Johannes Paul II. denkt in der Katechese vom 4. Juni 1980 über die Zerstörung der ursprünglichen Gemeinschaft von Mann und Frau nach (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/24). Im gegenseitigen Verhältnis habe sich die Scham verändert, und so gelte es zu betrachten, wie der „unersättliche Drang nach Vereinigung“, die personale Gemeinschaft, ausgedrückt wird, denn „es ist, als ob der Leib nicht mehr länger das ‚unverfälschte‘ Mittel der Gemeinschaft zwischen Personen“ bildet, „als ob seine ursprüngliche Funktion im Bewusstsein des Mannes und der Frau angezweifelt würde“: „Schlichtheit und Reinheit der ursprünglichen Erfahrung, die eine einzigartige tiefe Verbindung miteinander ermöglichen, gehen verloren.“

Die Einfachheit und Unmittelbarkeit der Gemeinschaft bestand nach dem Sündenfall nicht mehr: „Gleichsam plötzlich erhob sich in ihrem Bewusstsein eine unüberwindliche Schwelle, die die ursprüngliche Selbsthingabe an den anderen aufhebt, die im vollen Vertrauen auf alles, was die eigene Identität und zugleich Verschiedenheit als Mann und als Frau ausmacht, geschah. Der Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht wurde jäh empfunden und als Gegensatz der Personen verstanden.“

Die Differenz tritt ins Bewusstsein: „Den Verlust der Fähigkeit zu voller gegenseitiger Gemeinschaft, der sich in der sexuellen Scham äußert, lässt uns besser den ursprünglichen Wert der Bedeutung des Körpers als einigendes Element begreifen. Man kann den Verlust dieser Fähigkeit, d. h. die Scham, nur von der Bedeutung her verstehen, die der Körper in seiner Weiblichkeit und Männlichkeit zuvor für den Menschen im Zustand der Urunschuld hatte. Diese einigende Bedeutung gilt nicht für die Einheit, die Mann und Frau als Eheleute darstellen, indem sie durch den ehelichen Akt ‚ein Fleisch‘ werden (Gen 2,24), sondern gilt auch für die Gemeinschaft der Personen selbst, die im Schöpfungsgeheimnis eine Dimension war, die der Existenz des Mannes und der Frau eigen ist. Der Körper in seiner Männlichkeit und Weiblichkeit bildete das besondere Mittel dieser personalen Gemeinschaft.“

Die ursprüngliche Gewissheit, dass der Körper des Menschen durch Männlichkeit und Weiblichkeit der Weg zur Gemeinschaft der Personen und ihrer Verwirklichung ist, ist verloren. Die sexuelle Scham bezeuge dies: „Wenn der Mensch nach dem Sündenfall sozusagen das Empfinden für seine Gottebenbildlichkeit verloren hatte, so äußerte sich das im körperlichen Schamgefühl (vgl. besonders Gen 3,10–11). Die Scham, die das gesamte Verhältnis zwischen Mann und Frau erfaßte, zeigte sich im Verlust des ursprünglichen Sinnes der leiblichen Einheit, das heißt des Körpers als besonderem Mittel der Gemeinschaft der Personen. Es ist, als wäre die personale Ausprägung der Männlichkeit und der Weiblichkeit, die vorher die Bedeutung des Körpers für eine volle Gemeinschaft der Personen unterstrich, dem sexuellen Empfinden gegenüber dem andersgeschlechtlichen Menschen gewichen; als würde die Geschlechtlichkeit zum Hindernis der personalen Beziehung des Mannes zur Frau.“

Der Mensch der Begierde unterscheidet sich vom Menschen der ursprünglichen Unschuld. Die „fleischliche Begierde“ erfasst ihn. Die Begierde, die rein weltlich ist, „trägt in sich die gewissermaßen grundlegende Schwierigkeit, die Bedeutung des eigenen Körpers zu verstehen; und das nicht nur für den eigenen subjektiven Bereich, sondern noch mehr für den subjektiven Bereich des anderen Menschen: der Frau gegenüber dem Mann, des Mannes gegenüber der Frau“. Daher stamme das Bedürfnis, vor dem anderen das zu verbergen, was körperlich die Weiblichkeit oder Männlichkeit ausmache: „Dieses Bedürfnis beweist das wesentliche Fehlen des Vertrauens, was die Erschütterung der ursprünglichen Gemeinschaft anzeigt.“

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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