Wenn am heutigen Samstag die Pfingstwoche zu Ende geht, soll noch einmal ein Satz aus dem bekannten Pfingstbericht der Apostelgeschichte zum Gegenstand der Betrachtung werden.

Dort heißt es ja, dass "in Jerusalem fromme Männer wohnhaft waren, aus jedem Volk unter dem Himmel." Mit einem vielsagenden Augenzwinkern dürfen wir sicher davon ausgehen, dass auch Frauen und Kinder mit dabei waren, und diese bestimmt nicht weniger fromm! Bedeutungsvoll heißt es dann, dass alle Menschen, die den Aposteln bei ihrer geisterfüllten Predigt lauschten, sie "in ihrer eigenen Sprache reden" hörten. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Sprachenwunder des Pfingstereignisses und erinnern uns vielleicht an jene babylonische Sprachverwirrung als Folge des Hochmuts der Menschen, die einen Turm bauen wollten, dessen Spitze in den Himmel ragen sollte.

Wo Menschen ihrer Ruhmsucht und Eitelkeit folgen, sich einen Namen machen und gegenseitig übertreffen wollen, sprechen sie nicht mehr in einer Sprache, die auf Verständigung und Dialog angelegt ist. Die junge Kirche hatte mit ihrer Verkündigung gerade dadurch Erfolg, dass sie nicht von sich, sondern von den Wundern Gottes in Jesus Christus redete, von der Erlösung und von den befreienden Erfahrungen der gegenseitigen Liebe. Dies ist eine unzerstörbare Hoffnung in jedem Menschen, und eben diese Sprache des Herzens ist gemeint, wenn gesagt wird, dass jeder die Apostel in seiner eigenen Sprache reden hörte. Das Pfingstwunder ist kein Phänomen der Linguistik, sondern ein Ereignis der tiefgreifenden menschlichen Verständigung in der gemeinsamen Sehnsucht nach Wahrheit, nach Sinn, nach Vollendung.

Auf unseren Alltag übertragen könnte dies bedeuten, dass wir wieder zuhören lernen, bevor wir reden oder gar belehren. Dass wir uns bemühen, die Gedankenwelt, die Hoffnungen, also die Sprache unseres Gegenübers zu lernen und dabei auch auf die Herztöne achten, auf das Unausgesprochene oder das noch nicht zum verständlichen Wort Gereifte. Wie immer, wenn es darum geht, eine neue Sprache zu lernen, braucht es Geduld und ein aufrichtiges Interesse an der Weltanschauung und Grammatik, die mit einer anderen Sprache einhergehen. Dazu gehört wohl auch die respektvolle Einsicht, dass das, was uns selbst fremd oder befremdlich erscheinen mag, für den anderen Menschen seine Muttersprache ist, seine Welt, seine Kultur.

Man kann die Verbreitung des Christentums, das in kürzester Zeit den vielsprachigen Mittelmeerraum erfasste, nicht anders erklären, als dass die verkündete Botschaft den Menschen zu Herzen hing. Nicht Schwert und Gewalt waren die überzeugenden Mittel, sondern ein glaubwürdiges Leben und eine liebende Ausrichtung auf alles Menschliche. "Der Mensch ist der Weg der Kirche" hat es Papst Johannes Paul II. in seinem ersten Lehrschreiben formuliert.

Von jeder und jedem von uns hängt es ab, ob unser "mission statement", unser Zeugnis der Liebe, so zum Ausdruck gebracht wird, dass jede und jeder es "in ihrer eigenen Sprache" vernehmen können.

Dies ist der abschliessende Beitrag des "Blogs in der Pfingstwoche". Klicken Sie hier, um eine Übersicht über alle Impulse zur Pfingstwoche zu finden.

Monsignore Wolfgang Sauer ist Ehrendomkapitular der Erzdiözese München und Freising und war u. a. langjähriger Geistlicher Direktor des Instituts zur Förderung des Publizistischen Nachwuches (IFP), Missionsdirektor der Erzdiözese Freiburg und Mitglied verschiedener Gremien und Verwaltungsräte katholischer Hilfswerke.

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