3. Juni 2018
Bei seiner Heiligsprechung am 11. Oktober 2009 wurde Bruder Rafael von Papst Benedikt XVI. als junger Mann präsentiert, der "Ja zu dem Vorschlag sagte, JESUS unmittelbar und entschlossen ohne Einschränkungen und Bedingungen zu folgen."
Im Dezember 1936 verfasste Bruder Rafael in seinem Kloster, das zwischen einer vielbefahrenen Straße und einer Eisenbahnlinie lag, die die Klostermauern immer wieder erbeben ließen, eine humorvolle Meditation unter dem Titel "Freiheit". So viele Reisende rasten mit hoher Geschwindigkeit vorbei. Sie wähnten sich frei. Doch "wahre Freiheit ist oft zwischen den Mauern eines Klosters eingeschlossen". Denn Freiheit liegt "im Herzen des Menschen, der nur Gott liebt. Sie wohnt im Menschen, dessen Seele weder an Geist, noch an der Materie, sondern ausschließlich an Gott hängt."
Bei der Generalaudienz vom 10. August 2011 sagte Papst Benedikt XVI.:
"Diese Orte vereinen zwei für das kontemplative Leben sehr wichtige Elemente: die Schönheit der Schöpfung, die auf jene des Schöpfers verweist, und die Stille, die fernab der Städte und der großen Verkehrsadern gewährleistet ist. Ein von der Stille geprägtes Umfeld fördert die Sammlung, das Hören auf Gott und die Betrachtung am besten. Gott spricht in der Stille, aber man muss ihn hören können. Darum sind die Klöster Oasen, in denen Gott zur Menschheit spricht."
Rafael Arnäiz Baron wurde als das Älteste von vier Geschwistern am 9. April 1911 in Burgos in Spanien geboren. Mit neun Jahren kam er auf ein Jesuitenkolleg. Bald zeigten sich bei ihm sowohl eine tiefe Empfindsamkeit als auch eine große geistige und künstlerische Begabung. Im Januar 1922 zog die Familie nach Oviedo, und der Junge wechselte auf das dortige Jesuitenkolleg. Aufgrund seiner großen Frömmigkeit gehörte er dem Leitungsgremium der Sankt-Stanislaus-Kongregation an. Bereits damals war er nach Ansicht seines Präfekten auf der Suche nach Gott, als "wäre er magnetisch zu Ihm hingezogen".
Der junge Rafael war von lebhaftem Temperament und verlor leicht die Geduld, wenn etwas nicht schnell und gut genug klappte. Er war auch sehr geräuschempfindlich und er achtete aufmerksam auf die Reinheit seiner Kleidung und seiner persönlichen Sachen. Hässliches, Schmutziges oder Grobes stießen ihn ab, auch vulgäre Geschichten und Ausdrücke. Auf seinen Reisen führte er seine Bleistiftschachtel mit sich und kehrte mit vielen Landschaftszeichnungen, Entwürfen und Skizzen nach Hause zurück, um sie Fertigzustellung und in Mappen zu sammeln oder zu verschenkt.
1930 begann Rafael ein Architekturstudium in Madrid. Er träumte davon, zu zeichnen, zu malen, seine Eindrücke auf der Leinwand oder auf dem Papier festzuhalten; daneben machte er auch Musik. Seine ersten Ferien verbrachte er bei seinem Onkel Polin und seiner Tante Maria und entdeckte in deren Nähe die Trappistenabtei San Isidro de Duenas.
Bereits an seinem ersten Abend im Kloster fühlte sich Rafael tief bewegt, als er der Komplet beiwohnte. Er schrieb an seinen Onkel: "Ich habe ein Salve Regina gehört. Gott allein weiß, was ich dabei empfand. Das war ganz überwältigend." In Erinnerung an seine ersten Eindrücke bei den Trappisten sagte er sechs Jahre später, der Herr habe sein Gemüt bewegt, um ihn zum Nachdenken anzuregen.
