Allein schon, dass Johannes Paul II. vom „Geheimnis der Schöpfung“ spricht – so in der Katechese „Die ‚bräutliche‘ Gemeinschaft als Geschenk des Schöpfers“ vom 2. Januar 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/2) – macht die behutsame Annäherung deutlich, die so gänzlich im Gegensatz steht zu allem instrumentellen Denken und jeglichem Exhibitionismus, insbesondere auch zur die Würde des Menschen konterkarierenden Pornografie. Insoweit ist die „Theologie des Leibes“, ähnlich wie die Enzyklika Humanae Vitae von Paul VI., ein wichtiges, unverzichtbares Korrektiv zu den Strömungen der Zeit, und gerade deswegen, so scheint es, wird die Moral- und Sexuallehre der Kirche, die auf dem Evangelium fußt, von den säkularen Aufklärern angegriffen und verhöhnt.

Mann und Frau sehen einander im „Geheimnis der Schöpfung“, doch was heißt das? Johannes Paul II. führt aus: „Sie sehen sich so, noch bevor sie erkennen, dass sie nackt sind. Dieses gegenseitige Sich-Sehen ist nicht nur eine Teilnahme am äußeren Erfassen der Welt, sondern auch eine innere Teilhabe an der Schau des Schöpfers selbst. An jener Schau, von der der Bericht des ersten Kapitels mehrmals spricht: ‚Gott sah, dass alles, was er gemacht hatte, sehr gut war‘ (Gen 1,31). Die Nacktheit bezeichnet das ursprüngliche Gut der Anschauung Gottes. Sie bedeutet die ganze Einfachheit und Fülle jener Anschauung, durch die sich der reine Wert des Menschen als Mann und Frau kundtut, der reine Wert des Körpers und der Geschlechtlichkeit.“

Es gebe weder einen Bruch noch einen Gegensatz „zwischen Spirituellem und Sinnlichem“. Die „ursprüngliche Offenbarung des Körpers“ kenne auch keinen Gegensatz „zwischen dem, was vom Menschen her die Person ausmacht, und dem, was im Menschen vom Geschlecht her bestimmt ist: nämlich Mann und Frau zu sein“: „Indem sie sich gegenseitig gleichsam im Geheimnis der Schöpfung sehen, erblicken sich Mann und Frau noch vollständiger und klarer als durch den bloßen Gesichtssinn, d. h. durch die Augen des Körpers. Tatsächlich sehen und erkennen sie sich im vollen Frieden des inneren Blickes, der gerade die Fülle der Innerlichkeit von Personen ausmacht.“

Einander liebend sehen, dies kennzeichnet Johannes Paul II. hier als große Klarheit und Schönheit in der zwischenmenschlichen, gegengeschlechtlichen Begegnung, im Wissen darum, dass dieser „Frieden des inneren Blickes“ auch in einer ganz weltlichen Schönheit des Anschauens und Lächelns – einander zugewandt – sich andeuten, mitteilen und Ausdruck gewinnen kann. Mann und Frauen sehen einander und sehen sich auf diese Weise ganz: „Indem sie sich selbst in voller Ruhe und Ausgeglichenheit des inneren Blickes sehen und erkennen, teilen sie sich einander in der Fülle der Menschlichkeit mit, die sich in ihnen gerade deswegen als gegenseitige Ergänzung ausdrückt, weil sie Mann und Frau sind.“

„Zugleich teilen sie sich gegenseitig aufgrund jener Personengemeinschaft mit, in der sie durch ihr Mann- und Frau-Sein zum Geschenk des einen an den anderen werden. Auf diese Weise erreichen sie in der Gegenseitigkeit ein besonderes Verständnis der Bedeutung des eigenen Leibes.“ Die „Einfachheit und Fülle der Schau“, in der die „ursprüngliche Bedeutung der Nacktheit“ liegt, weist auf das „Verständnis für die Bedeutung des Körpers“ hin, die Johannes Paul II. „‚bräutlich‘ nennen“ möchte.

Von hier ausgehend soll eine geeignete, angemessene biblische Anthropologie entfaltet werden, „die bemüht ist, den Menschen in dem zu verstehen und zu deuten, was wesentlich menschlich ist“, fernab einer evolutionistischen Verkürzung: „Die biblischen Texte enthalten die wesentlichen Elemente einer solchen Anthropologie, welche sich im theologischen Kontext des Abbildes Gottes kundtun. Dieser Begriff birgt die eigentliche Wurzel der Wahrheit unter den Menschen, die durch jenen Anfang sichtbar wurde, auf den sich Christus in seinem Gespräch mit den Pharisäern beruft (vgl. Mt 19,3–9), wenn er von der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau spricht. […] Der Mensch, den Gott als Mann und Frau erschaffen hat, trägt von Anfang an das Bild Gottes in seinem Leib eingeprägt; Mann und Frau stellen gleichsam zwei verschiedene Arten des menschlichen Leibseins in der Einheit jenes Bildes dar.“

Johannes Paul II. skizziert sodann die Grundlagen einer „Hermeneutik des Schenkens“, die im „Herzen des Schöpfungsgeheimnisses“ verankert ist und sich als für die Theologie des Leibes in besonderer Weise wertvoll und wesentlich erweist. Die Liebe ist im Schöpfungsgeheimnis verwurzelt, und Schöpfung bedeute im Buch Genesis „nicht nur ein Herausrufen aus dem Nichts ins Dasein, die Erschaffung der Welt und des Menschen in der Welt, sondern nach dem ersten Bericht ‚beresit bara‘ auch Geschenk; ein fundamentales und radikales Geschenk, das heißt ein Schenken, bei dem das Geschenk aus dem Nichts hervorgeht“.

Die Erschaffung der Welt zeigt die Verbindung von Allmacht und Liebe an: „Infolgedessen trägt jedes Geschöpf in sich das Zeichen des ursprünglichen und fundamentalen Geschenks. Dennoch kann sich dabei der Begriff des Schenkens nicht auf ein Nichts beziehen. Er bezeichnet den, der schenkt, und den, der das Geschenk empfängt, sowie die Beziehung, die zwischen beiden entsteht. Diese Beziehung ergibt sich nun aus dem Schöpfungsbericht in dem Augenblick, da der Mensch erschaffen wird. Sie zeigt sich vor allem in der Formulierung: ‚Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn‘ (Gen 1,27).“

Dem Menschen ist die sichtbare Welt geschenkt, und der Mensch, als Abbild des Schöpfers, vermag den „Sinn des Geschenkes“ zu verstehen: „Er ist fähig, dieses Verstehen dem Schöpfer gegenüber auszudrücken. Wenn wir so den Schöpfungsbericht deuten, können wir daraus schließen, dass die Schöpfung das fundamentale und ursprüngliche Geschenk darstellt: der Mensch erscheint in der Schöpfung als derjenige, der die Welt zum Geschenk erhalten hat; umgekehrt kann man auch sagen, dass die Welt den Menschen zum Geschenk erhalten hat.“ Das Geschöpf Mensch erhält sodann in der Welt einen anderen Menschen als Geschenk – und von hier aus erschließt sich die „Bedeutung des menschlichen Leibes“, über die Johannes Paul II. im Fortgang weiter nachdenken möchte.

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