UN-Blog: Würde und Arbeit im Digitalen Zeitalter

Erzbischof Ivan Jurkovic
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(C) Pax Press Agency, SARL, Geneva
Harvard-Professor Richard Freeman
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Mthunzi Mdwaba
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Clementine Moyard
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"Wir gestalten die Zukunft der Arbeit": Globaler Dialog der ILO
"Wir gestalten die Zukunft der Arbeit": Globaler Dialog der ILO
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Wie sieht die Arbeit der Zukunft aus? Welche Rolle spielt Arbeit im Digitalen Zeitalter, und in welchem Verhältnis steht sie zur Katholischen Soziallehre und dem konkreten Leben junger Christen und anderer Menschen heute?

Die Internationale Arbeitsorganisation, ILO, organisierte zur Orientierung am 6. und 7. April in Genf eine Veranstaltung unter dem Motto: "Globaler Dialog: Die Zukunft der Arbeit."

Das Ziel der ILO ist eine Arbeitswelt, die niemanden ausschließt und sozial gerecht ist.  

Mehr als 700 Teilnehmer waren bei der Veranstaltung anwesend. Tausende weitere Personen nahmen über das Internet teil.

Soziale Gerechtigkeit im Roboter-Zeitalter?

Im Februar dieses Jahres lag in der Europäischen Union die Arbeitslosenquote bei 9,5 Prozent – das sind 4,8 Millionen Menschen. In den Vereinigten Staaten liegt die Quote derzeit bei 4,5 Prozent. Experten warnen vor Massen-Arbeitslosigkeit durch den Robotik-Boom und andere Faktoren der Digitalen Revolution – ganz zu schweigen von anderen Veränderungen.

Guy Ryder, der Generaldirektor der ILO, stellte die Frage, "welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Veränderungen für den Auftrag der ILO hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit? Wie können wir alle diese Veränderungen gestalten und bewältigen, so dass wir die Welt weiterhin auf Kurs in Richtung sozialer Gerechtigkeit halten?"

"Damit das passiert", sagte Mthunzi Mdwaba, Präsident und Generaldirektor von Tzoro IBC, Bezirk Johannesburg, Südafrika, "muss weniger geredet und mehr getan werden. Wir brauchen unsere Regierung, um mit Unternehmern zu reden, mit den Gewerkschaften und den Arbeitern. So können wir  sicherstellen, dass wir von den drei Standpunkten aus, als Team, etwas abliefern."

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Seit 1919 besteht die ILO und hat heute 187 Mitgliedsstaaten. Sie ist die Arbeitsagentur der Vereinten Nationen und appellierte eindrücklich an die Staatengemeinschaft, den sozialen Dialog zwischen Regierungen und Sozialpartnern zum Schlüsselfaktor für den Aufbau einer Arbeitswelt zu machen, die niemanden ausschließt.

Angesichts der weitverbreiteten, zunehmenden Furcht vor einem weiteren Anwachsen der Gegensätze innerhalb der einzelnen Länder und auch der Länder untereinander scheint diese Aufgabe umso dringlicher.

Rolle der Arbeit

Guy Ryder warf in seiner Eröffnungsrede die Frage auf:

"Was ist die Bedeutung, die sozialisierende Funktion der Arbeit? Wie wirkt sich der veränderte Charakter der Arbeit auf das Verhalten aus, darauf, ob Gesellschaften zusammenstehen  oder nicht ... was erhebliche Konsequenzen für die Gesellschaft und den Einzelnen hat…Es war Sigmund Freud, der sagte, die Arbeit sei die Verbindung des Individuums zur Realität.  Und ich denke, wir alle wissen, was passiert, wenn diese Verbindung gekappt oder geschwächt wird."

Die Verbindung zwischen Arbeit und Würde ist auch aus christlicher Sicht klar und wesentlich. Was die Arbeit und das Verhältnis des Menschen zu ihr betrifft, spielen nicht nur psychologisierende Interpretationen eine Rolle, sondern auch ganz konkrete Faktoren: Neben der digitalen Revolution sind dies Migration und Demographie, der Klimawandel, das rechte Verständnis von Armut und Reichtum ist, Ungleichheit und Ungerechtigkeit, wirtschaftliche Stagnation und viele veränderte Produktions- und Beschäftigungsverhältnisse im Digitalen Zeitalter, das Umstürze bringt, die an Wirkungsmacht höchstens mit der Industriellen Revolution vergleichbar sind.