1931 wurde er Mitglied der Katholischen Aktion und beteiligte sich fortan sowohl an den Konferenzen des heiligen Vinzenz von Paul als auch an nächtlichen Anbetungen. Trotz seiner tiefen Frömmigkeit war er ein großer Feinschmecker und kannte viele Restaurants; im Alltag zeigte er sich jedoch kein bisschen wählerisch und aß, was man ihm vorsetzte. Er war einerseits von überbordender und ansteckender Fröhlichkeit, andererseits zu gegebener Zeit auch sehr nachdenklich.
Bei seinem zweiten Besuch in San Isidro entdeckte Rafael den tiefen Sinn der klösterlichen Stille:
"Die Leute sagen, dass die Stille im Kloster traurig ist. Das ist völlig falsch. Das Schweigen im Trappistenkloster ist die freudigste Sprache, die sich der Mensch vorstellen kann. Aus der Seele des Trappisten, der scheinbar so armselig ist und in der Stille lebt, sprudelt ein herrlich munterer Gesang voller Liebe und Freude dem Schöpfer entgegen, seinem Gott und liebevollen Vater, der für ihn sorgt und ihn tröstet."
Im September 1931 schrieb er während eines Aufenthaltes bei den Trappisten: "Der Trappist lebt in Gott und für Gott. Gott ist sein einziger Lebenszweck in dieser Welt. Welcher Unterschied zu den sogenannten Christen, für die Gott nur ein zweitrangiges Wesen ist, mit dem man morgens um 8 Uhr ein Stelldichein hat und den man um 9 Uhr wieder verlässt, bis zum nächsten Morgen zur selben Stunde, um ihn dann sofort erneut zu vergessen. Der Künstler mit seiner hohen Empfindsamkeit ist vom Kloster und dem Leben der Trappisten ähnlich beeindruckt, wie von einem Bild oder einer Musikstück. Als Christ und gläubiger Mensch sieht er mehr dahinter. Er erfährt Gott auf greifbare Art und Weise. Danach fühlt er sich im Glauben gestärkt, und wenn der Herr ihm die Gnade gewährt, hat er sogar ein bisschen an Selbsterkenntnis gewonnen. Er ist dort allein mit Gott und seinem Gewissen, er ändert seine Art zu denken, die Dinge zu empfinden, - auch sein Verhalten und Auftreten in der Welt."
In den Jahren 1932 und 1933 musste Rafael seinen Militärdienst leisten. Anschließend setzte er sein Architekturstudium in Madrid fort. Er stellte einen genauen Stundenplan für sich zusammen, der morgens mit der Frühmesse begann und abends mit dem Rosenkranz schloss. Er schrieb an seine Eltern:
"Ich habe festgestellt, dass mir alles besser gelingt, wenn ich mich am Anfang des Tages in Gottes Hände begebe."
Ein damals aktueller Dokumentarfilm über das Leben der Trappisten in der französischen Abtei Sept-Fons vertiefte den guten Eindruck, den er bei seinem Besuch in San Isidro gewonnen hatte, und führte dazu, dass er schließlich beschloss, ins Kloster zu gehen. Er verbrachte den 24. und 25. November 1933 bei den Trappisten; sein Aufnahmegesuch wurde angenommen.
Am liebsten wäre er gleich im Kloster geblieben, ohne sich von jemandem zu verabschieden, nicht einmal von seinen Eltern, denn er fürchtete die Reaktion seines eigenen Herzens. Der Apostolische Nuntius, dem er sich anvertraut hatte, riet ihm: "Ich denke, Sie müssen sich von Ihren Eltern verabschieden und ihren Segen einholen."
