22. September 2020
Rom erfreut die katholische Christenheit mit wegweisenden Texten, um den Mut des Glaubens und die Dynamik der Evangelisierung zu fördern. Aber kaum jemand scheint sich über diese Impulse zu freuen. Einige Bischöfe aus Deutschland klagten über die mangelnde Abstimmung mit den Diözesen, ihren Oberhirten und pastoralen Planungsreferenten – und prominente Laien assistieren trefflich beim Jammern. Jetzt beschäftigt sich die Deutsche Bischofskonferenz in Fulda vom 22.-24. September mit den Konsequenzen, die sich aus der Instruktion ergeben.
In dem Text lesen wir: "Darüber hinaus bleibt die bloße Wiederholung von Aktivitäten, die das Leben der Menschen nicht berühren, ein steriler Überlebensversuch, der oft mit allgemeiner Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen wird. Wenn die Pfarrei nicht die der Evangelisierung innewohnende spirituelle Dynamik lebt, läuft sie Gefahr, selbstbezogen zu werden und zu verkalken, da sie Erfahrungen vorschlägt, die den Geschmack des Evangeliums und die missionarische Durchschlagskraft bereits verloren haben und vielleicht nur für kleine Gruppen bestimmt sind." Stellen wir uns ernsthaft die Frage, wie aufgeschlossen die Pfarreien für eine "spirituelle Dynamik" sind? Oder muss erst ein zuständiges Gremium eine Beschlussfassung zur Vertiefung der geistlichen Dynamik herbeiführen? In Deutschland wird oft über Aufbrüche räsoniert, aber jenseits der Rhetorik verkümmert oft das geistliche Leben. Wieder und wieder werden alte Ideen zu einer Revision der kirchlichen Morallehre effektvoll platziert. Dabei wird vergessen, dass die Kirche keine politische Partei ist, die sich programmatisch erneuern könnte.
Die Kleruskongregation ermutigt zu dem einzigen Aufbruch, der wirklich wichtig ist – zum Aufbruch zu Christus. Erinnert werden an wesentliche Elemente des Lebens in der Pfarrei: "Das ist das Herzstück der gewünschten pastoralen Umkehr, die die Verkündigung des Wortes Gottes, die Spendung der Sakramente und das karitative Zeugnis betreffen muss, d. h. die wesentlichen Bereiche, in denen die Pfarrei wächst und sich dem Mysterium, an das sie glaubt, nähert. … In der Feier der heiligen Eucharistie öffnet sich die christliche Gemeinde der lebendigen Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn und hat Anteil an der Verkündigung des ganzen Heilsmysteriums." In Zeiten der Corona-Pandemie wurden oft die neuen Formate und kreative Gottesdienstformen gelobt. Wer aber lobt die würdige Feier der heiligen Messe? Wie viele Engagierte besuchen tatsächlich am Sonntag den Gottesdienst? Vergessen wir nie: Selbst die wichtigste Gremiensitzung ersetzt nicht die Teilhabe an der Feier der heiligen Messe. Geradezu irritierend ist in den Zeiten des auch kirchlich geforderten und offensiv beworbenen "Social Distancing" die folgende Weisung der Instruktion: "Die Pfarrgemeinde ist dazu aufgerufen, eine echte und eigene »Kunst der Nähe« zu entwickeln." Die Antwort darauf ist kaum, dass Werke der Barmherzigkeit jetzt virtualisiert werden und künftig die Gestalt von Videokonferenzen annehmen: "Die Pfarrgemeinde ist sehr oft der erste Ort der menschlichen und persönlichen Begegnung der Armen mit dem Antlitz der Kirche. … Den Geringsten aufmerksam zugewendet verkündet die Pfarrgemeinde das Evangelium und lässt sich von den Armen evangelisieren." Zugleich sei auf eine "exzessive Bürokratie und Servicementalität" zu verzichten. Die Pfarrgemeinde muss weder Strukturen der "verwalteten Welt" (Theodor W. Adorno) duplizieren noch vermehren. Vielleicht wäre es sogar geistlich befruchtend, einige Gremien ganz abzuschaffen oder seltener tagen zu lassen? Die durch Gremienschwund entstandenen Freiräume könnte für tätige Nächstenliebe, Lektüre der Bibel und theologische Studien sinnvoll genutzt werden. Auch die Anbetung des Allerheiligsten Sakraments ist noch immer möglich. Zum Funktionär ist niemand aus der Familie Gottes bestellt, aber wir alle sind zur Mitarbeit aufgerufen: "Es ist notwendig, dass heute alle Laien einen großzügigen Einsatz für den Dienst an der missionarischen Sendung leisten vor allem durch das Zeugnis des täglichen Lebens, das in den gewohnten Lebensbereichen und auf jeder Verantwortungsebene dem Evangelium entspricht, und besonders durch die Übernahme ihnen entsprechender Verpflichtungen im Dienst an der Pfarrgemeinde."
Ein jeder Weltchrist kann, darf und soll mitwirken, sich am Leben der Pfarrei beteiligen und dieses mitgestalten. Diese Teilhabe ist unverzichtbar, bereichernd und in sich schön. Am 13. August 2020 hat sich Bischof Dr. Rudolf Voderholzer in Tirschenreuth leidenschaftlich und kraftvoll zu dieser Instruktion bekannt: "Der Kleruskongregation ist dann freilich vor allem wichtig, dass auch die Pfarrei der ständigen Bekehrung bedarf. Was heißt das? Vor allem, der Versuchung zu widerstehen, in der Pfarrei in einen routinierten Betrieb zu verfallen, sich als Verein neben anderen zu verstehen, sich nur noch mit sich selbst zu beschäftigen und die eigentliche Sendung, den großen und schönen Auftrag aus dem Blick zu verlieren, Zeugnis zu geben für den lebendigen Gott. … Kirche, das sind wir alle, die wir getauft und gefirmt sind, und jeder und jede hat seine Aufgabe." Ein unverzichtbares Amt hat der Priester inne: "Der Pfarrer ist ja nicht einfach nur Vorsitzender eines Gemeindevereins, den man abwählen und nach irgendwelchen bloß weltlichen Gesichtspunkten beurteilen und austauschen könnte. Die Leitung der Kirche durch das geweihte Dienstamt macht deutlich, dass die Kirche als Ganze und auch jede Pfarrei selbst erst einmal Frucht einer Mission ist, nämlich Frucht der Sendung des Gottessohnes in diese Welt. Der Priester, der in der Person Christi, des Hauptes der Kirche, handelt, vergegenwärtigt das bleibende Voraus und das notwendige Gegenüber Christi zu seiner Kirche." Das ist treffend gesagt. Als die vielen kritischen Statements nach der Publikation der Instruktion aufkamen, habe ich an Lk 18,8 denken müssen: "Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, noch Glauben auf der Erde finden?" Ein Skeptiker könnte erwägen: "Glauben … Eine schwierige Frage. Aber eines ist gewiss – Gremien wird der wiederkehrende Christus auf der Erde finden."
Die Instruktion der Kleruskongregation ermutigt zur Sendung: Mission statt Resignation. Positive Signale aus Rom hat die Kirche hierzulande dringend nötig. Wir wollen hoffen, dass auf der Bischofskonferenz in Fulda die wegweisende Instruktion von unserem Episkopat mit gläubigem Herzen bedacht wird.
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