"Der Papst sagt sehr entschieden, dass kein Vorgehen moralisch oder ethisch sein kann, wenn es nicht diejenigen berücksichtigt, die nichts haben", sagte Erzbischof Ivan Jurkovic, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf, und er fügte hinzu: "Teilen ist eine Notwendigkeit."

Gott statt des Geldes in den Mittelpunkt rücken

Wer nicht Gott und seine Liebe zum Menschen in die Mitte stellt, der läuft Gefahr, einer globalen Wegwerfkultur zum Opfer zu fallen: Davor hat Papst Franziskus immer wieder gewarnt. "Ist euch bewusst, dass eine Welt,  in der die Jugend keine Arbeit hat – zwei Generationen junger Leute, keine Zukunft hat? Warum? Weil sie keine Würde haben! Ohne Arbeit ist es schwer, in Würde zu leben", so der Pontifex etwa im Jahr 2013 bei einem Treffen mit Arbeitern in Largo Carlo Felice, Caligari.

"Arbeit bedeutet Würde, Arbeit bedeutet, Essen nach Hause zu bringen, Arbeit bedeutet, zu lieben! Dieses götzenhafte Wirtschaftssystem zu unterstützen, diese Wegwerfkultur, ist üblich geworden; Großeltern werden weggeworfen und junge Leute werden weggeworfen."

Laut Clèmentine Moyard, Richtlinien-Bearbeiterin des Europäischen Jugendforums, sagen mehr als 60 Prozent der jungen Menschen einer Umfrage zufolge, "dass es zum Beispiel zu viel Individualismus gibt; und dass die Gesellschaft nicht genug Kollektivität bietet. Sie denken auch, dass es zu sehr ums Geld geht. Deshalb glaube ich nicht, dass junge Leute nur auf Geld aus sind. Sie suchen Anerkennung und sie suchen gute Arbeitsbedingungen."

Der Sinn des Menschen findet sich, wie Christen wissen, nicht in der Beschäftigung, sondern im rechten Verhältnis dazu. Daran erinnerte auch Erzbischof Ivan Jurkovic. Es gehe nicht nur um das Preis-/Leistungsverhältnis, "sondern auch an die sozialen Konsequenzen. Und ich denke, das ist das Positive, das dabei herauskommen muss. Roboter können die Menschenwürde zwar hier und da verbessern. Aber andererseits sollte man keine Roboter einsetzen, wenn sie einem Menschen den Arbeitsplatz wegnehmen, den er für sein wohlergehen braucht."

"Ich bin sicher, dass man in jedem Land eine Liste brauchbarer Strategien aufstellen kann. Diese müssten von politisch Verantwortlichen vorangebracht werden – und hoffentlich auch von den Gewerkschaften und den Wirtschaftsführern", so Richard Freeman, Professor für Wirtschaftslehre und Co-Direktor des "Labor and Worklife"-Programms der Harvard Universität.

Eine bessere Zukunft

Annehmbare Arbeit ist das 8. Ziel auf der Liste der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Bis jetzt haben sich 167 Länder der Initiative der ILO angeschlossen – weltweit befinden sich 107 davon in nationalem und regionalem Dialog.

Ihre Ergebnisse und die dieser Konferenz sollen einer hochrangigen globalen Kommission, die noch in diesem Jahr von der ILO gegründet werden wird, Informationen über die Zukunft der Arbeit liefern. Der Bericht dieser Kommission wird dann im Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz 2019, dem 100-jährigen Jubiläum der ILO, in Gespräche einfließen.

"Es geht hier um eine bessere Zukunft der Menschheit, der menschlichen Gesellschaft – nicht der reicheren Gesellschaft", so Erzbischof Ivan Jurkovic.

Dieser Beitrag wurde vom Genfer UN-Korrespondenten Christian Peschken von Pax Press Agency, Genf, verfasst. Mehr zu Pax Press Agency unter www.paxpressagency.com 

Hinweis: Dieser Blogpost und die darin wiedergegebenen Ansichten sind ein Beitrag des Autors, nicht der Redaktion von CNA Deutsch.