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Rafael verbrachte noch eineinhalb Monate bis zu seinem Eintritt ins Kloster bei seiner Familie. Er wartete zunächst das Weihnachtsfest ab, obwohl es ihm sehr schwer fiel, und eröffnete schließlich am Nachmittag des 7. Januar 1934 seiner Mutter mit tränenerstickter Stimme: "Mutter, Gott ruft mich. Ich will ins Trappistenkloster eintreten." Sie senkte den Kopf und sagte nur: "Sohn!" Sie informierte Rafaels Vater, der nach einem Augenblick der Rührung Gott für diesen Entschluss pries; anschließend fragte er seinen Sohn: "Wann willst du los? Ich werde dich fahren." Sie einigten sich auf den 15. Januar.
Rafael fügte sich als junger Postulant gut in sein neues Leben ein. Er glaubte, am Ziel seiner Wünsche und seiner Berufung angekommen zu sein: "Gott hat den Trappistenorden für mich erschaffen, und mich für den Trappistenorden jetzt kann ich selig sterben, ich bin Trappist!"
Einige Monate später zeichnete sich jedoch plötzlich eine akute Diabetes bei ihm ab: Im Mai nahm er innerhalb von acht Tagen 24 kg ab und wurde nahezu blind. Rafael musste zu seinem Leidwesen zu seiner Familie zurück, um sich pflegen zu lassen. Er verließ das Kloster jedoch in der Hoffnung, bald wiederzukommen.
Die sofort eingeleitete ärztliche Behandlung schlug an, Rafael ging es bald besser. Er litt darunter, in jenes Leben zurückkehren zu müssen, das er so schweren Herzens verlassen hatte. Der junge Klosteranwärter beschrieb sich selbst als einen Griesgram, den man in seinem Schweigen und in seiner Sammlung stört: er sei auf der Suche nach sich selbst. Er begann wieder zu rauchen, Geige zu spielen und zu malen.
Am 3. Juni schrieb er einen Brief an einen Onkel: "Was nun geschieht, ist ganz einfach: Gott liebt mich eben sehr. Im Kloster war ich glücklich, ich hielt mich für den Glücklichsten unter den Sterblichen, ich hatte mich von den Geschöpfen loslösen können und suchte nur noch nach Gott. Aber eine Sache blieb mir noch: meine Liebe zum Kloster und zu den Trappisten; und JESUS, der im Hinblick auf die Liebe seiner Söhne sehr fordernd und eifersüchtig ist, wollte, dass ich mich von meinem geliebten Kloster trenne, wenn auch nur vorübergehend."
Rafael erkannte schnell die befreiende Wirkung dieser Prüfung auf sein Herz. Im Juli schrieb er an seine Novizenbrüder im Kloster: "Ihr wisst nicht, was ihr besitzt, und ihr könnt Gott niemals genug für diese große Wohltat danken. Ich selbst wusste es auch nicht, bevor ich gezwungen war, in die Welt zurückzukehren. Die Menschen rufen in selbstmörderischem Hochmut ,Wir brauchen keinen Gott!’ Unsere Gesellschaft ist kaputt; sie beschäftigt sich mit allem, nur nicht mit dem, was wirklich wichtig ist. Ich sage euch ehrlich: Sieht man die derart verblendeten Menschen, wird man ganz traurig, und man möchte ihnen zurufen: ,Wo lauft ihr hin, ihr Narren und Verrückten? Ihr kreuzigt JESUS, jenen Nazaräer, der uns gebeten hat, einander zu lieben! Seht ihr nicht, dass ihr den falschen Weg eingeschlagen habt, dass das Leben ganz kurz ist und dass man es nützen sollte, weil das Gericht Gottes nah ist?‘ Doch das nützt nichts; in der Welt hört man nichts mehr von Gott und seinem Gericht."
Rafael hatte erkannt, dass die Menschen aus der Finsternis des geistigen Todes nur befreit werden können, wenn sie ihr Herz für Christus, der das Licht der Völker ist, öffnen.
