Johannes Paul II., dem Philosophen auf dem Stuhl Petri, folgte am 19. April 2005 – heute vor 20 Jahren – mit Joseph Ratzinger der gelehrte, bescheidene und demütige Dekan des Kardinalskollegiums, der sich mit dem Namen Benedikt XVI. den jubelnden Gläubigen auf der Benediktionsloggia des Petersdoms als „einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn“ vorstellte.

Der leuchtende Anfang seines Pontifikates wird Katholiken auf der ganzen Welt heute noch einmal gegenwärtig sein. Sogar die Medien hierzulande jubelten, von der Boulevardpresse bis hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aus der Schlagzeile „Wir sind Papst!“ sprach einerseits eine fast kindliche Freude, andererseits auch ein gewisser Hochmut, denn die Stimmung und Stimmungsmache wirkten rückblickend auch ein wenig, als sei Deutschland sozusagen in der katholischen Kirche Fußballweltmeister geworden.

Viele Medien erlaubten sich dann im Pontifikat eine Art Bekehrung, denn Benedikt XVI. – für deutsche Ohren skandalöserweise – wollte partout nicht auf nationale Reformbegehren hören. Der Papst, Diener der Diener Christi, wusste sich dem Evangelium und der verbindlich gültigen Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte verpflichtet – und bisweilen wirkte es, als trüge Benedikt XVI. in seinem Pontifikat sowohl die Hoffnungsbotschaft des christlichen Glaubens als auch die Last der Kirchengeschichte auf seinen Schultern.

Begeisterung – und dies konnten auch Gläubige auf dem Petersplatz bezeugen – weckte seine Art der Verkündigung besonders bei jungen Menschen, auf den Weltjugendtagen in Köln, Sydney und Madrid. Unvergessen bleibt, wie er, von Regenschirmen notdürftig geschützt, in Starkregen und Sturmwind dort bei der eucharistischen Anbetung ausharrte, als ihn seine Begleiter dazu drängten, die Altarbühne zu verlassen. Er sagte nicht mehr, als dass er bleiben würde – denn schutzlos ist nie, wer unterm Schutz des Höchsten geht. Die jungen Gläubigen in Madrid jubelten und waren dankbar für dieses Glaubenszeugnis.

Wie sein Vorbild im Glauben, der heilige Augustinus, hatte sich auch der bei der Papstwahl 78 Jahre alte Joseph Ratzinger gewünscht, kontemplativ zu leben und noch ein wenig zu schreiben, verborgen vor der Welt. Doch wie der Herr Augustinus als Bischof haben wollte, so musste, durfte und konnte der Kardinaldekan seinem geliebten Vorgänger auf den Stuhl Petri folgen, den er dann für knapp acht Jahre innehatte.

Bücher geschrieben hat Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. trotzdem, und die drei Bände zu Jesus von Nazareth wurden zu Weltbestsellern. Viele fanden auf diesem Weg neu zum Glauben oder sahen die Frage nach Gott als etwas an, das für ihr Leben wesentlich und wichtig war. Damit war der Papst auch der erste Katechet seiner Kirche, nicht nur bei Generalaudienzen und Homilien in Rom und anderswo, sondern als glaubwürdiger Zeuge, der über den Herrn meditierte und den Weg Jesu in drei verständlich geschriebenen, lichtreichen Bänden darlegte. Er fand eine Leserschaft weit über das Christentum hinaus, auch aufmerksame Hörer, die sich neu mit den Fragen von Vernunft und Glaube zu beschäftigen begannen.

Unverständlich und bezeichnend bleibt bis heute, dass Abgeordnete den Deutschen Bundestag verließen, als Benedikt XVI. dort das Wort ergreifen durfte. Um einen Vorschuss an Sympathie, ohne den kein Verstehen möglich ist, hatte er stets gebeten, ein auch menschlich verständlicher Wunsch. Das Unverständnis blieb dennoch auch unter engagierten deutschen Katholiken bestimmend, als Benedikt im Freiburger Konzerthaus bei seinem letzten Deutschlandbesuch als Papst – als Emeritus besuchte er 2020 noch einmal seinen sterbenskranken Bruder in Regensburg – der Kirche in Deutschland nicht die Ausrichtung auf Ämter und Strukturen, sondern die Besinnung auf die Evangelisierung empfahl, die Verkündigung der Frohen Botschaft, nichts anderes als das also, was sein Nachfolger Papst Franziskus seit Beginn seines Pontifikates unermüdlich predigt.

