Ewigkeit gebannt in Zeit: Paul Badde über den Ursprung der Ur-Ikone Christi

Die Kathedrale von Trani.
Die Kathedrale von Trani.
Paul Badde - mit freundlicher Genehmigung des Vatican-Magazin
Das Dreifaltigkeits-Fresko in der Kathedrale von Trani.
Das Dreifaltigkeits-Fresko in der Kathedrale von Trani.
Paul Badde - mit freundlicher Genehmigung des Vatican-Magazin.
Joan Mates Grablegung Christi mit der Bedeckung seines Gesichts mit dem Sudarium, 1429.
Joan Mates Grablegung Christi mit der Bedeckung seines Gesichts mit dem Sudarium, 1429.
Paul Badde - mit freundlicher Genehmigung des Vatican-Magazin.
Das durchsichtige heilige Sudarium in Manoppello.
Das durchsichtige heilige Sudarium in Manoppello.
Paul Badde - mit freundlicher Genehmigung des Vatican-Magazin.

Eine einmalige Dreifaltigkeitsdarstellung in der Krypta der Nikolaus-Kathedrale in der Hafenstadt Trani im süditalienischen Apulien bietet eine überaus kühne und hellsichtige Deutung zum Ursprung der Ur-Ikone Christi in seinem heiligen Schweißtuch.

Von der Ur-Ikone Gottes mit dem Gesicht des Auferstandenen im Sudarium Christi, die jetzt wieder mit Macht in die Geschichte zurückdrängt, gibt es mindestens acht verschiedene Darstellungstraditionen. Da wird der einzigartige Bildschleier einmal (besonders im Osten) von König Abgar gehalten und einmal von dem Apostel Judas Thaddäus, dann wieder (im Osten wie im Westen) von Engeln oder dem Erzengel Michael und der Gottesmutter Maria, (und – fast nur im Westen-) von der legendären Veronika als eine der trauernden Frauen Jerusalem, oder auch von Petrus und Paulus und immer wieder wird das hauchdünne Gewebe auch unter den so genannten "Arma Christi" dargestellt, das heißt, unter den "Waffen Christi", die allerdings vor allem aus den Marterwerkzeugen bestehen, mit denen der Gottessohn gequält, gefoltert und getötet wurde. Gequält aber wurde Jesus mit dem heiligen Schweißtuch nie. Dieses Gewebe gleicht eher einem ersten Bilderbrief aus jenem Land der Erlösung, in dem "alle Tränen abgetrocknet werden".

Die eigenwilligste Darstellung des "Sanctissimum Sudarium", die ich jemals gesehen habe, findet sich in Apulien in der Krypta der normannischen Nikolaus-Kathedrale in Trani an der Adria. Der Bau der Kreuzfahrerbasilika unmittelbar am Meer, die hier selbst einem Schiff gleicht, das gerade Segel setzt zum Aufbruch ins Heilige Land, wurde im Jahr1099 begonnen, und das ist schon fast alles, was man sicher über die Geschichte des rätselhaft eindrucksvollen Gotteshauses weiß.

Von dem Dreifaltigkeitsfresko in der Krypta aber, das hier vorgestellt werden soll, weiß weder in Trani noch sonstwo irgend jemand, den wir dazu befragen konnten, irgendetwas Gewisses. Weder das genaue Alter, noch der Künstler lässt sich ermitteln. Selbst der Rektor der Kathedrale kann uns nicht weiter helfen. Nur das Fresko selbst kann deshalb die Fragen beantworten, die es vor dem Betrachter aufwirft. Es ist beschädigt wie ein Palimpsest, wie eines jener Pergamentstücke, die immer wieder neu überschrieben wurden. Dennoch ist der letzte "Text" dieses Palimpsests eindeutig. Wir sehen eine Figurengruppe mit Maria in der Mitte, als Königin des Himmels und der Erde. Zu ihrer Rechten wird das Antlitz Jesu vom messsianischen Nimbus Christi umrahmt, der ein Szepter als Ausweis seiner Herrrscher- und Richter-Gewalt in seiner Rechten hält. Zur Linken Marias segnet Gottvater sie mit drei Schwurfingern, die schon bei der heiligen Cäcilia in Rom auf die Dreifaltigkeit hinwiesen, bevor sie ihren Henkern den Hals hinbot.

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Eine Taube als traditionelles Sinnbild für den Heiligen Geist im Zusammenspiel der Dreieinigkeit Gottes ist hier allerdings nirgends zu sehen. Unter den beschädigten Partien des Freskos konnte sich auch kein Jesuskind auf dem Schoß Mariens befinden. Sie sitzt nicht, sie steht. Sonst wäre sie nicht auf Augenhöhe mit dem Vater und dem Sohn . Dafür hält Maria in einer einzigartigen Bildgebärde einen durchsichtigen Brautschleier mit jeweils zwei Fingern an zwei Enden, der sich im Vergleich mit allen bekannten Objekten nur mit dem Schweißtuch Christi identifizieren lässt. Das ist sensationell und spektakulär hilfreich für die Deutung der immer umstrittenen Entstehung dieses Schleiers, der bei verschiedenem Licht das menschliche Gesicht Gottes im Antlitz Christi in immer neuem Ausdruck zeigt, von dem wir bei dem Evangelisten Johannes hören, wo es zuerst als das "Soudarion" auftaucht, das im Grab "auf dem Kopf Jesu gelegen hatte". Doch ein Objekt wie der Schleier kann – selbst in der Hand Marias, der "Braut des Heiligen Geistes" – ja nicht den Heiligen Geist selbst darstellen, der in diesem Fresko noch fehlt in der Darstellung zur Vervollständigung der Dreifaltigkeit. Er stellt hier aber auf unüberholbar kühne Weise das Wirken des Heiligen Geistes bei der Entstehung des Wunderbildes in dem Heiligen Schweißtuch dar! Denn dem Schleier, der als kostbares Ziertuch im Grab über dem Gesicht des Gekreuzigten gelegen hatte, wurde ja auch der erste Atemzug des Auferstandenen eingehaucht.

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Die Ur-Ikone im Innern des spinnwebzarten Gewebes ist nicht durch Menschenhand entstanden, auch nicht durch einen Auferstehungsblitz. Es war vielmehr der gleiche Atem, mit dem Gott schon Adam und Eva angehaucht hatte und mit dem Jesus die Apostel nach seiner Auferstehung das göttliche Shalom einhauchte: "Friede sei mit euch!" Es war die "Ruach", der Schöpferatem Gottes. Es war der Heilige Geist. Im Aufschein des ersten Ostermorgens muss dieser Geist und Atem auch dem Muschelseidentuch das Antlitz Christi eingehaucht haben. Das heißt: Das Antlitz Christi, das ohne alle Farben so unerklärlich in dem hauchdünnen Schleier ruht, dürfen wir uns deshalb vorstellen wie die Schekinah, wie die weibliche Wesenheit Gottes, die in der jüdischen Vorstellungswelt wie eine Taube hoch oben in der Klagemauer nistet, von wo sie auf das Volk Israel herab blickt, als österliche Einwohnung Gottes in unserer Materie, als Sein Gesicht für unsere Augen: Ewigkeit in Zeit gebannt.

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Mit freundlicher Genehmigung des Vatican Magazin.