Im Januar 1935 fuhr er mit seinem Bruder Leopoldo an die französische Grenze, um dort ein Auto für seinen Vater abzuholen. Er wollte es unbedingt als Erster fahren; während der Reise kostete er sowohl den Komfort als auch den Spaß voll aus. Doch trotz dieser Freude am Weltlichen schrieb er einige Monate später an seinen Abt: Meine Mönchsbrüder "glauben vielleicht, dass ich sie vergessen habe, aber die Wesen, die man in Gott liebt, vergisst man nicht. Indem man sie liebt, liebt man Gott, und Ihn in seinen Geschöpfen zu lieben, ist ein großer Trost, der seiner Ehre nichts nimmt."
Im Mai 1935 erkrankte Rafaels Schwester Mercedes an einer unheilbaren, akuten Bauchfellentzündung. Rafael kümmerte sich viel um sie, doch er litt unbeschreiblich, sie in diesem Zustand zu sehen. Am 9. Juni war die Kranke am Ende ihrer Kräfte. "Sorge dich nicht, Schwesterchen", sagte er zur ihr. "Ich gehe gleich in die Kirche und erzähle alles der Gottesmutter, damit sie euch von eurem Leiden befreit, Mama und dich; du wirst eine ruhige Nacht haben, du wirst schon sehen." Eine Viertelstunde später kam er lächelnd wieder: "Ich habe es getan. Ich habe zur Heiligen Jungfrau gesagt: ,Sieh zu, Mutter, was du für Mama tun kannst; und mach meine Schwester gesund.‘ Du wirst schon sehen, wie dich die Gottesmutter heilen wird." Nach einer letzten Morphiumspritze schlief die Kranke die ganze Nacht durch. Die Schmerzen hörten völlig auf, und innerhalb eines Monats hatte sie entgegen allen Erwartungen die zuvor verlorenen 25 kg wieder zugenommen.
Doch der junge Mann sehnte sich nach wie vor nach dem Klosterleben. Im Dezember 1935 schrieb er über den Trappistenmönch: "Seine Berufung besteht darin, dass er von der Welt und den Geschöpfen vergessen werden will, um sich in der Stille und der Demut eines Oblaten Gott zu weihen. Er will eine Opfergabe für Gott sein, aber unbemerkt von der Welt: ein leichter Schatten, der sein Leben damit verbringt, Gott intensiv und still zu lieben; er will den Seelen der ganzen Welt zur Gottesliebe verhelfen, und zwar ohne deren Wissen."
Rafaels Gesundheit hatte sich so sehr gebessert, dass er am 11. Januar 1936 ins Kloster zurückkehren durfte. Da er wegen seiner Diabetes nicht streng nach der Regel leben konnte, wurde er Oblate, d.h. er sollte nicht wie die anderen die Profess ablegen sondern nur ein Versprechen. Diese Situation war für ihn umso demütigender, als seine Seele sich mit aller Kraft nach dem Trappistenleben sehnte: den Bußübungen, der Arbeit, der Regel. Gleichwohl begriff er sein Oblatentum als eine Loslösung von seiner Berufung zum Trappisten: "Ich verdiene es nicht, Mönch zu werden. Die heilige Messe lesen? Herr, ich muss so bald vor Dir erscheinen, was macht das schon? Die Gelübde? Liebe ich Gott nicht mit aller Kraft? Wozu dann noch Gelübde? Nichts hindert mich daran, an Seiner Seite zu sein, Ihn zu lieben, still, demütig, in der Schlichtheit eines Oblaten."
Er verknüpfte seinen Oblatenstatus mit dem Mysterium der Passion Christi. Doch seine Loslösung von allem machte ihn nicht gleichgültig gegenüber den anderen; er schrieb an seinen Vater:
"Ich möchte ein sehr menschlicher Heiliger werden" und "Die Liebe zu Gott schließt die Liebe zu den Geschöpfen nicht aus".
