22. Februar 2020
Der heilige Paul VI. veröffentlichte am 8. Dezember 1974 das Apostolische Schreiben "Paterna cum benevolentia" und erinnerte an die Notwendigkeit der Versöhnung. Er appellierte an die Bereitschaft zur Erneuerung in Christus. Auch wir gehen in diesen Tagen auf die österliche Bußzeit zu und sehen sicherlich – horizontal wie vertikal –, wie wichtig es ist, einander zuzuhören, zu vergeben, unsere Schuld zu bekennen und auf die reiche Barmherzigkeit Gottes zu hoffen.
Paul VI. erinnerte seine Mitbrüder und die Christgläubigen daran, dass der Mensch sich "durch seine eigene Schuld von Gott entfernt" hatte und "den Frieden mit seinem Schöpfer nicht mehr wiederfinden konnte". Gott hat darum eingegriffen: "Die Versöhnung, die von Gott in Christus dem Gekreuzigten verwirklicht wurde, ist in die Weltgeschichte eingeschrieben, die zu den Ereignissen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, auch die Tatsache zählt, dass Gott Mensch geworden und gestorben ist, um ihn zu retten. Sie findet aber bleibenden geschichtlichen Ausdruck im Leibe Christi, der die Kirche ist."
Die Kirche Jesu Christi ist das Sakrament des Heils. Ist uns das bewusst? Wissen wir davon, wenn wir das Haus Gottes betreten? Spüren wir die Größe und Schönheit dieser unverdienten Gnade, wenn wir bettelnd die Sakramente der Buße und Eucharistie empfangen? Begleitet uns dieses Wissen, wenn wir über den Papst, die Bischöfe und die Kirche sprechen? Erfüllt uns die Freude darüber von innen her? Oder sind wir missmutige, übellaunige und grimmige Christen?
Paul VI. spricht von der Versöhnung, die "sich im Innern des Herzens vollzieht". Ohne diese Versöhnung bliebe das Opfer beim Gottesdienst wirkungslos. Die "gegenseitige Versöhnung" habe "teil an dem inneren Wert desselben Opfers und bildet mit ihm eine einzige Opfergabe, die Gott wohlgefällig ist". Die Kirche solle in sich versöhnt sein und eine "versöhnende Wirklichkeit" darstellen. Eine solche Versöhnung wünschen wir uns doch von ganzem Herzen, wenn wir die Spaltungen der Christenheit wahrnehmen, an die wir uns vielleicht sogar schon gewöhnt haben. Nicht anders ergeht es uns mit den Wortgefechten, von denen der "Synodale Weg" begleitet ist. Manches tut einfach nur bitter weh. Traurig ist auch, wie Papst Franziskus nun nach seinem weisen, klugen und schlicht römisch-katholischen Schreiben "Querida Amazonia" kritisiert und angegriffen wird.
Paul VI. beschreibt die Kirche als Ort der Versöhnung. Sie sei "die Stätte, wo die Vereinigung der Menschen mit Gott und ihre Einheit untereinander aufleuchten, die am Ende der Welt ihre Vollendung finden werden, nachdem sie in der Zeit in fortschreitender Weise verwirklicht worden sind". Er appelliert an die Einheit unter den Christen: "Deshalb müssen alle Gläubigen, um an den Plänen Gottes In der Welt mitzuwirken, in der Treue zum Heiligen Geist verharren." Die Sakramentalität der Kirche werde aber verdunkelt durch die Untreue vieler ihrer Glieder, ob Kleriker oder Laien, gegen den Geist Gottes. Sichtbar würden erneut "Ansätze der Untreue gegen den Heiligen Geist, die sich in unseren Tagen hier und da in der Kirche finden und sie leider von innen her zu bedrohen versuchen". Diese Ansätze erforderten Korrekturen. Abweichungen von der Lehre der Kirche müssen benannt werden. Zugleich macht der heilige Paul VI. deutlich, dass die Kirche nicht eine Gemeinschaft säkularer Revoluzzer ist. Diese werden zwar aufmerksam öffentlich wahrgenommen. Es seien aber wenige "im Vergleich zu der übergroßen Mehrheit der Gläubigen". Aber diejenigen, die vom Geist der Weltlichkeit bewegt sind, "widersetzen sich der Hierarchie, gleichsam als ob jeder Akt solchen Widerspruches ein grundlegendes Element der Wahrheit sei, das uns die Kirche wiederentdecken lässt, so wie sie Christus gegründet hat": "Sie stellen die Pflicht des Gehorsams in Frage gegenüber der Autorität, die der Erlöser gewollt hat. Sie klagen die Hirten der Kirche an, nicht so sehr wegen dessen, was sie tun oder wie sie es tun, sondern einfach, weil sie nach ihrer Meinung die Hüter eines Systems oder kirchlichen Apparates wären, der mit der Institution Christi konkurriert. Auf diese Weise bringen sie Verwirrung in die gesamte Gemeinschaft und führen die Ergebnisse dialektischer Theorien ein, die dem Geiste Christi fremd sind. Beim Gebrauch der Worte des Evangeliums verdrehen sie ihre Bedeutung."
