Das Begehren und die Begierde sowie die damit verbundenen Versuchungen, Verlockungen und Verführungen gehören, so legt Johannes Paul II. in der Katechese vom 30. April 1980 dar (publiziert in L’Osservatore Romano 80/19), zur „Wahrheit über den Menschen“. Wer sich dies vergegenwärtigt, mag große Dichtungen dazu im Sinne haben, ob Shakespeares Dramen, Goethes Werke oder auch Romane aus neuerer Zeit, in denen nicht mehr nur den Leidenschaften nachgegangen, sondern ein beliebiger Hedonismus auch gebilligt und gerechtfertigt wird.

Johannes Paul II. ordnet das Begehren den Worten des Apostels Johannes zu, der sowohl von fleischlicher Begierde als auch von der Begierde der Augen und vom Prahlen mit dem Besitz spricht, und macht sich dessen Worte zu eigen: „Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ Werden Worte wie diese in unserer Zeit noch verstanden oder sogleich relativiert? Denken wir nicht an die wuchtigen Formulierungen des tragischen Philosophen Friedrich Nietzsche, der die Lust, die Ewigkeit wolle, feierte – und den Tod Gottes meinte konstatieren zu können?

Der Papst weist diese dreifache Begierde, also Fleischeslust, Augenlust und Hoffart, ab und erklärt, dass die Begierde „nicht ‚vom Vater‘, sondern ‚von der Welt‘ herkommt“: „Die Fleischeslust und zugleich die Augenlust und die Hoffart des Lebens sind ‚in der Welt‘ und kommen gleichzeitig ‚von der Welt‘, aber nicht als Frucht des Schöpfungsgeheimnisses, sondern als Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse (vgl. Gen 2,17) im Herzen des Menschen. Was in der dreifachen Begierde sich auswirkt, ist nicht die ‚Welt‘, wie Gott sie für den Menschen geschaffen hat.“

Gott hat den Menschen gut geschaffen, aber in der dreifachen Begierde manifestiert sich der „Bruch des ersten Bundes mit dem Schöpfer“: „Denn nur infolge der Sünde, weil der Bund mit Gott im Menschenherzen gebrochen wurde – im Inneren des Menschen – ist die ‚Welt‘ des Buches Genesis zur ‚Welt‘ geworden, wie sie uns in den Worten des Johannes (1 Joh 2,15–16) entgegentritt: Ort und Quelle der Begierde.“

Der Papst verweist auf die lüsternen Blicke, die vom Herrn bereits als Ehebruch bezeichnet werden: „Lässt sich ein solcher Blick letzten Endes nicht etwa mit der Tatsache erklären, dass es sich bei jenem Mann eben um einen ‚Mann der Begierde‘ im Sinne des ersten Johannesbriefes handelt, ja dass beide, der Mann, der die Frau lüstern ansieht, und die Frau als Blickobjekt, von der dreifachen Begierde erfasst sind, die ‚nicht vom Vater kommt, sondern von der Welt‘? Man muss also erfassen, was jene Begierde oder vielmehr wer jener biblische ‚Mensch der Begierde‘ eigentlich ist, um die Tiefe der Worte Christi nach Mt 5,27–28 zu verstehen und zu erklären, was ihr für die Theologie des Leibes so wichtiger Bezug auf das ‚Herz‘ des Menschen bedeutet.“

Sünde und Versuchung werden betrachtet – insbesondere jener Augenblick, in dem im „Herzen des Menschen“ der Zweifel an Gottes Geschenk an den Menschen aufkommt und der Mensch verführt wird vom Gedanken, dass er selbst sein kann wie Gott. So hat der Mensch die Welt als Geschenk erhalten, die Ebenbildlichkeit Gottes, „also das Menschsein in der ganzen Fülle seiner zweifachen Ausprägung als Mann und Frau“.

Aber er wendet sich von Gott ab: „Indem er in seinem Herzen den tiefsten Sinn des Sich-Schenkens, also der Liebe als eigentlichen Grund der Schöpfung und des ursprünglichen Bundes (vgl. besonders Gen 3,5), bezweifelt, kehrt der Mensch Gott, der die Liebe ist, den Rücken zu. Er verweist ihn gewissermaßen aus seinem Herzen. Gleichzeitig löst er und trennt fast sein Herz los von dem, was ‚vom Vater kommt‘: so bleibt in ihm das, was ‚von der Welt kommt‘.“

Mann und Frau erkennen, dass sie nackt sind – und sie schämen sich voreinander, wie Genesis 3,6 berichtet. Die Scham steht im Zusammenhang mit der Sünde: „Diese Scham ist gleichsam das erste Anzeichen, an dem im Menschen – im Mann und in der Frau – etwas offenbar wird, was ‚nicht vom Vater kommt; sondern von der Welt‘.“ Hierzu zählt die Begierde, jene Lustbarkeit, die heutzutage in der Welt angestrebt wird, und damit das in sich Gute, das Leben nach Gottes Plan, verdrängt. Der Mensch von heute – und dies reicht weit hinein in die katholische Kirche – ignoriert den Begriff und die Wirklichkeit der Sünde, indem er dieses gottesferne Tun als Normalität ansieht und auslebt.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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