Zum Erbe und Vermächtnis des heiligen Papstes Johannes Paul II. gehören die von 1979 bis 1984 gehaltenen 133 Katechesen über die „Theologie des Leibes“. Er sprach über das christliche Menschenbild, über die Bipolarität und Zusammengehörigkeit der Geschlechter sowie über die Sendung der christlichen Familie im Dienst Gottes.

In der letzten Katechese sagte der Papst, die „Zukunft des Menschen auf der Erde“ hänge von der Familie ab – und damit meinte er die von Gott und mit Kindern gesegnete Ehe von Mann und Frau, die im Glauben der Kirche verwurzelt, einander in Liebe zugetan und gemeinsam in der Hoffnung auf Vollendung auf den Spuren des Herrn unterwegs ist.

Heute beginnt mit diesem Text eine neue Reihe an Betrachtungen, die eng mit den vorherigen Darlegungen zur kirchlichen Morallehre von „Gaudium et spes“ bis heute verknüpft und dem Schatz des Glaubens verbunden ist, den die Kirche des Herrn zu hüten und zu verkünden bestellt ist. Einzelne Aspekte, Gedanken und wegweisende Worte von Johannes Paul II. werden somit neu vorgestellt werden – Überlegungen, die der heilige Papst an seine Zeit und Zuhörer adressiert hatte, die aber auch für unsere Zeit bedenkenswert sind und reiche Frucht bringen können.

Johannes Paul II. erinnert an die Geschöpflichkeit des Menschen, der von Gott ins Sein gerufen, gebildet und geformt wurde, der sich dem unbedingten „Ja“-Wort dessen, der die Welt erschuf, verdankt, geschaffen als Mann und Frau. Die Wurzeln der Identität sind biologisch, sie sind mitnichten beliebig gestaltbar oder neu zu modellieren. Für postmodern gesinnte Leser mag das verstörend anmuten. Darf ich mir heute nicht selbst meine Identität, mein Geschlecht wählen? Bin ich nicht so frei und von der Materie gleichsam losgelöst, dass ich kraft meines Willens, meiner Philosophie und meiner Vorstellungen selbst entscheiden darf, welche Identität und welches Geschlecht ich annehme? Darf ich nicht leben und lieben, ganz so, wie es mir richtig erscheint? Muss die Kirche dann nicht auch dazu und zu allem ihren Segen geben?

Immer wieder sehen wir in den gegenwärtigen Diskursen und Diskussionen die Sorge um ein streitbares, kämpferisches Ich, das sich lösen, befreien will und neu erfinden möchte. Überhaupt scheint das Individuum und seine Ansichten den Fokus auf sich selbst zu richten, auf die eigene Existenzweise, auf die Durchsetzung des Willens, auf Karriere und Leistung, auf das, was oft auch Emanzipation genannt wird. Der Subjektivismus herrscht vor, die „Diktatur des Relativismus“, wie dies Kardinal Joseph Ratzinger in der Predigt zur Eröffnung des Konklaves vor seiner Wahl zum Stellvertreter Christi auf Erden sagte.

Im Namen dieses Subjektivismus scheint nichts wichtiger zu sein als das Ich, seine Erwartungen und seine Wünsche, die dann bis in Dimensionen hineinreichen, die noch vor vielen Jahren unvorstellbar waren: die Selbstermächtigung über die Wahl des Geschlechtes, die Herrschaft über den eigenen Leib.

Doch wird ein Mensch, von philosophischen Ideen und zeitgenössischen Vorstellungen, von der eigenen Unsicherheit und dem Veränderungswillen getrieben, auf diese Weise frei, wenn er sich selbst absolut setzt – mitten in dieser Welt, in allem? Dieser Weg der Selbstverwirklichung ist ein Weg der Abwendung – vom Nächsten und von Gott.

Darum sind die oft zitierten Worte von Johannes Paul II. so sehr erhellend: „Der Mensch wird nicht so sehr im Augenblick seines Alleinseins als vielmehr im Augenblick der Gemeinschaft zum Abbild Gottes.“

Vielleicht sehen wir darin auch die prophetische Kraft und erleuchtete Klarheit, mit der der Papst den Blick schärft, dass der Mensch nicht dazu berufen ist, eine isolierte Existenz, einen wie auch immer kolorierten Subjektivismus vorzuleben und aufzubauen, dass er nicht dazu bestimmt ist, sich in einem umfassenden Sinn selbst zu bestimmen – inklusive des Geschlechtes –, sondern als Wesen geschaffen wurde und geliebt wird, auch in seiner Schwäche und Gebrechlichkeit, vom Augenblick der Empfängnis an bis in die Sterbestunde hinein, und dazu erwählt ist, sich dem Mitmenschen zu öffnen, sich als Ehemann der Ehefrau hinzugeben und umgekehrt, sich fortzupflanzen und die Kinder, Abbilder Gottes, in der Gemeinschaft der Familie leibhaftig willkommen zu heißen, in den Glauben der Kirche einzuführen, sie zu hüten, zu erziehen, für sie zu sorgen und der Sendung in der Welt von heute zu entsprechen.

Auf diesen Weg weist der heilige Johannes Paul II. in der Katechese 122 hin, wenn er gewissermaßen zusammenfassend bemerkt: „Die Theologie des Leibes ist nicht nur eine Theorie, sondern enthält eine ganz bestimmte, dem Evangelium gemäße christliche Pädagogik des Leibes. Das leitet sich ab aus der Eigenart der Bibel, vor allem des Evangeliums. Als Heilsbotschaft offenbart sie das, was das wahre Wohl des Menschen ist, mit dem Ziel, das Leben auf Erden – nach der Maßgabe dieses Wohles – unter dem Gesichtspunkt der Hoffnung auf die zukünftige Welt auszuformen.“

Diese „Theologie des Leibes“, die einen Weg der Heiligkeit beschreibt, soll von heute an jeden Samstag erkundet, bedacht und vertieft vorgestellt werden, stets auch mit Blick auf unsere Zeit und mit Anregungen für ein christliches Leben, das im Glauben der Kirche aller Zeiten und Orte verwurzelt ist und so die Liebe Gottes bezeugt.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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