Amsterdam - Mittwoch, 30. Dezember 2020, 8:35 Uhr.
Sind Apps und Praktiken für "Achtsamkeit" und Meditationstraining ein potentieller Risikofaktor für psychische Probleme und ein überhöhtes Ego? Wissenschaftler warnen, dass ein falscher Umgang mit Meditation und Achtsamkeit das Gegenteil von dem erreicht, was diese leisten sollen: Sein Ego in den Griff zu bekommen, statt es künstlich aufzublähen.
Eine im European Journal of Social Psychology veröffentlichte wissenschaftliche Studie zeigt, dass Menschen, die an Meditation und anderen Aktivitäten teilnehmen – Angebote, die auch und gerade im Milieu der katholischen Bildungswerke angeboten werden – Gefahr laufen, sich für "bessere" Menschen zu halten.
Statt einer gesunden oder gar christlichen Demut kommt es zu der toxischen Überlegenheit, die nicht nur für andere Menschen abstoßend ist: Sie macht – wie die Mystiker und Heiligen seit Jahrhunderten warnen – die eigene Seele krank.
Die Studie beschreibt ein Paradoxon, stellt ein Artikel der britischen Zeitung "The Times" dazu fest: Ausgerechnet Aktivitäten und Apps, die Menschen helfen sollen, Narzissmus und Egozentrik vorzubeugen, blasen deren Ego auf.
Roos Vonk, Professorin für Sozialpsychologie an der Radboud Universität in Nijmegen, in den Niederlanden, sagte: "Wir wissen, dass die meisten Menschen ein tief verwurzeltes Bedürfnis haben, besser zu sein - sympathischer, moralischer, kompetenter oder einfach anders als andere".
"Spirituelles Training zielt darauf ab, Menschen zur spirituellen Erleuchtung zu führen und diese Wünsche ihres Egos zu transzendieren. Sie sollen weise Menschen werden, die nicht andere Menschen vorverurteilen."
Eine Studie mit etwa 3.700 Freiwilligen legte jedoch nahe, dass das Gegenteil der Fall war.
Diejenigen, die an Meditationsformen teilgenommen hatten, bei denen es darum ging, "das Ego und Bedürfnisse wie soziale Anerkennung und Erfolg zu reduzieren", schnitten in Fragebögen, die "spirituelle Überlegenheitsgefühle" messen sollten, stärker ab als diejenigen, die kein solches Training hatten.
Mit anderen Worten: "Das Ergebnis ist das genaue Gegenteil von Erleuchtung", so Dr. Vonk.
Die Studie wurde laut der "Times" durchgeführt, um wissenschaftlich zu testen, ob die Ansprüche eines tibetisch-buddhistischen Meditationsmeisters namens Chogyam Trungpa erfüllt werden. Dieser lehrt, dass die höchste Form der Erleuchtung einen Zustand darstellt, in dem das Selbst nicht mehr existiert.
Roos Vonk fragte sich, ob diese Art des Denkens nicht nach hinten losgehen kann, nachdem – als sie Studentin war – ihr damaliger Freund eine Woche in einem "spirituellen Trainingslager" für Psychologie-Studenten verbrachte. "Er kam zurück mit einem erleuchteten, erhabenen Blick in seinen Augen. Er war mit dem in Berührung gekommen, was wirklich zählt - Dinge, die er mir mit meinen trivialen irdischen Sorgen und meinem analytischen wissenschaftlichen Denken nicht erklären konnte", sagte sie.
"Später bemerkte ich ein ähnliches Verhalten bei Bekannten, die sich mit Auren, Chakras oder Regression in frühere Leben beschäftigten", so die Wissenschaftlerin laut "Times".
"Es stellte sich immer heraus, dass sie 'bemerkenswerte übersinnliche Fähigkeiten' hatten, die es ihnen erlaubten, Dinge und höhere Bedeutungen zu 'sehen', die uns Normalsterblichen völlig unbekannt sind."
Die Psychologie-Professorin warnt, dass gerade Menschen, die sich mit guten Absichten auf den Weg machen, vom Gegenteil dessen überrascht werden, was sie erreichen wollen: Einem aufgeblähten Ego und überzogenen Selbstwertgefühl.
Im Christentum ist das Problem seit 2000 Jahren bekannt. Jesus in den Evangelien sowie der Apostel Paulus lehren Christen das Gegenteil – etwa in Galater 2,2; und große Heilige wie Teresa von Avìla haben darüber geschrieben.
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