Rom - Sonntag, 17. April 2016, 8:10 Uhr.
Papst Franziskus hat bestätigt, dass er in seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia ("die Freude der Liebe") eine Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete zuläßt.
Der Heilige Vater beantwortete auf dem Rückflug von Lesbos nach Rom auch kritische Fragen über seinen Umgang mit dem Thema der Masseneinwanderung nach Europa und die Schwierigkeiten der Integration von Muslimen.
Zentrales Thema freilich war die Frage, ob er mit seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia eine Zulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion ermögliche.
"Ich kann sagen, Ja." — So die Antwort des Papstes an einen Journalisten des "Wall Street Journal". Dieser hatte ihn mit Verweis auf "die vielen Diskussionen" und zum Teil widersprüchlichen Interpretationen des Schreibens gefragt, ob es denn, so wörtlich, nun "neue, konkrete Möglichkeiten gibt, die es vor der Veröffentlichung nicht gab".
Im gleichen Atemzug zu seinem "Ja" fügte der Papst hinzu: "Doch dies wäre eine Antwort, die zu klein ist." Die Antwort sei in der Vorstellung von Amoris Laetitia durch Kardinal Christoph Schönborn zu finden, so der Papst weiter.
Der Wiener Kardinal hatte am 8. April auf Einladung von Franziskus im Vatikan das Lehrschreiben vorgestellt. Dabei hatte der Erzbischof von Wien inhaltlich unter anderem gesagt, Amoris Laetita müsse aus der Perspektive der Armen gelesen werden.
Frage nach Fußnote 351
Diese Aussage des Papstes warf weitere Fragen auf. Ein Journalist wollte wissen, was viele der Kritiker von Amoris Laetitia fragen: Warum Franziskus überhaupt eine so wichtige Frage in einer Fußnote beantworte. Tatsächlich ist die Möglichkeit einer Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten in Fußnote 351 des achten Kapitels des 190 Seiten umfassenden Lehrschreibens zu finden. "Haben Sie nicht den Widerstand vorhergesehen oder wollten Sie damit sagen, dass dieser Punkt nicht so wichtig sei?", fragte der Journalist von "Le Figaro" wörtlich.
Franziskus antwortete, die Medien hätten sich auf diese Frage der geschiedenen Wiederverheirateten zu sehr fixiert. "Das hat mich traurig gemacht", so der Papst.
Krise von Ehe und Familie das eigentliche Problem
Das eigentliche Problem seien Familien in der Krise: "Versteht ihr nicht, dass die Familie weltweit in der Krise steckt? Realisieren wir nicht, dass die sinkende Geburtenrate in Europa zum Weinen ist? Und die Familie ist die Basis der Gesellschaft", betonte Franziskus. "Dies sind die großen Probleme. Ich kann mich nicht an die Fußnote erinnern, aber bestimmt, wenn es etwas Generelles ist in einer Fußnote, dann weil ich darüber gesprochen habe, ich glaube, in Evangelii Gaudium". Damit beendete der Papst die Pressekonferenz, die insgesamt 25 Minuten gedauert hatte.
Fragen zu muslimischer Migration und Integration
Weitere Fragen der Journalisten drehten sich um seine spektakuläre Geste, drei syrische Familien von Lesbos nach Rom mitzunehmen. Die Aktion hatte für Begeisterung, aber auch Kritik gesorgt. "Sie sprechen viel über das Willkommen heißen, aber vielleicht sprechen Sie zu wenig über Integration", sagte eine Journalistin von "Il Messaggero". Sie sagte wörtlich:
"In Anbetracht dessen, was gerade in Europa passiert, wo es eine große Welle von Einwanderern gibt, wo wir sehen, wie sich in Städten Ghettos bilden...In all diesem zeigt sich, dass muslimische Einwanderer die größten Schwierigkeiten haben, sich mit unseren Werten, den Werten des Westens, zu integrieren. Wäre es das nicht nützlicher, christliche Einwanderer zu bevorzugen? Und warum haben Sie drei ausschließlich muslimische Familien mitgenommen?"
Der Papst antwortete, er habe "keine religiöse Entscheidung zwischen Christen und Muslimen" gefällt. "Diese drei Familien hatten die richtigen Papiere". Es habe auch zwei christliche Familien gegeben, die aber nicht die richtigen Paper hatten, so Franziskus. "Dies ist kein Privileg. Alle 12 sind Kinder Gottes. Es ist ein Privileg, ein Kind Gottes zu sein", so Franziskus wörtlich.
"Was die Frage der Integration betrifft: Sie haben ein Wort verwendet, dass in der heutigen Kultur vergessen scheint, aber das weiter existiert: Die Ghettos. Und manche der Terrroristen sind Kinder und Enkel der Menschen, die in Europa geboren sind, und was ist geschehen? Es gab keine Politik der Integration", antwortete der Papst.
Die Integration sei auch Thema von Amoris Laetitia, betonte er, und zwar im Sinne, dass die Integration von Familien in der heutigen Gesellschaft eine pastorale Herausforderung sei. Franziskus weiter: "Mit der Integration wird Europas Kultur bereichert. Ich glaube, wir brauchen eine Erziehung, eine Lektion, über eine Kultur der Integration".
"You have made great sacrifices" #PopeFrancis #migrationcrisis #Greece pic.twitter.com/xFxjaKM8AE
Was er bei seinem Besuch in Lesbos gesehen habe, habe ihn fast zum Weinen gebracht, sagte Franziskus: Er zeigte den Journalisten Bilder, die ihm Kinder geschenkt hatten. Auf einem war eine weinende Sonne zu sehen, die über eine Darstelliung von Flüchtlingen in einem sinkenden Boot gemalt war. Vor diesem Hintergrund erinnerte er an Mutter Teresas Aussage, dass ein Tropfen, der ins Meer falle, das Meer verändere. So sei auch seine Reise nach Lesbos und die Mitnahme der 12 Flüchtlinge zu verstehen.
#PopeFrancis with Orthodox bishops remembering victims of migration in #Lesbos Greece - photos @oss_romano pic.twitter.com/be8iJ7qbgv
— Catholic News Agency (@cnalive) April 16, 2016
Begrüßung mit Bernie Sanders
Eine amerikanische Journalistin fragte Franziskus über sein Treffen mit Bernie Sanders, dass in den USA großes Aufsehen erregt hatte. Dieses stelle keine Einmischung in die Politik dar, sagte dazu Franziskus. Es sei nur eine Geste der Höflichkeit gewesen. Der Papst hatte Sanders zu einer Konferenz in den Vatikan eingeladen.