Rom - Mittwoch, 5. Oktober 2016, 15:04 Uhr.
"Wir laufen Gefahr, die heiligen Geheimnisse auf gute Gefühle zu reduzieren" mahnt der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Robert Sarah, in einem Interview, in dem er an die Bedeutsamkeit der "Stille" in der Liturgie als Weg zu Gott erinnert, wie ihn auch das Zweite Vatikanische Konzil betont hat.
"Die Stille ist keine Idee; sie ist der Weg, der es uns erlaubt, als menschliche Wesen zu Gott hin zu gehen" sagte der kirchliche Würdenträger der französischen Tageszeitung "La Nef" anlässlich der Veröffentlichung seines Buches: "Die Kraft der Stille: Gegen die Diktatur des Lärms."
Der afrikanische Kardinal zögerte nicht "zu erklären, dass die heilige Stille ein grundlegendes Gesetz in der liturgischen Feier sei" die es den Gläubigen erlaube, in das gefeierte Geheimnis einzudringen. "Das Zweite Vatikanische Konzil betont, dass die Stille ein bevorzugtes Mittel ist, um die Teilnahme des Volkes Gottes an der Liturgie zu fördern" erläuterte er in einem auf englisch von The Catholic World Report veröffentlichten Interview.
Trotzdem, mahnte er, wollen einige "unter dem Vorwand, den Zugang zu Gott leicht zu machen, dass alles in der Liturgie sofort verständlich, rational, horizontal und menschlich sei. Aber auf diese Weise riskieren wir, das heilige Geheimnis auf gute Gefühle zu reduzieren."
"Unter dem Vorwand, es sei Pädagogik, erlauben einige Priester endlose Kommentare, die langweilig und mondän sind. Befürchten diese Hirten, dass das Schweigen in Gegenwart des Allerhöchsten die Gläubigen verwirren könnte? Glauben sie, dass der Heilige Geist nicht fähig sei, die Herzen für die göttlichen Geheimnisse zu öffnen und über sie das Licht der geistlichen Gnade auszugießen?" fragte er.
"Gott ist Stille, der Teufel ist laut. Von Anfang an hat Satan versucht, seine Lüge mit betrügerischer, dröhnender Geschäftigkeit zu tarnen" so die Autorität aus dem Vatikan.
In diesem Sinn wies er darauf hin, dass in unserer Epoche "der Lärm gleichsam zu einer Droge geworden ist, von der unsere Zeitgenossen abhängig sind. Mit seiner fröhlichen Erscheinung ist der Lärm ein Wirbelwind, der es verhindert, dass jeder sich selbst anschaue und sich mit seiner inneren Leere konfrontiere. Er ist eine teuflische Lüge. Das Aufwachen kann nur brutal sein."
Angesichts dessen erklärte Kardinal Sarah, dass es eine Priorität und eine "dringende Notwendigkeit" darstelle, den Sinn für die Stille wieder zu erlangen. Die wahre Revolution kommt aus der Stille, sie führt uns zu Gott und zu den anderen und so können wir ihnen demütig dienen."
Darüber hinaus sagte er, die "Stille sei der Stoff, aus dem unsere Liturgien gewebt sein sollen. Nichts in ihnen darf die Atmosphäre der Stille unterbrechen, die ihr natürliches Klima ist."
Die Stille, sagte er "stellt die Frage nach dem Wesen der Liturgie. Die Liturgie ist mystisch. Wenn wir uns der Liturgie mit einem lärmenden Herzen nähern, wird sie eine menschliche, oberflächliche Erscheinungsform haben. Die liturgische Stille ist eine radikale, wesentliche Haltung; sie ist eine Bekehrung des Herzens."
Diesbezüglich fragte Kardinal Sarah: "Wie können wir diese Haltung einnehmen, außer dadurch, dass wir uns alle zusammen, der Priester und die Gläubigen, körperlich dem Herrn zuwenden, der kommt, nach Osten, wie es die Apsis symbolisiert, wo das Kreuz als Thron steht?"
