11. Januar 2025
Die Scham ersetze, so Johannes Paul II. in der Katechese vom 18. Juni 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/26), das „absolute Vertrauen“, das zu Anfang bestanden habe. Die Beziehung zwischen Mann und Frau hat sich also grundlegend verändert. Im Buch Genesis wird von den Geburtswehen der Frau gesprochen, und in Gen 3,16 wird auch charakterisierend gesagt, dass die Frau den Mann begehren, er aber über sie herrschen würde.
Johannes Paul II. weist den Gedanken einer „sozialen Unterordnung oder Ungleichheit“ ab. Es werde vielmehr hingewiesen auf eine „Form der Ungleichheit [...], welche die Frau als Fehlen der vollen Einheit im weiteren Sinn der Einheit mit dem Mann empfinden wird“: „Die Worte Gott-Jahwes: ‚Dennoch verlangt dich nach dem Mann, doch er wird über dich herrschen‘ (Gen 3,16) betreffen nicht ausschließlich den Vorgang der Vereinigung von Mann und Frau, wenn beide sich so aneinander binden, dass sie ein Fleisch werden (vgl. Gen 2,24); sie beziehen sich vielmehr auf den ganzen Zusammenhang auch der indirekten Beziehung der ehelichen Verbindung. Zum ersten Mal wird der Mann hier als Ehemann bezeichnet. Im Kontext des jahwistischen Berichtes sind diese Worte vor allem als Übertretung, als grundlegender Verlust der ursprünglichen personalen Gemeinschaft und Verbundenheit zu verstehen. Diese hätte Mann und Frau gegenseitig glücklich machen sollen durch das Bemühen um eine einfache und reine Verbindung im Menschsein, durch die gegenseitige Selbsthingabe, das heißt die Erfahrung der Hingabe der Person, die mit Seele und Leib, mit Männlichkeit und Weiblichkeit (‚Fleisch von meinem Fleisch‘, Gen 2,23) zum Ausdruck kommt, und schließlich durch die Unterordnung dieser Vereinigung unter den Segen einer Fruchtbarkeit durch ‚Nachkommenschaft‘.“
Durch die Begierde aber werde die „ursprünglich beglückende personale eheliche Vereinigung im Herzen des Menschen“ entstellt: „Die Frau, die es ‚nach dem Mann verlangt‘ (vgl. Gen 3,16), und der Mann, der dieses Verlangen erwidert – wir lesen: ‚er wird über dich herrschen‘ –, bilden zweifellos dasselbe menschliche Ehepaar, von dem in Genesis 2,24 die Rede ist, ja dieselbe personale Gemeinschaft: und doch sind sie nun irgendwie verschieden. Sie sind nicht nur zur Verbundenheit und Einheit berufen, sondern werden von einer Unersättlichkeit nach jener Verbundenheit und Einheit geradezu bedroht, die nicht aufhört, Mann und Frau gegenseitig anzuziehen, eben weil sie Personen sind, die von Ewigkeit her zur Existenz in Gemeinschaft berufen sind.“
Verändert sich aber durch die Herrschaft des Mannes über die Frau die Struktur der personalen Gemeinschaft in der zwischenmenschlichen Beziehung? Weist dieses Wort über die Herrschaft aus Gen 3,16 nicht auf das hin, was im ersten Johannesbrief als „Begierde der Augen“ und „Prahlen mit dem Besitz“ (1 Joh 2,16) bezeichnet ist? Überträgt also, so erwägt Johannes Paul II., der Begriff der Herrschaft „nicht in die Dimension dieser Struktur etwas, was das menschliche Wesen in gewisser Hinsicht zu einem begehrlichen Gegenstand für das Auge macht?“
Weiter sagt der Papst und weist damit auf die kommenden Katechesen voraus: „Jene Worte, die an der Schwelle der Menschheitsgeschichte nach dem Sündenfall ausgesprochen wurden, enthüllen uns nicht nur die äußere Lage des Mannes und der Frau; sie erlauben uns auch, in die tiefen Geheimnisse ihres Herzens vorzudringen.“
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