Papst Benedikt XVI. sprach von Gott – in Rom, auf seinen Reisen und bei den Begegnungen im Vatikan und anderswo. Gäste beschrieben ihn als warmherzige, humorvolle und interessierte Person, die mit großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme jedem Einzelnen Zeit schenkte. Der Papst der Weltkirche verhielt sich damit nicht anders als der Priester und Professor, als der Kardinal, der auf eine sehr behutsame Art kontaktfreudig war und sich freute, wenn Kontakte dauerhaft bestanden, ja zu Freundschaften wurden. Der Musikfreund Benedikt liebte die leisen Töne – und er wählte für das Pianissimo des Alters, als seine Kräfte spürbar nachließen, den Amtsverzicht.

Am 6. Januar 2013 weihte Papst Benedikt XVI. vier Bischöfe, darunter auch seinen treuen Sekretär Georg Gänswein. Seine Homilie sagt manches über seinen eigenen Weg und kann auch als ein geistliches Vermächtnis gelesen werden: „Die innere Pilgerschaft des Glaubens zu Gott hin vollzieht sich vor allem im Gebet. Der heilige Augustinus hat einmal gesagt, das Gebet sei letztlich nichts anderes als Aktualisierung und Radikalisierung unserer Sehnsucht nach Gott. Wir könnten statt des Wortes ‚Sehnsucht‘ auch das Wort ‚Unruhe‘ einsetzen und sagen, daß das Gebet uns aus unseren falschen Bequemlichkeit, aus unserer Verschlossenheit ins Materielle und Sichtbare herausreißen und uns die Unruhe zu Gott hin vermitteln will; uns so gerade auch offen und unruhig füreinander macht. Der Bischof muß als Pilger Gottes vor allem ein betender Mensch sein. Er muß im steten inneren Kontakt mit Gott leben, seine Seele muß weit auf Gott hin offenstehen. Er muß seine Nöte und die der anderen, auch seine Freuden und die der anderen, zu Gott hintragen und so auf seine Weise den Kontakt zwischen Gott und der Welt in der Gemeinschaft mit Christus herstellen, damit sein Licht in die Welt hereinleuchtet. […] Die Nachfolger der Apostel müssen damit rechnen, daß sie immer wieder auf moderne Weise verprügelt werden, wenn sie nicht aufhören, das Evangelium Jesu Christi hörbar und verständlich zu verkündigen. Und dann dürfen sie sich freuen, daß sie gewürdigt wurden, für ihn Schmach zu erleiden. […] Die Zustimmung der herrschenden Meinungen ist nicht der Maßstab, dem wir uns unterwerfen. Der Maßstab ist er selbst: der Herr. Wenn wir für ihn eintreten, werden wir gottlob immer wieder Menschen für den Weg des Evangeliums gewinnen. Aber unweigerlich werden wir auch von denen, die mit ihrem Leben dem Evangelium entgegenstehen, verprügelt, und dann dürfen wir dankbar sein, daß wir gewürdigt werden, am Leiden Christi teilzuhaben.“

Nicht allein die Nachfolger der Apostel, auch die einfach gläubigen Christen – und das hat Benedikt XVI. sehr genau gewusst – spüren dieses Los der Pilger in unserer Zeit. Um nichts weniger als der deutsche Papst wissen die Christen, die ihr Herz auf dem rechten katholischen Fleck haben, dass es kein größeres Glück auf dieser Welt gibt, als der Kirche des Herrn angehören zu dürfen. Die Liebesgemeinschaft mit der Kirche ist stets auch Passionsgemeinschaft mit Christus. Davon hat Benedikt XVI. unverwechselbar Zeugnis gegeben – und wir dürfen uns in großer Dankbarkeit an sein leuchtendes Pontifikat erinnern.

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