Nach Erzbischof Georg Gänswein aus Rom im Jahr 2021 zelebrierte an diesem 16. Januar 2022 Erzbischof Bruno Forte aus Chieto-Vasto in der Basilika des Heiligen Antlitzes von Manoppello unter verschärften Corona-Bedingungen ein feierliches Hochamt in Wiederaufnahme der Initiative Papst Innozenz III. aus dem Jahr 1208, am Sonntag „Omnis Terra“ mit dem Antlitz Christi die Kranken und die ganze Welt zu segnen.

Im Jahr 1208 führte Papst Innozenz III. eine Prozession vom Petersdom zu dem nahen Hospital Santo Spirito in Sassia mit dem Bildschleier Christi ein, der damals in Rom noch Veronika genannt wurde. Das geschah am zweiten Sonntag nach dem Fest der Erscheinung des Herrn, der nach den lateinischen Worten des Eröffnungsverses "Omnis terra adoret te, Deus, et psallat tibi!" („Alle Welt bete dich an, o Gott, und singe dein Lob. Sie lobsinge deinem Namen, du Allerhöchster!“ aus dem Psalm, 65,4) „Omnis Terra“ genannt wird. In dem Pilger-Hospital, das Innozenz III. neu errichtet hatte, wollte der Papst mit seiner kostbarsten Reliquie alle Kranken segnen, um sie in den Genuss der schöpferisch heilenden Kraft kommen zu lassen, die all denen gewährt wird, die im Glauben und Gebet jenes Antlitz betrachten, das wir hier in dem Muschelseidenschleier über dem Altar verehren.

Die liturgischen Texte des aktuellen Lesejahres mit der Geschichte von der Hochzeit zu Kana aus dem Johannesevangelium schenken der ganzen Kirche dazu an diesem Sonntag ein besonderes Licht zum tieferen Verständnis der Botschaft vom Heiligen Antlitz. Der Abschnitt, dessen letzter Vers heißt:  „So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ bietet damit aber auch den Schlüssel zum gesamten Evangelium. Was Jesus in Kana getan hat, ist gleichsam Anfang und Modell dessen, was er zu unserem Heil für unsere Erlösung tun wird. Wer in das Geheimnis von Kana eintritt, tritt in das Geheimnis Christi selber ein!

Das Hochzeitsfest ist ein wunderschönes Bild für den Bund des Herrn mit seinem Volk, das viele Propheten benutzt haben. In Kana offenbart Jesus sein Antlitz als göttlicher Bräutigam des Gottesvolkes. Mit ihm wird der Ewige im Ostergeheimnis seinen neuen und endgültigen Bund schließen. Die Hochzeit zu Kana nimmt dieses letzte Passahfest Jesu als Erfüllung und Überwindung des Sinai-Bundes schon gleich zu Beginn seines Auftretens vorweg.

So erlaubt uns die Erzählung auch, die Vision des Heiligen Antlitzes mit der Rolle zu verbinden, die Maria, die Mutter Jesu, in der Kirche überhaupt spielt. Sie ist es, die die Not der Eheleute auf der Hochzeit bemerkt: "Sie haben keinen Wein mehr". Es ist die Zuwendung der zärtlichen Mutter, die ihren Sohn auf die Not von Freunden aufmerksam macht. Ähnlich begleitet Maria auch uns bei der Begegnung mit dem Antlitz ihres Sohnes. Sie nimmt uns an die Hand bei unserem Hintreten vor den Blick des Erlösers, der heilt, verzeiht und unsere Herzen mit Freude erfüllt.

Wein wird in dieser kurzen Erzählung fünfmal erwähnt, als wichtiges Zeichen der messianischen Zeit seit den Tagen der Propheten: "Von den Bergen wird neuer Wein herabfließen und die Hügel hinunterlaufen". Kostbarer Wein wird das letzte eschatologische Festmahl kennzeichnen, und er wird kostenlos sein, sagte Jesaia. Neuer Wein wird den Hochzeitstag zwischen dem Herrn und seinem Volk versüßen, sagte Hosea. In diesem Licht erscheint das Hochzeitsmahl von Kana als Stunde des Eingreifens Gottes zur rechten Zeit, mit dem Erscheinen des Bräutigams, der die Erwartung seines Volkes überreich erfüllt und das Wasser zur rituellen jüdischen Reinigung in den neuen Wein des Reiches Gottes verwandelt.  Der Buchstabe des Gesetzes wird in den Wein des Geistes verwandelt! 

Im Antlitz des geliebten Herrn erkennen wir deshalb die Erwartung Israels als auch die Fragen voller Sehnsucht, die in den unruhigen Herzen von uns allen warten, im Blick auf das Leid der Welt und zur Zeit besonders auf das Drama Pandemie. Dieser Blick hilft uns besser, die Antwort Jesu zu verstehen: "Frau, was willst du von mir? Meine Stunde ist noch nicht gekommen". Das Wort öffnet den Blick auf die österliche „Stunde“, wenn er sich in seinem Leiden und Sterben und seiner Auferstehung vollends offenbaren wird. Das wird die Stunde Christi sein, wo die messianische Zeit als Erfüllung der Verheißungen endgültig an ihr Ziel gelangen wird. Und hier haben wir das heitere Antlitz des Auferstandenen vor uns, der uns – immer noch mit den Zeichen der Passion! – schon jetzt daran  erinnert.

