Washington, D.C. - Sonntag, 10. April 2016, 11:44 Uhr.
Jeden Morgen schaut Greg Stormans auf den kurzen Bibelvers, der in einem kleinen Rahmen über seinem Waschbecken thront. Seine Tochter hat ihn aufgeschrieben: "Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen." (Psalm 118,24).
Dieser Vers gibt den Ton an – für seinen Tag und sein ganzes Leben.
"Als ich diesen Vers das erste Mal hörte, war ich noch jung. Er hat sofort auf mich gewirkt. Dieser Satz hat mein Leben und meinen Blick auf das Leben wirklich verändert", erzählt Stormans, einer der Eigentümer von Ralph Thriftway in Olympia, Washington, im Gespräch mit der CNA.
"Jeden Tag wenn ich aufstehe, erinnere ich mich daran, dass der Herr mein Leben gemacht hat und dass ich froh und dankbar sein soll. Das muss man teilen, darüber fröhlich sein und sich vor Augen führen, dass Gott jedem Leben einen Sinn gegeben hat."
Stormans und seine Familie, die schon seit vier Generationen ein kleines Lebensmittelgeschäft und eine Apotheke führen, hätten nicht geahnt, dass sie im einmal in die Mitte eines Aufschreis geraten würden. Genau das geschah aber im Jahr 2007, als die Washingtoner Pharmaziekommission von den Apothekern verlangte, auf die Abtreibungspillen Plan B und ella zu verzichten und gewissenhafte Empfehlungen dahingehend als illegal deklarierte.
Als fromme Katholiken entschieden sich die Stormans dagegen, Abtreibungsmittel zu verkaufen, weil es ihren tiefsten Überzeugungen widerspreche, Medikamente zu verkaufen, die den "Tod fördern".
"Wir glauben, dass das Leben kostbar ist und heilig – und dass es mit der Empfängnis beginnt. Wir wollen das Leben und wahre Gesundheit fördern, nicht den Tod oder anderes, das gegen unsere religiösen Überzeugungen verstößt", sagt Stormans. "Wir könnten solche Präparate nicht mit gutem Gewissen verkaufen."
"Meine Familie und ich schauen zu Gott auf und bitten um Kraft, weil wir uns bemühen, Nächstenliebe zu praktizieren. Das macht uns aus", sagt er. "Wir hätten nie gedacht, dass wir uns einmal zwischen unserem Glauben und unserem Familienunternehmen entscheiden müssen – oder dass wir in einem Rechtsstreit verstrickt werden würden. Das alles ist bedauerlich, aber die Kommission hat uns keine andere Wahl gelassen."
Im Juli 2007 reichten die Stormans eine Klage gegen den US-Bundesstaat Washington ein, um so die Durchsetzung der neuen Vorschriften zu stoppen. Der Streit dauert bis heute an.
Im Juli 2015 hob das US-Berufungsgericht für den 9. Bezirk eine Entscheidung des Bezirksgerichts auf, die Vorschriften auszusetzen. Der 9. Gerichtsbezirk schlussfolgerte, dass die Bestimmungen neutral seien und "das staatliche Interesse der Patientensicherheit rational fördern".
Das Gericht wies indes das Argument der Unternehmer zurück, die Vorschriften würden eine wesentliche Verletzung ihres Rechts auf freie Religionsausübung darstellen.
Zu Beginn dieses Jahres erhoben die Stormans und zwei weitere Kläger in dem Fall, die Apotheker Margo Thelen und Rhonda Mesler, Klage vor dem US-Supreme Court. Ab dem 15. April wird das Gericht verkünden, ob es den Fall anhören will oder nicht.
Stormans betont, dass in seiner Apotheke noch nie ein Kunde nach diesen Präparaten gefragt hätte und dass seine Familie sich dazu verpflichtet fühle, Medikamente zu verkaufen, die die Gesundheit fördern.
"In unserer Apotheke haben wir uns geschworen, eine gute Gesundheitsversorgung zu schaffen – und das bedeutet nicht, jemandem zu schaden", beteuert er. "Wir sind in einem Business tätig, das Leben geben und es nicht beenden soll. Plan B ist aber genau darauf gerichtet, den Fötus zu töten. Und an so etwas verweigern wir unsere Teilnahme."
Früher wäre es den Stormans erlaubt gewesen, ihren Kunden an eine andere Apotheke zu verweisen, wenn sie nach Plan B oder ella fragen, die im Staat Washington beide weithin geführt werden. Allein im Umkreis von fünf Meilen um Ralphs Thriftway befinden sich rund 30 weitere Apotheken.
Die neue Rechtslage in Washington verlangt aber von den Stormans, dass sie die Medikamente selbst führen und anbieten. Damit ist Washington der erste Staat, in dem Kundenempfehlungen aus religiösen Gründen praktisch verboten sind.
Seit Klageerhebung habe die Familie zahlreiche Drohungen erhalten, bemerkt Stormans. Darüber hinaus verzeichnet sein Geschäft einen Umsatzrückgang von 30 Prozent, weshalb die Familie gezwungen war, Lohnkürzungen vorzunehmen und das Personal um 10 Prozent zu reduzieren.
