30. März 2020
Vor 10 Jahren hat Papst Benedikt XVI den früheren Basler Oberhirten Kurt Koch zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ernannt und zum Kardinal erhoben. Vor 6 Jahren hat Papst Franziskus seinen zuverlässigen Mitarbeiter in diesem Amt noch einmal als "Ökumene-Minister" bestätigt. Nun ist der Kurienkardinal vor zwei Wochen am 15. März 70 Jahre alt geworden, in aller Stille, weil auch er diesen Geburtstag wegen der Corona-Krise vor allem nur in seinem geliebten Gebet verbringen konnte, trotz aller Festakte, die für den zurückhaltenden Kirchenfürsten schon vorbereitet waren. Danach hat er sich heute bei seinen vielen Gratulanten - und auch bei uns - für alle Glückwünsche mit einem bewegenden Glaubenszeugnis der Zuversicht und Hoffnung bedankt, das wir all unseren Lesern nicht vorenthalten wollen, als Trost und Stärkung in dieser schweren und gnadenvollen Fastenzeit - auf unserem Weg zum Osterfest, an dem wir neu daran erinnert werden, dass der auferstandene Herr uns entgegenkommt und Sein Reich nahe ist.
Rom, im März 2020
Liebe Schwestern und Brüder
Mit diesen Zeilen danke ich Ihnen herzlich für die Zeichen der Verbundenheit und die Segenswünsche, (...) Am 70. Geburtstag darf ich dankbar auf ein reiches Leben im Dienst der Kirche zurückblicken. Gerne danke ich allen Menschen, die mich während dieser Zeit begleitet haben und es auch weiterhin tun werden. Und ich danke vor allem dem lebendigen Gott, der mir – durch meine Eltern – das Leben geschenkt hat und auf den ich mich immer verlassen konnte, wie es mein Lieblingspsalm 121 sehr schön zum Ausdruck bringt: "Ich erhebe meine Augen zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat. Er lässt deinen Fuss nicht wanken; dein Hüter schlummert nicht."
Der 70. Geburtstag ist auch ein unmissverständliches Anzeichen der Endlichkeit und Begrenztheit meines Lebens. Dies gilt umso mehr, als mein Geburtstag in die Zeit der grossen Krise fällt, in die uns der Corona-Virus gestürzt hat und die uns noch viel energischer an die Zerbrechlichkeit unseres Lebens erinnert. Diese Krise ist deshalb auch eine grosse Herausforderung an uns, unsere Lebensprioritäten zu überdenken:
Haben wir uns nicht allzu selbstsicher daran gewöhnt, dass wir mit den grossen Fortschritten in der Technik und auch in der Digitalisierung unser Leben und die Gestaltung der Welt in der Hand haben? Nun aber treibt ein kleiner Virus in der ganzen Welt sein Unwesen und schlägt uns Vieles aus der Hand. Wäre dies nicht ein Anlass, uns neu auf die Verletzlichkeit unseres Lebens zu besinnen?
Und haben wir uns nicht angewöhnt, uns in unserem Leben auf das zu verlassen, was materiell, sichtbar und greifbar ist? Nun aber zeigt ein für unsere Augen unsichtbarer Virus, welche zerstörerische Energie er zu entfalten vermag. Wäre es da nicht angezeigt, uns vermehrt auch am Nicht-Materiellen und Nicht-Sichtbaren zu orientieren? Denn auch viel Gutes ist nicht sichtbar und möchte doch in uns weiterwirken.
Die heutige Situation stellt uns auch Fragen an die Art und Weise, wie wir unseren Glauben verstehen und leben. In den vergangenen Jahren habe ich immer wieder das Wort gelesen und gehört, Gott habe keine anderen Hände als die unseren. Dieses Wort ist in der Tat wahr; denn Gott will und kann in unserer Welt durch uns Menschen handeln. Dennoch ist dieses Wort – Gott sei es gedankt! - nur die halbe Wahrheit. Der Trost des Glaubens besteht doch in der Zuversicht, dass Gott noch ganz andere Hände hat, wenn unsere Hände schwach geworden sind. Dies gilt zumal, wenn unsere Hände im Tod erschlaffen und nichts mehr ausrichten können. Dann dürfen wir darauf bauen, dass Gott selbst an uns Handelt. Im Glauben dürfen wir wissen, dass wir auf jeden Fall in der Hand Gottes sind - auch in der gegenwärtigen Krise!
Der 70. Geburtstag erinnert mich daran, dass der grösste Teil meines Lebens hinter mir liegt und Vergangenheit ist. Als Christ weiß ich aber, dass ich, je weiter ich an irdischen Lebensjahren voranschreite, umso mehr Zukunft erhalte. Denn die Zukunft hat einen konkreten Namen; sie heisst "Jesus Christus". Er ist das Alpha und Omega der Welt und damit auch meines Lebens. Als Menschen werden wir zwar auf Erden immer älter, als Christen jedoch immer jünger, da wir auf die zweite Geburt hingehen: auf die Geburt zum ewigen Leben.
In dieser Zuversicht des Glaubens danke ich Ihnen nochmals für Ihre Zeichen der Verbundenheit und wünsche Ihnen ein gutes besinnliches Zugehen auf Ostern. Dieses Fest aller Feste spricht uns die tröstliche Botschaft zu, dass das letzte Wort nicht dem Tod gehört. Er hat nur das zweitletzte Wort. Das letzte Wort behält sich Gott vor, und es heisst Leben: Leben auf dieser Erde unterwegs zum ewigen Leben.
Mit freundlichen Grüssen und herzlichen Wünschen für den beschützenden Segen Gottes
Ihr
Kurt Cardinal Koch
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