Die Worte der Mutter an die Dienerinnen: "Was immer er euch sagt, das tut", erinnerten im Judentum jener Zeit aber zunächst an Gottes Bund mit Israel am Sinai. – "Was der Herr gesagt hat, das wollen wir tun" hieß damals vor Moses die gläubige Antwort des Volkes auf die göttliche Offenbarung. Jetzt aber bekundet Maria mit diesen Worten ihr bedingungsloses Vertrauen in ihren Sohn, nachdem er sie an das Geheimnis seiner "Stunde" erinnert hat. Hier hören wir also, wie die ganze Hoffnung des auserwählten Volkes Israel in Maria widerhallt, und sehen, wie sich der Glaube der Mutter für das unglaubliche und zeichenhafte Wunder ihres Sohnes öffnet.

Die Einladung Marias an die "Diener" zeigt uns zugleich ihre Rolle als Vorbild und Mutter im Glauben in der Gemeinschaft des Bundes: In Maria geht der Alte Bund in den Neuen über, Israel in die Kirche, das Gesetz in das Evangelium, aufgrund ihres bedingungslosen Glaubens an ihren Sohn, an dem sie sich selbst und andere ausrichtet. In der Kirche, die aus dem Paschafest des Neuen und vollkommenen Bundes hervorgegangen ist, ist die Jungfrau Maria diejenige, die ihrem Sohn unsere Nöte vorträgt und uns zum Glauben an ihn führt, als notwendige Voraussetzung, die Krüge der alten Reinigung mit neuem Wein zu füllen

Der Weg zum Eintritt in die messianische Hochzeit - besiegelt durch das Blut des Lammes, das auf dem Opferberg dargebracht wurde - ist also der Glaube, zu dem uns die Mutter auffordert: "Was immer er euch sagt, das tut". Was sich in Kana andeutet und ankündigt, wird sich in der Szene der trauernden Mutter am Fuße des Kreuzes und in den Worten des sterbenden Jesus an sie und an den Jünger, den er liebt, vollenden. Es ist ein Dialog, den jeder Gläubige erneuern kann, der sich in demütiger Liebe von dem heiligen Antlitz des Erlösers betrachten lässt.

Hier kann sich jeder Gläubige als geliebter Jünger an der Seite der Mutter erkennen, als Jünger, der im Glauben an die Liebe selbst zum Geliebten des Vaters und des Sohnes wird. Als Zeuge der lebenspendenden Blut-und-Wasser-Quelle aus der durchbohrten Seite Christi. Und als privilegierter Zeuge seiner Auferstehung. Wenn wir auf Maria in Kana und auf Maria unter dem Kreuz blicken, lernen wir mit ihr, das Antlitz des Herrn, und seiner Liebe, mit der er uns anschaut, zu bitten, so zu lieben, wie Maria dieses Antlitz geliebt hat. 

Wir tun dies heute mit dem bewegenden Dialog aus „Donna de Paradiso“ Jacopones da Todi (+ 1306) der uns immer noch hilft, uns mit Maria und Johannes unter den lebensspendenden Blick seines Antlitzes zu stellen:

"Frau des Paradieses, / dein Sohn ist Dir genommen, / Jesus Christus , der Gesegnete, /wurde verraten, Madonna / Judas hat ihn verkauft; / für nur dreißig Denare. / Mehr hat ihm der schändliche Handel nicht eingebracht.“ / "O Sohn, Sohn, Sohn, geliebter Sohn, / blutrot wie Mohn / Wer berät jetzt / mein gequältes Herz?“  / "Mutter mit betrübtem Herzen, / in deine Hände lege ich die von Iohannes. / Möge er dein Sohn nun heißen. / Nimm Iohannes, meinen Liebling: / auf in deine Liebe / üb‘ an ihm Barmherzigkeit, / gebrochenes, geraubtes Herz.“/ “Sohn des milden Gesichts, welchen Hass ziehst Du aus aller Welt nur an? Welch ein Leid von Sohn und Mutter, / in einer Umarmung / vom Tod ergriffen: / Mutter und Sohn!"

Wie Maria unter dem Antlitz ihres sterbenden liebenden Sohnes möge auch für uns im Blick auf das Heilige Antlitz das ewige Leben schon jetzt beginnen, im Tod des alten Menschen und unserer Auferstehung als neue Schöpfung, in Vorwegnahme der unendlichen Schönheit des Himmels inmitten der Zerbrechlichkeit der Zeit, wie das Heilige Antlitz es uns so zurückhaltend offenbart, wie nur wahre Liebe es vermag.

Amen.

Aus dem italienischen ins Deutsche übersetzt von Paul Badde. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung.

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