Havanna - Freitag, 5. Februar 2021, 16:51 Uhr.
In einem Aufruf haben kubanische Katholiken das kommunistische Staats- und Gesellschaftssystem ihres Landes scharf kritisiert und zu einer grundlegenden Erneuerung aufgerufen. In dem dem Päpstlichen Hilfswerk ACN International vorliegenden Appell vom 24. Januar zeichnen die Verfasser ein düsteres Bild der Lage auf der Inselrepublik. "Wir erleben den Kollaps eines wirtschaftlichen, politischen und sozialen Modells", so der Aufruf.
Wörtlich heißt es weiter: "Kuba braucht politische Veränderungen." Der Autoritarismus im Land müsse überwunden werden.
Gleichzeitig entwerfen die Verfasser das Wunschbild einer "Republik, in der die volle Würde jedes Mannes und jeder Frau geachtet wird". Ihr eigenes politisches Engagement erklären sie mit einer aus dem Glauben erwachsenden Verpflichtung. Es gehe darum, "die Welt gemäß dem ganzheitlichen Bild vom Menschen zu verändern, das wir in Christus sehen".
Das seit der kommunistischen Revolution Ende der fünfziger Jahre bestehende System halten die Verfasser indes nicht für reformierbar. Wörtlich heißt es in dem Text: "Obschon absehbar, weil auf einer Philosophie basierend, die die eigentliche, den Menschen sinnstiftende Wahrheit ignoriert, hat sich das wirtschaftliche, politische und soziale System, das Kubas Schicksal seit 1959 bestimmt hat, als nicht fortentwickelbar erwiesen."
Im Einzelnen beklagen die Verfasser die schwierige wirtschaftliche Lage Kubas. Ihre Arbeit gebe den Menschen "nicht die Möglichkeit, das zu kaufen, was sie für ein würdevolles Leben brauchen. Sie leben unter der ständigen Bedrohung durch Mangel und praktisch unerreichbar hohe Preise".
"Die schiere Unmöglichkeit, ohne illegale Aktivitäten zu leben, macht den Schwarzmarkt zu einem unverzichtbaren Verbündeten für das Überleben und zu einer Umgebung, wo Diebstahl, Bestechung und sogar Erpressung vorherrschen. Die ‘Jeder für sich‘-Atmosphäre, wo alles erlaubt ist, zeigt eine Korruption, die beinahe alle Gesellschaftsschichten durchdringt", so der Text weiter.
Hinzu komme das Gefühl, ständig ausspioniert zu werden, beklagen die Verfasser.
Manchmal, so der Text, könne aufgrund der "exzessiven Kontrolle der Organe der Staatssicherheit, die sogar das Privatleben der Menschen betrifft", ein Mensch Angst haben, obwohl er völlig unschuldig ist..
Das Papier beklagt weiter die Auswirkungen der Lage auf Kubas Familien. So reiße die Arbeitsmigration Familien auseinander. "Oft gibt es keinen anderen Weg zur Verbesserung der Lebensqualität als den, Familien zu trennen."
Den Verfassern zufolge führt der tägliche Überlebenskampf auch zum Verlust von moralischer Orientierung.
"Nicht selten wird die Ankündigung eines Babys, die Grund zu Hoffnung und Freude sein sollte, zur Ursache für Unsicherheit und Sorgen und endet in einer Abtreibung", so das Papier.
Zur Überwindung der Krise schlagen die Verfasser verschiedene Maßnahmen vor.
So müsse die rechtliche Rahmenordnung verbessert werden.
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"Die Tatsache, dass es keine, von staatlicher Kontrolle unabhängigen Anwaltskanzleien gibt, sorgt dafür, dass derjenige Teil der Gesellschaft, der mit der Regierung verbunden ist, straffrei ausgeht, während jede friedlich vorgetragene, von der politischen Linie abweichende Initiative gefährdet wird", so die Verfasser.
Außerdem brauche es einen Dialog, der auch die im Ausland lebenden Exil-Kubaner einschließe. "Wir brauchen die Anerkennung der vollen Staatsbürgerschaft für die im Ausland lebenden Kubaner. Damit können auch sie aktiv an der Entscheidungsfindung der kubanischen Gesellschaft teilhaben." Damit beziehen sich die Verfasser auf die Kubaner, die nach 1959 vor der kommunistischen Revolution auf der Insel geflohen sind.
Entscheidend ist für die Verfasser des Appells indes, sich für die Wahrheit zu entscheiden. "In der Wahrheit zu leben, hat manchmal einen hohen Preis, macht uns aber innerlich frei trotz aller äußeren Zwänge. In der Lüge zu leben, heißt, in Ketten zu leben."
Diese fundamentale Entscheidung, "in Wahrheit und Freiheit zu leben, macht unsere eigentliche Kraft als Bürger offenbar. Wir sind ein schlafender Riese, der Kuba verändern kann".
In Anspielung auf die atheistische Staatsideologie schreiben die Verfasser: "Dieses Volk hat vor vielen Jahren Gott seinen Rücken zugekehrt. Wenn ein Volk aber das tut, kann es nicht vorwärts gehen".
Der Appell endet mit einem Aufruf der Umkehr zu Gott. "Als gläubige Menschen sind wir davon überzeugt, dass es für uns als Volk Zeit ist, zu Gott zurückzukehren".
Am 01.02. hatten sich über 725 Kubaner öffentlich dem Appell angeschlossen, darunter zahlreiche Geistliche.
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