29. März 2025
Noch einmal kehrt Johannes Paul II. in seinen Katechesen zum „neuen Ethos der Bergpredigt“ zurück, und zwar am 8. Oktober 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/42), wenn er abschließend über den Ehebruch im Herzen nachdenkt. Die personale Würde des Menschen rückt in den Mittelpunkt: „Die sittliche Bewertung der Begierlichkeit (des ‚lüsternen Blicks‘), die Christus als ‚im Herzen begangenen Ehebruch‘ bezeichnet, hängt, so scheint es, vor allem von der personalen Würde des Mannes und der Frau ab; das gilt sowohl für jene, die nicht durch die Ehe verbunden sind, als auch – und vielleicht noch mehr – für Verheiratete.“
Es geht hier, wie bereits erläutert, also nicht um eine Tathandlung eines Ehebruchs, sondern Johannes Paul II. setzt dies unter Berücksichtigung der Bergpredigt sehr viel früher an: „Es ist bezeichnend, dass Christus, wenn er vom Gegenstand dieser Begierde spricht, nicht hervorhebt, dass es sich um die ‚Frau eines anderen‘ bzw. nicht um die eigene Ehefrau handelt, sondern allgemein sagt: die Frau. Der ‚im Herzen‘ begangene Ehebruch wird nicht umschrieben durch die Grenzen der interpersonalen Beziehung, wie sie den ‚körperlich‘ begangenen Ehebruch kennzeichnen. Für den ‚im Herzen‘ begangenen Ehebruch sind diese Grenzen nicht ausschließlich und wesentlich entscheidend, sondern die Natur der sinnlichen Begierlichkeit selbst drückt sich in diesem Fall durch den Blick aus, also durch die Tatsache, dass der Mann – von dem Christus als Beispiel spricht – eine Frau ‚lüstern ansieht‘. Der Ehebruch ‚in Gedanken‘ wird nicht nur deshalb begangen, weil der Mann die Frau, die nicht seine Ehefrau ist, so ‚ansieht‘, sondern deswegen, weil er eine Frau gerade so anblickt. Auch wenn er seine Ehefrau so anblickte, würde er ebenfalls ‚im Herzen‘ Ehebruch begehen.“
Die sinnliche Begierde ist ein „dauerndes Element der Sündhaftigkeit des Menschen“. Daraus entspringt sie. Die Begierde verändert die „Ausrichtung des Daseins der Frau ‚für‘ den Mann, indem sie den Reichtum der ewigen Berufung zur Gemeinschaft der Personen, den Reichtum der tiefen Anziehung von Mann und Frau auf die bloße Befriedigung des sexuellen Triebes des Leibes (dem eher der Begriff ‚Instinkt‘ zu entsprechen scheint) verkürzt“.
Darin zeigen sich das christliche Menschenbild, das gerade nicht leibfeindlich, sondern leibfreundlich ist, und das Ethos der Bergpredigt: „Eine solche Verkürzung bewirkt, dass die Person (in unserem Fall die Frau) für die andere Person (den Mann) in erster Linie zu einem Objekt der potentiellen Befriedigung des eigenen sexuellen Triebes wird. Auf diese Weise wird jenes gegenseitige ‚Füreinander‘ deformiert, es büßt den Charakter der Gemeinschaft zwischen den Personen zugunsten eines bloßen Gebrauchs ein.“
Wenn ein Mann eine Frau lüstern ansieht, bedient er sich der Frau der Triebbefriedigung wegen: „Auch wenn er das nicht in einem äußeren Akt vollzieht, so hat er bereits in seinem Innern diese Haltung angenommen dadurch, dass er sich innerlich im Blick auf eine bestimmte Frau so entschieden hat. Eben darin besteht der ‚im Herzen begangene Ehebruch‘. Einen solchen Ehebruch ‚im Herzen‘, ‚in Gedanken‘ kann der Mann auch mit seiner eigenen Ehefrau begehen, wenn er sie nur als Gegenstand seiner Triebbefriedigung behandelt.“
Die Gesetzgebung des Alten Testaments sei durch die Kasuistik in Bezug auf die sinnliche Begierde vielfach von Kompromissen geprägt: „Christus dagegen lehrt, dass das Gebot durch die ‚Reinheit des Herzens‘ erfüllt wird, zu der der Mensch nicht gelangt, wenn er nicht gegenüber allem, was der sinnlichen Begierde entspringt, innere Festigkeit beweist. Die Reinheit des Herzens erwirbt, wer konsequent Anforderungen an sein Herz zu stellen weiß: an sein Herz und an seinen Leib.“
Die Unauflöslichkeit der Ehe entspreche der Würde der Personen. Johannes Paul II. legt dar: „Befreit von dem Zwang und der Beschränkung des Geistes, wie sie die sinnliche Begierde mit sich bringt, findet sich der Mensch, Mann und Frau, in der Freiheit der gegenseitigen Hingabe, des Sich-einander-Schenkens wieder, das die Voraussetzung für jedes Zusammenleben in der Wahrheit und besonders in der Freiheit des Sich-einander-Schenkens ist, da beide, als Mann und Frau, die sakramentale Einheit bilden müssen, die, wie Gen 2,24 sagt, vom Schöpfer selbst gewollt ist.“
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