Was die katholische Soziallehre zur digitalen Währung Bitcoin sagt

Bitcoin (Symbolbild)
Erling Løken Andersen / Unsplash

Bitcoin, das digitale Geld in einem dezentral aufgestellten Netzwerk, hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Wandlung vollzogen: Von einem Nischen-Produkt einiger Aktivisten für die digitale Privatsphäre („Cypherpunks“) zu einem global beachteten Finanzinstrument. Blackrock, der größte Vermögensverwalter der Welt, hat nach anfänglicher Skepsis Bitcoins Rolle im globalen Finanzsystem anerkannt und in sein Produktportfolio integriert. Der Chef von Blackrock, Larry Fink, hatte sich intensiv mit Bitcoin beschäftigt und gab schließlich öffentlich zu: „Meine Meinung von vor fünf Jahren war falsch. Heute sehe ich Bitcoin als legitimes Finanzinstrument an.“

Neben Privatpersonen kaufen immer mehr Institutionen Bitcoin als Absicherung gegen Inflation und Währungsrisiken. Stetig wächst die Zahl von Unternehmen und börsennotierten Firmen, die Bitcoin als strategischen Vermögensgegenstand für die Liquiditätssicherung einsetzen. Parallel dazu diskutieren Staaten auf der ganzen Welt, ob die digitale Währung Teil ihrer strategischen Reservesysteme werden kann. Auch in Zentralbanken wird über die Möglichkeit nachgedacht, einen Teil der Währungsreserven in Bitcoin zu halten. Auf der ganzen Welt kann man eine immer schnellere Entwicklung hin zu einer weiteren Legitimierung von Bitcoin als Vermögensgegenstand beobachten.

Aus christlicher Perspektive spielt die Stabilität des Geldes eine wichtige Rolle. Stabiles Geld ist eine Voraussetzung für den gerechten Tausch und für saubere wirtschaftliche Kalkulation. In der Vergangenheit haben dafür Edelmetalle wie Gold und teilweise auch Silber gute Dienste geleistet. Heute befinden wir uns in einer Welt, in der die Geldeinheiten beliebig vermehrbar sind. Deswegen spricht man von einem „Fiat-Geldsystem“, was bedeutet, dass Geld aus dem Nichts geschaffen werden kann. Zentralbanken haben den offiziellen Auftrag, für Geldwertstabilität zu sorgen. Die Möglichkeit des Missbrauchs der Fähigkeit, Geld aus dem Nichts zu schaffen, ist aber gegeben: Problematische Felder sind hier die hohen Inflationsraten der letzten Jahre, die sich aber verlangsamen, und die an sich verbotene Staatsfinanzierung.

Bitcoin erfüllt das Kriterium, dass es nicht beliebig vermehrbar ist, da sein Protokoll höchstens 21 Millionen Einheiten zulässt. Damit bricht Bitcoin mit der Logik des „weichen“ Fiatgeldes. Das ist der Kern der Philosophie, die hinter dem Bitcoin-Netzwerk liegt: Die in der Menschheitsgeschichte einmalige Entdeckung absoluter Knappheit, die Zensurresistenz und der völlige Ausschluss der Möglichkeit des Missbrauchs. Bei Bitcoin vertraut man dem Protokoll und der Mathematik, niemand kann von der Nutzung des Netzwerkes ausgeschlossen werden. Im etablierten Geldsystem muss man Institutionen und Menschen vertrauen und ist auf ihr Wohlwollen angewiesen.

Eine Währung, die nicht inflationär entwertet werden kann, dürfte näher an biblischen Vorstellungen von „rechten Gewichten und Waagschalen“ zu liegen, wie sie etwa in den Sprüchen des Alten Testaments gefunden werden. Auch wenn sich Zentralbanken weltweit um moderate Inflationsraten bemühen, so ist die Tendenz zu einer Geldentwertung unübersehbar. Dabei müsste die Frage diskutiert werden, wie der technische Fortschritt den Menschen dienen soll: Durch technische Innovationen werden Produkte preiswerter. Die damit einhergehende Deflation würde in einem System knappen Geldes allen Menschen zu Gute kommen, und das wäre ein wichtiger Beitrag zum Gemeinwohl. Weil Zentralbanken eine niedrige und entschieden positive Inflationsrate anstreben, wird eine Senkung von Preisen systematisch verhindert.