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Der kirchliche Würdenträger versicherte, dass "die äußere Ausrichtung uns zu einer inneren Ausrichtung bringt, welche sie ausdrückt. Seit apostolischer Zeit waren die Christen mit dieser Art zu beten vertraut. Es geht nicht darum, dem Volk den Rücken zu kehren oder es anzusehen, sondern darum, nach Osten, ad Dominum, zum Herrn hin zu blicken."
Für den afrikanischen Kardinal "fördert diese Form das Schweigen". Indem er auf den Herrn blickt, "ist der Zelebrant weniger versucht, ein Professor zu sein, der die ganze Messe über eine Vorlesung hält und den Altar zu einem Podium reduziert, auf dem nicht das Kreuz, sondern das Mikrofon im Zentrum steht!"
Der Priester "muss sich daran erinnern, dass er nur ein Werkzeug in den Händen Gottes ist" und dass "unsere menschlichen Worte lächerlich sind im Vergleich zum einzigen ewigen Wort."
Kardinal Sarah erklärte, dass diese "legitime und wünschenswerte Form nicht wie eine Revolution auferlegt werden darf." Auch wenn es die Katechese an vielen Orten "erlaubt hat, dass die Gläubigen diese Ausrichtung annehmen und schätzen", so darf dies doch nicht dazu führen, "Anlass eines ideologischen Zusammenpralls verschiedener Gruppen" zu sein, denn wir "sprechen hier über unsere Beziehung zu Gott".
"Wie ich bereits vor Kurzem Gelegenheit hatte, in einem privaten Interview mit dem heiligen Vater zu sagen, handelt es sich hier nur um aufrichtige Anregungen eines um das Wohl der Gläubigen besorgten Hirten. Ich habe nicht die Absicht, eine Handlungsart gegen die andere zu stellen. Wenn es physisch nicht möglich ist, ad orientem zu zelebrieren, so ist es absolut von Nöten, gut sichtbar auf den Altar ein Kreuz als Bezugspunkt für alle zu stellen. Christus am Kreuz ist der christliche ´Osten´", erläuterte er.
Auch verteidigte der Kardinal die Kontinuität mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und betonte, dass es "Zeit sei, uns vom Konzil unterweisen zu lassen, statt es zu instrumentalisieren, um unsere Besorgnis hinsichtlich der Kreativität zu rechtfertigen oder unsere eigenen Ideologien durch den Gebrauch der heiligen Waffen der Liturgie zu verteidigen."
Das Konzil neu zu lesen "wird es uns erlauben, zu vermeiden, dass die Gabenbereitung verunstaltet wird durch Vorführungen, die mehr mit Folklore als mit Liturgie zu tun haben."
Hinsichtlich seiner Aussagen in der Vergangenheit über eine "Reform der Reform" sagte Kardinal Sarah, dass "die Liturgie stets reformiert werden müsse, um ihrem mystischen Wesen immer mehr zu entsprechen. Was ´Reform der Reform´ genannt wird und was wir manchmal ´gegenseitige Bereicherung der Riten´ nennen – um einen Ausdruck aus dem Lehramt Benedikts XVI. zu gebrauchen – ist eine Notwendigkeit. Daher betrifft sie beide Formen des römischen Ritus."
Deshalb ermahnte er "keine Zeit zu verschwenden, indem wir eine Liturgie der anderen entgegenstellen, oder den Ritus des heiligen Pius V. dem des seligen Pauls VI. Der Liturgie zu schaden bedeutet, unserer Beziehung mit Gott und dem Ausdruck unseres christlichen Glaubens zu schaden" fügte er hinzu.
Der Kardinal erinnerte auch daran, dass "der Teufel will, dass wir vor dem wahren Sakrament der Einheit und Kommunion gegeneinander stehen".
"Diese Zeit des Misstrauens, der Verachtung und des Argwohns möge aufhören. Es ist Zeit, das eine katholische Herz wieder zu entdecken. Es ist Zeit, zusammen die Schönheit der Liturgie neu zu entdecken" betonte er.