21. Mai 2020
Im missverständlichen Sinn könnte man den heutigen Himmelfahrttag als so etwas wie die Abiturfeier der Apostel verstehen. Nun haben sie genug gelernt und erfahren. Sie wurden durch Leiden und Tod, aber auch durch das Erleben der Auferstehung des Herrn gebildet und geprägt. Und dann kommt da heute dieser Abschied auf dem Jerusalemer Ölberg und die Verabschiedung von ihrem Lehrer.
Doch es geht hier nicht um Abschied. Christus sagt ihnen unüberhörbar: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“ Christus will damit gerade die typische Wehmut solcher Abschiedsfeiern verhindern, die im Blick auf das Vergangene und Verflossene stehen bleibt.
Den Jüngern soll keine Chance gegeben werden, in Nostalgie und Rückschau auf „die schöne Zeit“ zu verfallen. Er macht ihnen unmittelbar vor Seinem Abschied wichtige Versprechungen – verbunden mit Aufträgen, deren Erfüllung sie Ihm gegenüber zu verantworten haben würden. Das ist kein Abschied für immer.
Christus spricht von Seinem Geist, den Er Ihnen senden würde. Er beauftragt Sie, das Evangelium zu verkünden und mit Ihm und durch Ihn zu wirken. „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“
Entsprechend hören wir immer wieder in der Apostelgeschichte, wie der Herr die Botschaft der Apostel durch Zeichen und Wunder bekräftigt, um Ihnen zu zeigen, dass Er es ist, der durch sie wirkt und dass Er eben nicht verschwunden ist, sondern auf eine zwar nicht sichtbare, aber dennoch nicht weniger reale und wirkungsvolle Weise bei Ihnen ist.
Damit ist auch für uns eine wichtige Botschaft ausgesprochen, gerade heute, wo sich unsere Kirche – wenigstens in unsrem Land - mehr und mehr daran gewöhnt, sich in eine Abiturientin ohne rechte Berufsperspektive zu verwandeln, in eine Mischung aus Verlustgefühlen und Ratlosigkeit. Bester Beweis ist der sogenannte „Synodale Weg“, wo diskutiert wird, was man jetzt machen soll, wenn die Zahlen sinken und wie man sich gesellschaftlich zu behaupten habe, dass man Abschied nehmen müsse von den alten Strukturen und sich mit der Hoffnung auf die Segnungen neuer Pläne tröstet, so als gäbe es nicht längst alles, was wir brauchen, nämlich den Herrn und Erlöser Jesus Christus inmitten der Seinen mit Lehre, Auftrag, Sendung und Sakramenten.
Diese Versuchung, uns als Kirche wie eine ratlose und zukunftsverängstigte Abiturklasse zu benehmen, will der heutige Festtag verjagen! Denn heute werden wir daran erinnert, dass Christus immer da ist.
Er hat Seinen Aposteln damals keine Bauanleitung für die Errichtung von Kirchen hinterlassen, keinen Einsatz- und Strukturplan für deutsche Diözesen, keine Kirchensteuermittel oder einen Haufen Verträge, in denen das verbrieft wird, was zur Verkündigung des Evangeliums zu geschehen habe.
Was Er ihnen mitgegeben und ihnen zugesichert hat, ist Seine Gegenwart und Seinen Heiligen Geist.
Damit ausgerüstet, war es den unausgebildeten und ebenso unfortgebildeten Aposteln möglich, sich auf die Herausforderungen ihrer Zeit einzulassen und zwar nicht, um diese Zeit und ihre sogenannte Lebenswirklichkeit zur Richtschnur ihres Handelns zu machen, sondern um die Zeit und ihre Lebenswirklichkeit zu verwandeln und zu prägen durch die unverhohlene, treue und nicht verbogene oder verwässerte Verkündigung des Glaubens an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der für uns gestorben und auferstanden ist und der hier und jetzt bei und in Seiner Kirche lebt und in ihr wirkt, gegenwärtig durch die Heiligen Mysterien der Sakramente, in denen der Herr das wahr macht, was Er mit den Worten versprochen hat: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Diese Hinterlassenschaft des Himmelfahrtstags dürfen wir uns als Apostel des 21. Jahrhunderts heute erneut in unser Stammbuch schreiben lassen. Dass Glaube und Glaubenstreue unsere Stärke sind und sein werden.
Auch und gerade die Krisenzeiten der Kirche haben in der Geschichte bewiesen, dass es nicht die Strategien waren, sondern das tapfere Vertrauen der Glaubenden, die der Kirche zu neuem Leben verholfen haben. Christus ist gegangen, um bei uns zu bleiben. Er lebt in den Heiligen Mysterien. Er braucht keine Strategen, die Seine Botschaft der Zeit anpassen. Er braucht frohe Herzen und mutige Verkünder, die helfen, die Zeit Seiner Botschaft anzupassen!
Als der Herr die Apostel auf dem Ölberg ein letztes Mal feierlich um sich versammelte, war die letzte Geste nicht eine Umarmung oder ein Winken zum Abschied, sondern eben dieser Satz: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“
Er, der gekommen war, um die Welt aus ihrer Verlassenheit und Ohnmacht gegen den Tod und die Sünde zu retten, wollte nicht wie ein himmlischer Pädagoge die Regeln für das Zusammeleben noch einmal neu geordnet haben, bevor Er sich nach der Entlassung Seiner apostolischen Abiturklasse wieder an Seinen Schreibtisch zurückzog.
Nein, der Lebendige Gott hat diese Welt betreten, um sie fortan nicht mehr zu verlassen. Weswegen der heutige Tag kein Tag des Abschieds von Seiner Gegenwart ist, sondern lediglich von Seiner Sichtbarkeit. Gott zieht sich nicht zurück. Er ist. Und Er bleibt. Das ist Sein Wesen. Und Er ist in uns und mit uns. So will Er durch die Zeit gehen. Nicht in der Erinnerung, sondern in der realen Gegenwart, in der verborgenen Anwesenheit Seines Geistes.
Deswegen sind wir heute nicht zur Abschiedsfeier Jesu und Seiner Schüler zusammengekommen, sondern zur Aussendungsfeier Seiner Jünger, die Er in Seiner Schule auf diese Sendung vorbereitet hat. Ob wir mündig und reif genug sind, diese Aufgabe zu erfüllen, wird man – wie zu allen Zeiten - an unserer Treue erkennen und an unserer Gewissheit, dass der Herr da ist und da bleibt.
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Dr. Guido Rodheudt ist Pfarrer von St. Gertrud in Herzogenrath und Gründer des "Netzwerks katholischer Priester". Seit Ausbruch der Coronavirus-Krise überträgt er täglich die Feier der heiligen Messe über das Internet.
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