Istanbul - Freitag, 10. Juli 2020, 19:37 Uhr.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat ein Dekret unterzeichnet, mit dem die Hagia Sophia, die ehemalige Kathedrale der Heiligen Weisheit in Istanbul, in eine Moschee umgewandelt wird.
Die Entscheidung wurde innerhalb weniger Stunden nach einem Gerichtsbeschluss am heutigen Freitag unterzeichnet. Dieser erklärte einen 80 Jahre alten Regierungserlass, der das Gebäude von einer Moschee in ein Museum umwandelte, für rechtswidrig.
Die Ayasofya-Moschee, wie sie im Türkischen genannt wird, wird nun unter die Aufsicht der religiösen Direktion der Regierung gestellt.
Der Erlass ist der Höhepunkt eines lang gehegten Ziels von Erdoğan, der seit Jahren die Rückführung des ursprünglichen Kirchengebäudes in den Status einer Moschee fordert.
Das Gerichtsurteil wurde von der internationalen Gemeinschaft ebenso wie das erklärte Ziel des türkischen Präsidenten kritisiert, die neutrale Nutzung des Gebäudes zu beenden.
Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni verurteilte die Entscheidung in einer Erklärung und erklärte, das Gerichtsurteil "bestätigt absolut, dass es in der Türkei keine unabhängige Justiz gibt" und dass "der Nationalismus von Präsident Erdogan... sein Land um sechs Jahrhunderte zurückversetzt".
Ob der Begriff "Nationalismus" zutrifft, ist unter Kritikern umstritten: Andere Beobachter bewerten das Verhalten des türkischen Machthabers in Kontinuität mit dem "Kalifen"-Anspruch des Osmanischen Reiches.
Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel sagte, als Museum war die Hagia Sophia ein "symbolischer Ort der Begegnung, des Dialogs, der Solidarität und des gegenseitigen Verständnisses zwischen Christentum und Islam".
In einer Predigt am 30. Juni sagte Bartholomäus, dass die Hagia Sophia, ein UNESCO-Weltkulturerbe, "nicht nur denen gehört, die sie derzeit besitzen, sondern der ganzen Menschheit".
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Die Hagia Sophia wurde 537 unter Kaiser Justinian begründet. Eine Zeit lang war sie das größte Gebäude der Welt und die größte christliche Kirche. Sie diente als Kathedrale des Patriarchen von Konstantinopel vor und nach der Spaltung des westlichen und östlichen Christentums in die katholische und die östlich-orthodoxe Kirche durch das Große Schisma.
Nach der osmanischen Eroberung von Konstantinopel 1453 wurde die Kathedrale in eine Moschee umgewandelt. Unter den Osmanen fügten die Architekten Minarette hinzu; die Mosaiken mit christlichen Bildern wurden übermalt und abgedeckt.
1934 wurde die Moschee unter der Führung von Präsident Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei nach dem Fall des Osmanischen Reiches, in ein Museum umgewandelt.
Die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum galt als Symbol für das Engagement der Regierung Atatürks für den Aufbau eines säkularen, liberalen Staates. Mosaiken wurden freigelegt, darunter Darstellungen von Christus, der Jungfrau Maria, Johannes dem Täufer, Justinian I. und der byzantinischen Kaiserin Zoë Porphyrogenita.
Die Hagia Sophia ist eines der bekanntesten Wahrzeichen der Türkei und ihr meistbesuchter Ort, der jährlich mehr als 3,7 Millionen Besucher anzieht.
Der Sprecher von Erdoğan, Ibrahim Kalin, sagte, dass "die Öffnung der Hagia Sophia für den Gottesdienst einheimische oder ausländische Touristen nicht davon abhält, die Stätte zu besuchen".
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