationen noch auf einem Kontinent befinden, der sich als christliches Abendland identifizieren lässt, oder ob wir nichts als eine Handelsplattform fernöstlicher Handelsherren oder gar die Dhimmi – also die aufgrund ihres christlichen Glaubens Untergebenen – eines Kalifen sein werden, entscheidet sich noch in der Lebenszeit der meisten Leser dieser Zeilen.

Der erste Teil des Buches behandelt die Grundlagen des Staates. Wer den Autor kennt, weiß, dass er inhaltlich nichts dem Zufall überlässt. Wenn der eigentliche Text des Buches also mit den Worten „Papst Benedikt XVI. hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011 …“ beginnt, dann ist dies programmatisch zu verstehen. Gleich ist der Leser mittendrin im „gesellschaftlichen und juristischen Diskurs seit der Aufklärung“. Rilingers Grundlage ist dabei das Naturrecht, das die Gleichheit aller Menschen begründet und das in den Zehn Geboten bereits in seinen wesentlichen Zügen kodifiziert ist. Daraus entwickelt Rilinger über die Aufklärung eine Basis für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, denen er damit eine klare jüdisch-christliche Fundierung zuschreibt.

Dass hingegen der Islam nie eine geistige Fortentwicklung, ein Gegenstück zur Aufklärung erfuhr, wissen wir alle, aber längst nicht jedermann will es wahrhaben. Rilinger nennt diese Tatsache klar beim Namen. Daraus ergibt sich eine Sicht auf die Weltlage, die höchst spannend ist. Rilinger stellt relevante Fragen – und er gibt unverblümte, weitblickende Antworten. Wie sagte doch im Jahre 2015 der damalige Bundesinnenminister de Maizière aus ähnlichem Anlass so treffend: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Im zweiten Kapitel widmet sich Rilinger der Theologie des jüngst verstorbenen Papstes Frankiskus, und er setzt sie in Bezug zu den Werten der Französischen Revolution. Danach fragt er, ob die Allgemeinen Menschenrechte christlich-jüdischen Ursprungs auch als Akt der Kolonisierung verstanden werden können – und der Rezensent läuft Gefahr, das Buch nachzuerzählen. Die nun mehr als berechtigte Frage nach der prinzipiellen Vereinbarkeit der divergierenden Weltsichten stellt eine bedenkenswerte Lektüre dar, die dieses Buch auf den Wunschzettel möglichst aller politischen Entscheidungsträger bringen sollte.

Kaum 50 Seiten sind jetzt bedacht, und dieses Buch hat derer 257 – zu viel für eine Rezension. Durchgehend bis zum Schlusswort darf die Leserschaft eine Menge bestsortierter, höchst bedenkenswerter Themen und Argumente zur Frage erwarten, wie christlich das Abendland sein kann, will und muss.

Als Appetithappen für eine gründliche Lektüre des neuen Rilinger-Buches sei die Überschrift des Unterkapitels ab Seite 113 hier wiedergegeben: „Kann der Untergang des Abendlandes durch das Christentum aufgehalten werden?“ Die hier niedergelegten, dringenden Warnungen vor einer Entchristlichung der Gesellschaft und einem transhumanistischen Weltbild sollten Gehör finden bis in die Spitzen der politischen Vertretung aller europäischen Länder.

Wunderbar konservativ ist das Erscheinungsbild dieses gewichtigen, aber kompakten Bandes. Da macht es auch nichts, dass das Layout recht klar als Word-Typoskript mit seinen immanenten Schwächen im graphischen Erscheinungsbild erkennbar ist – das Inhaltsverzeichnis sollte vielleicht insgesamt neu formatiert werden. Der angenehme Gesamteindruck, die gute Lesbarkeit und das fein gewählte Papier überbrücken zudem diese kleine Schwäche des vorliegenden Bandes, und auch die eher üppigen 49,90 Euro sind als Verkaufspreis gerade noch akzeptabel, zumal für 19,99 Euro eine im Vergleich preiswerte Alternative als E-Book bereitsteht. Lothar C. Rilinger hat nicht weniger als das Programm für ein Überleben des christlichen Abendlandes auf beeindruckende Weise zwischen zwei Buchdeckel sortiert – diesem Werk sei eine recht zahlreiche Leserschaft, eine Zweitveröffentlichung in einem der großen Verlage sowie die Übersetzung in alle europäischen Sprachen gewünscht!

Lothar C. Rilinger: Christentum und Verfassung: Ein Dualismus oder doch eine Einheit? 257 S., geb., ISBN 978-3-86838-300-3, 49,90 Euro.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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