Inflation ist aus katholischer Sicht nicht nur ein ökonomisches Phänomen, sondern auch eine höchst ethische Frage. Hohe Inflationsraten führen dazu, dass die Menschen kurzfristiger denken, weil sie ihr Geld zügig in wertstabilere Güter umsetzen müssen. Inflation schadet ärmeren Bevölkerungsgruppen, Familien und Sparern, während Finanzakteure und Staaten profitieren. Insofern entspricht Bitcoin dem Anliegen, eine an der gesellschaftlichen Solidarität orientierte Geldordnung zu fördern.

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In den Vereinigten Staaten ist die Staatsverschuldung stetig gewachsen und hat aktuell ein Niveau von über 36 Billionen US-Dollar erreicht. Gleichzeitig steigen die Zinszahlungen rapide, was den fiskalischen Spielraum einschränkt und das Vertrauen in das Dollar-System untergräbt. Aktuell wird seitens der Trump-Administration heftige Kritik am Notenbankchef Jerome Powell geübt, weil er nicht bereit ist, die Zinsen zu senken und damit die fiskalische Lage zu entspannen. Ob die Kritik gerechtfertigt ist, sei dahingestellt – eindeutig erkennbar ist jedenfalls der Druck, der auf die formal unabhängige Institution der Notenbank ausgeübt wird.

Auch Deutschland steht perspektivisch vor einer erneuten Staatsschuldendebatte. Die Belastungen aus der Vergangenheit und zusätzlichen Schulden („Sondervermögen“) in der Größenordnung von hunderten Milliarden Euro treiben die Haushaltsrisiken nach oben. Zwar liegt die Verschuldungsquote hier aktuell unter jener der USA, aber auch deutsche Bürger und Unternehmen könnten künftig verstärkt nach Möglichkeiten suchen, ihr Vermögen vor Entwertung zu schützen.

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Vor diesem Hintergrund stellt sich für Christen die Frage: Dürfen und sollen Gläubige ihr Eigentum in Bitcoin transferieren, um sich gegen eine Geldentwertung zu wappnen? Die Soziallehre der Kirche lehrt, den staatlichen Institutionen grundsätzlich zu vertrauen. Gleichzeitig weist das Prinzip der Subsidiarität auf die Bedeutung der Eigenverantwortung hin. Der Schutz des privaten Vermögens durch die Investition in Bitcoin entspricht dem Subsidiaritätsgedanken: Selbsthilfe durch Tausch der eigenen Ersparnisse in einen nicht beliebig vermehrbaren Wertspeicher. Genau das kann sogar dem Gemeinwohl dienen, weil es den Wettbewerb fördert: Zentralbanken sind nun vermehrt angehalten, eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zu betreiben, weil sonst eine weitere Flucht aus dem etablierten Geldsystem droht. Die geldpolitische Disziplin verhindert auch, dass sich Staaten über die Maße verschulden können.

Eine Investition in Bitcoin im Sinne der Übernahme von Verantwortung für das eigene Vermögen ist eine ethisch legitime Strategie, sowohl für Privatpersonen als auch für Institutionen wie Unternehmen oder Staaten. Doch Bitcoin birgt auch Risiken: Die Volatilität des Kurses kann bei kurzfristigen Investitionen zu Verlusten führen. Über eine mittelfristige Haltedauer der Bitcoins von vier Jahren wurden in der Vergangenheit nie Verluste verzeichnet. Dies ist aber keine Garantie für die Zukunft; deswegen gehört es bei der Übernahme von Eigenverantwortung auch dazu, das Bitcoin-Netzwerk gut zu verstehen, um die Risiken klug abwägen zu können.

Insgesamt eröffnet die Kombination aus der Idee eines harten digitalen Geldes und den Leitprinzipien der katholischen Soziallehre einen anspruchsvollen Diskurs. Dieses Thema wird an Bedeutung gewinnen. Auch die entgegengesetzte Entwicklung nimmt Fahrt auf: Die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs). Diese Stellen einen Gegensatz dar zu einem dezentral aufgestellten Netzwerk wie Bitcoin. Eine lebendige Diskussion ist notwendig und eine Chance für die Kirche, die Prinzipien ihrer Soziallehre in den Diskurs einzubringen.

P. Felix Heider FSSP, der Autor dieser Analyse, beschäftigt sich als promovierter Betriebswirt mit der Ethik der Finanzmärkte und wirkt als Priester der Petrusbruderschaft in Hannover.