Um ihn besser pflegen zu können, brachte man ihn auf der Krankenstation unter. Der frühere Novizenmeister war gestorben, und Rafaels Beziehung zum neuen Novizenmeister war recht schwierig. Er musste Einsamkeit und Unverständnis erdulden, da einige Mönche an den für ihn geltenden Ausnahmen von der Regel Anstoß nahmen. Glücklicherweise konnte er sich auf den Abt und auf seinen Beichtvater stützen. Anfänglich, unter der Pflege eines jungen Mitbruders, lief alles sehr gut, doch dieser wurde im Herbst 1936 zum Kriegsdienst einberufen und verließ das Kloster; sein Nachfolger zeigte viel weniger Verständnis.
Im Juli 1936 brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Rafael wurde am 29. September mobilisiert, jedoch für dienstuntauglich befunden. Viele der jungen Mönche wurden eingezogen. Rafael litt sehr darunter, dass seine Mitbrüder in den Krieg ziehen mussten, während er selbst ausgemustert war. Nach einem weiteren Aufenthalt bei seiner Familie, die in einem ruhigen Dorf in Kastilien Zuflucht gefunden hatte, kehrte er am 6. Dezember wieder ins Kloster zurück.
Am 7. Februar 1937 musste Rafael wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zum dritten Mal das Kloster verlassen, da er dort aufgrund des Krieges dort nicht mehr angemessen versorgt werden konnte. Bei seiner Abreise versicherte er: "Ich erkenne so klar Gottes Hand, dass es mir nichts ausmacht." Er kehrte zu seinen Eltern in das kastilische Dorf zurück, in dem sie sich immer noch aufhielten, und griff wieder zu Staffelei und Pinsel. Er streifte durch die Felder, sprach mit den Pächtern, informierte sich über die Ländereien seines Vaters, verbrachte viel Zeit im Freien mit der Betrachtung des Himmels, musizierte, betete den Rosenkranz. Von seiner Mutter gepflegt, besserte sich sein Zustand allmählich, obwohl die Krankheit nicht besiegt war. Er hatte nun eine weitere Schwelle überschritten: Er akzeptierte die Wirklichkeit nicht nur, er liebte sie auch so, wie sie war.
Rafael spürte, dass JESUS ihn ins Kloster zurückrief, zögerte jedoch angesichts des Leidens, das ihn dort erwartete. "Der Herr prüft mich schwer mit dieser Krankheit, die mich kommen und gehen lässt, ohne einen festen Platz zu haben, an dem ich verweilen kann: bald in der Welt, bald im Kloster; um das zu verstehen, muss man es erlebt haben." Eines Tages sagte Rafael schließlich zu seiner Mutter: "Mutter, ich muss gehen." – "Schon?", fragte sie beklommen. – "Ich muss! Morgen kehre ich ins Kloster zurück", erklärte er, bevor er am 15. Dezember wieder nach San Isidro aufbrach. Der Abschied von seiner Mutter war schmerzlich. Da sie sah, dass ihr Mann keine Reisevorbereitungen traf, fragte sie ihren Sohn: "Fährt dein Vater nicht mit?" – "Nein. Diesmal fahre ich allein."
Rafael schrieb in sein Tagebuch: "Meine Berufung besteht einzig darin, Gott zu lieben, im Opfer und im Verzicht, ohne andere Regel als den blinden Gehorsam seinem Göttlichen Willen gegenüber. Ich glaube, ich erfülle heute diesen Willen, wenn ich ohne Ordensgelübde und als Oblate den Vorgesetzten der Trappistenabtei San Isidro gehorche."
Er litt physisch und moralisch: "Sie kennen meine Berufung nicht. Wenn die Welt um das ständige Martyrium meines Lebens wüsste. Wenn meine Familie wüsste, dass mein Mittelpunkt weder das Trappistenkloster, noch die Welt, noch irgendein Geschöpf ist, sondern nur Gott, der gekreuzigte Gott. Meine Berufung heißt: leiden."