Paul VI. nennt diese Vorgänge schmerzhaft, beklagt den "Mangel an Loyalität". Der Papst kritisiert den "theologischen Pluralismus" und "dogmatischen Relativismus". Es gebe – 1974 – auch aus der Theologie heraus "Stellungnahmen gegen das authentische Lehramt sogar des Papstes und der Hierarchie der Bischöfe". Diese aber seien die "einzigen maßgeblichen Lehrer der göttlichen Offenbarung". Bei aller Wertschätzung der Forschung sei das Lehramt der Kirche die Richtschnur: "Während dieses als nächste Norm bindend ist für den Glauben aller, schützt es auch alle gegen die subjektive Willkür jeder anderslautenden Interpretation des Glaubens." Der Papst verweist auf die Schwäche des Menschen und den Mangel an Glauben. Nur die Besinnung auf das Evangelium und auf Christus schenkt wahre Erneuerung: "Müssen wir uns vielmehr nicht alle durch das Evangelium vervollkommnen? Und wo zeigt dieses die göttlich einwohnende Kraft in voller Wirksamkeit, wenn nicht in der Kirche mit dem unterschiedslosen Beitrag aller Gläubigen?"
In der Kirche beobachtet der Papst damals wie wir heute Parteiungen, die zu einer Entzweiung der Familie Gottes führen. Er spricht von Polarisierungen, die den Keim der Auflösung mit sich führen. Zurechtweisungen seien darum bisweilen nötig. Paul VI. hofft auf eine "Dynamik der Versöhnung": "Mögen die Hirten der Kirche, wie sie auf hervorragende und sichtbare Weise Christus selbst vertreten und an seiner Statt handeln, so auch im Volke Gottes seine Liebe nachahmen und darin ausbreiten, mit der er sich aufgeopfert hat, der »die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat« (Eph 5, 25). Und sei diese ihre erneuerte Liebe ein wirksames Beispiel für die Gläubigen, an erster Stelle für die Priester und Ordensleute, die den Anforderungen ihres Amtes und ihrer Berufung nicht mehr voll entsprechen sollten, auf dass alle in der Kirche, »ein Herz und eine Seele« (vgl. Apg 4, 32), sich wieder »mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens« (Eph 6, 15) vorbehaltlos einsetzen."
Bekannt ist, wie sehr der heilige Paul VI. selbst unter den Wirrnissen der Nachkonzilszeit gelitten hat. Heute scheint es, als kehrten diese Wirrnisse in einer veränderten Form wieder. Wir leben inmitten von galligem Spott, vergifteten Diskursen und boshaften Unterstellungen. Der Zynismus der Weltlichkeit ist auch schändlich. Doch wünschen wir uns nichts mehr als den katholischen Frieden. Paul VI. weist 1974 auf einen Weg der Heiligung und Heiligkeit und zeigt die Schönheit der Bekehrung zu Christus. Er ruft auch dazu auf, die Kirche zu lieben, ihr zu folgen und ihr treu zu sein. Dazu wählt er ein Wort des heiligen Augustinus: "Liebt diese Kirche, seid in dieser Kirche, seid diese Kirche." Dieser leidenschaftliche Aufruf gilt auch uns heute.
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