"Ich erinnere mich, das Gewicht der Welt auf meinen Schultern gefühlt zu haben bei dem Wissen, dass ich einige unserer Mitarbeiter gehen lassen musste. Dabei haben sie seit Jahren für uns gearbeitet und sind Teil der Familie", bemerkt Stormans und hält Tränen zurück. "Manche wussten nicht, wie sie ihre Hypothek oder die Stromrechnung bezahlen sollten. Es war wirklich schwierig."
"Wir mussten unser Geschäft auch schon fünf Mal neu organisieren, um die Verluste zu kompensieren, aber irgendwie sind wir bis jetzt durchgekommen und haben es geschafft, uns über Wasser zu halten", fügt er hinzu.
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Während dieser Zeit, sagt Stormans, habe er an Gott gezweifelt.
"Ich habe mich gefühlt wie Jacob, der mit Gott rang. Manchmal wurde ich ärgerlich und habe gefragt: »Warum ist das uns passiert?« »Warum werden wir so schikaniert? Ich trug die große Last der Menschen, die für mich arbeiteten. Solche Sachen treffen mich sehr. Ich ärgerte mich sehr über die Situation und das machte mich zu der Art Mensch, die ich nicht sein wollte."
Durch das Gebet aber, sagt Stormans, schaffte er es, Gottes Frieden zu bekommen.
"Ich fing an, Gott darum zu bitten, diese Last von mir zu nehmen und genau das tat er", sagt der Apothekeneigentümer. "Und ich erinnere mich genau, wie Gott mir nach einer Weile geantwortet hat, ich solle all das zu seinen Füßen legen. Dann wurde buchstäblich die ganze Last einfach von mir genommen. Ich weiß, dass Gott ein Wunder in meinem Leben getan hat, indem er dieses Leiden linderte."
"Seitdem habe ich meinen Frieden geschlossen mit der ganzen Sache. Ich weiß, dass alles in Gottes Händen ist und mache mir keine Sorgen mehr. Greg ist nicht verantwortlich, Gott ist es und das zu wissen ist großartig", sagt er.
Vor kurzem wurden 14 Schriftsätze zur Unterstützung der Stormans und der beiden anderen Apotheker beim US-Supreme Court eingereicht. Insgesamt 43 Kongressmitglieder, 13 Staatsanwälte, die amerikanische Apothekerassoziation und zahlreiche weitere Menschen des Gesundheitswesens und der Apothekenverbände haben die Schriftsätze unterzeichnet.
Kristen K. Waggoner, die führende Anwältin in dem Fall und stellvertretende Präsidentin der Justizabteilung der Allianz zur Verteidigung der Freiheit, sagt gegenüber CNA, dass die überwältigende Unterstützung der Stormans und der Apotheker zeige, dass sie mit ihren Überzeugungen nicht allein stünden.
"Gläubige Menschen werden manchmal als Minderheit dargestellt, aber alle übrigen 49 Staaten sowie die Amerikanische Pharmazie-Assoziation haben kein Problem mit Gesetzen, die Kundenempfehlungen aus religiösen Gründen schützen", meint sie.
"Der Staat Washington verfolgt eine extreme Position und nicht die Mandaten, die für ihre Kunden da sein wollen und gleichzeitig zu ihren religiösen Überzeugungen stehen möchten", so Waggoner. "Apotheken im unmittelbaren Umkreis verkaufen die fraglichen Medikamente und Aufzeichnungen zeigen, dass keiner Frau jemals rechtzeitig Zugang zu Plan B verweigert wurde."
Waggoner sagt auch, dass sie dem Ausgang des Verfahrens zuversichtlich entgegen sehe. Sie gehe davon aus, dass der US Supreme Court den Fall anhören und zugunsten der Stormans entscheiden werde.
"Ich verstehe nicht, wie so ein extremes Gesetz den verfassungsrechtlichen Vorgaben standhalten kann. Es ist einfach verfassungswidrig", sagt sie.
Stormans stimmt dem zu und meint, dass der US-Supreme Court letzten Endes die Religionsfreiheit bejahen wird.
"Wir sind gesegnet in Amerika, dass wir unseren Glauben ohne Verfolgung praktizieren können. Wir leben in einem großartigen Land, in dem wir in die Kirche gehen können und dafür nicht verfolgt werden, wie das in so vielen anderen Orten der Welt der Fall ist. Das ist das Schöne an Religionsfreiheit", findet er.
"Aber jetzt wird uns unsere Religionsfreiheit genommen. Das können wir nicht ertragen und das werden wir nicht zulassen", warnt er. "Je mehr der Staat auf unsere Freiheiten mit Füßen treten kann, desto schwieriger wird es, unseren Glauben zu leben. Die Verfassung bedeutet etwas, und ich gehe davon aus, das Gericht wird die Freiheiten, die uns Amerikanern so lieb und teuer sind, aufrecht halten."
Unabhängig von dem, was als nächstes passieren wird, ist sich Stormans sicher, dass Gott einen Plan hat.
"Ich komme jeden Tag nach Hause und merke, wie sehr ich doch mein Leben liebe, meine Familie und meinen Gott", sagt er. "Gott hat mir diese Hürde gegeben, damit ich mehr so werde wie er. Er legt uns solche Dinge nicht auf, um unnötige Schmerzen zu verursachen, sondern damit wir daran wachsen."
"Ich bin enorm an dieser Geschichte gewachsen und weiß, dass es einen Grund für alles gibt, so wie es auch Römer 8,28 sagt", meint er. "Alles liegt in Gottes Hand, und das macht mich glücklich."