Von da an wünschte er sich nichts mehr und verzichtete auf jeden offiziellen Status: "Mir ist meine Berufung klar geworden. Ich bin kein Mönch. Ich bin auch kein Laie. Ich bin nichts. Gott sei gelobt, ich bin nichts weiter als eine Seele, die Christus liebt."
Zu Beginn der Fastenzeit 1938 kündigte Vater Abt an, er werde Rafael bald die Kukulle (das
Ordensgewand, das normalerweise den Mönchen vorbehalten ist, die ihre Profess abgelegt haben) und das schwarze Skapulier überreichen (bis dahin hatte er das weiße Skapulier der Novizen getragen). Einen Augenblick lang war Rafael außer sich vor Freude, doch schon bald fing er sich:
"Mir ist klargeworden, dass ich nicht frei von Eitelkeit bin."
Sein Beichtvater berichtete, dass er in dieser Lebensphase ganze Stunden vor dem Tabernakel verbrachte und danach ganz verklärt wirkte. Um ihn in den langen, trotz allem belastenden Stunden der Einsamkeit zu beschäftigen, erteilte man ihm Aufgaben: Kartoffeln schälen, in der Schokoladenfabrik arbeiten, Pläne und Zeichnungen für den Abt anfertigen oder Latein lernen. Doch nichts konnte ihn von seiner Liebe zu Gott ablenken. Die Tiefe seines spirituellen Lebens erschloss sich den anderen allerdings weitaus mehr als ihm selbst. Er hatte eher das Gefühl, auf der Stelle zu treten und schrieb er am 13. April: "Allerliebster JESUS, mein Gott, ich sehe, Herr, dass ich nichts für Deinen Dienst tue. Ich fürchte, ich vergeude meine Zeit. Wann werde ich endlich anfangen, Dir wirklich zu dienen, JESUS? Ich bin nutzlos und krank." Und für sich selbst fügte er hinzu: "Armer Bruder Rafael! Sei damit zufrieden, dass du dich jeden Moment um reine Absichten bemühst und Gott jeden Moment liebst; dass du alles aus Liebe und mit Liebe tust"
Am Ostersonntag, dem 17. April 1938, bekam Bruder Rafael von seinem Vater Abt das schwarze Skapulier und die Kukulle überreicht. In seiner Betrachtung von diesem Tag notierte er: "Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich mich heute nicht von Eitelkeit habe überwältigen lassen. Dennoch: JESUS allein erfüllt Herz und Seele."
Kurz zuvor hatte er einem Mitbruder geschrieben:
"Wer alles aufgibt, gibt nur wenig auf, denn er gibt nur das auf, was er eines Tages (an seinem Todestag) ohnehin aufgeben muss, ob er will oder nicht."
Es schien ihm gut zu gehen, als sein Vater ihn am 22. April besuchte und den Tag mit ihm verbrachte. Am 23. bekam er jedoch plötzlich hohes Fieber und heftige Schmerzen; er starb am Morgen des 26. April 1938 im Alter von 27 Jahren.
Am 18. September 2010 erinnerte Papst Benedikt XVI. in der Westminster-Kathedrale die Jugend an die Wohltat des Schweigens: "Ich bitte euch, jeden Tag in euer Herz zu schauen, um die Quelle aller echten Liebe zu finden. JESUS ist immer dort; ruhig wartet er auf uns, dass wir still werden bei ihm und seine Stimme hören. In der Tiefe eures Herzens ruft er euch, dass ihr Zeit mit i hm verbringt im Gebet. Aber diese Art von Gebet, von wirklichem Gebet, erfordert Disziplin; es erfordert, jeden Tag Zeit für Momente des Schweigens zu reservieren. Auch inmitten der Geschäftigkeit und dem Stress unseres Alltags müssen wir Raum schaffen für Stille, denn in der Stille geschieht es, dass wir Gott finden, und in der Stille geschieht es, dass wir unser wahres Selbst entdecken."
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