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Glaube macht sehend

Heilung des blinden Bettlers aus Jericho: Gemälde von Duccio di Buoninsegna

Gläubigen Menschen wird oft eine Blindheit unterstellt. In der Moderne, in der vermeintlich aufgeklärten Zeit verbinden viele mit dem Glauben eine unrettbare Rückständigkeit. Wer sich an Gott und seine Kirche gebunden weiß, scheint sich eingeschlossen zu haben, in eine tradierte, traditionalistische Sicht von Mensch und Welt, in der Vorurteile festgeschrieben sind. Wer glaubt, scheint sich arrangiert zu haben mit einer eingeübten Taubheit und Blindheit, während doch Bildung, Philosophie und Wissenschaften das Gegenteil zu versprechen scheinen – die Emanzipation, den Aufbruch in eine neue, bessere Welt und in ein Reich von selbstgemachten Lebensentwürfen.

Wie aus der Zeit gefallen scheint der kirchliche Gehorsam zu sein. In der Enzyklika „Lumen fidei“ wird von einer Glaubenserkenntnis gesprochen, die mit dem Hören und dem Gehorchen verbunden ist: „Die mit dem Wort verbundene Erkenntnis ist immer eine persönliche Erkenntnis, welche die Stimme erkennt, sich ihr in Freiheit öffnet und ihr im Gehorsam folgt.“

Der Glaube wächst und reift als Erkenntnis auf dem „Weg der Nachfolge“: „Das Hören bestätigt die persönliche Berufung und den Gehorsam wie auch die Tatsache, dass die Wahrheit sich in der Zeit offenbart; das Sehen bietet die volle Sicht des gesamten Weges und erlaubt, sich in den großen Plan Gottes einzureihen; ohne diese Sicht würden wir nur über vereinzelte Fragmente eines unbekannten Ganzen verfügen.“ Der Glaube scheint so mit einer besonderen Sinnlichkeit, mit einer besonderen Sinnenhaftigkeit verbunden zu sein.

So wird die Verbindung von „Sehen“ und „Hören“ aufgezeigt. Diese sind „Organe der Glaubenserkenntnis“: „Das Hören des Glaubens geschieht entsprechend der Form von Erkenntnis, die der Liebe eigen ist: Es ist ein persönliches Hören, das die Stimme unterscheidet und die des Guten Hirten erkennt (vgl. Joh 10,3-5); ein Hören, das die Nachfolge verlangt wie bei den ersten Jüngern: Sie »hörten, was er sagte, und folgten Jesus« (Joh 1,37). Andererseits ist der Glaube auch mit dem Sehen verbunden. Manchmal geht das Sehen der Zeichen Jesu dem Glauben voraus wie bei den Juden, die nach der Auferweckung des Lazarus, als sie »gesehen hatten, was Jesus getan hatte, zum Glauben an ihn kamen« (Joh 11,45). Andere Male ist es der Glaube, der zu einer tieferen Sicht führt: »Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen« (Joh 11,40). Schließlich überschneiden glauben und sehen einander: »Wer an mich glaubt, glaubt […] an den, der mich gesandt hat, und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat« (Joh 12,44-45). Dank dieser Einheit mit dem Hören wird das Sehen zur Nachfolge Christi, und der Glaube erscheint als ein Entwicklungsprozess des Sehens, in dem die Augen sich daran gewöhnen, in die Tiefe zu schauen.“

In der Tat werden wir im Glauben sehend. Damit erscheint der Glaube auch das Gegenstück zu sein zu einer weltlichen Blindheit, die sich für sehend hält, aber doch im Vordergründigen und Vorläufigen verhaftet bleibt. Blind scheinen gerade jene zu sein, die sich der Tiefe des Glaubens verschließen oder die Lehre der Kirche verändern wollen. Manche wollen auch Jesus Christus nicht mehr sehen, sondern ersetzen den Herrn durch eine andere Gestalt, die mehr ihren eigenen Idealen oder Vorstellungen entspricht.

In der Enzyklika „Lumen fidei“ verweisen Benedikt XVI. und Franziskus auf den „sehenden Glauben“, von dem auch der heilige Thomas von Aquin spreche: „Die Wahrheit, die der Glaube uns erschließt, ist eine Wahrheit, die auf die Begegnung mit Christus ausgerichtet ist, auf die Betrachtung seines Lebens, auf die Wahrnehmung seiner Gegenwart.“ Die Apostel haben den „den auferstandenen Jesus mit eigenen Augen gesehen und haben geglaubt, d. h. sie konnten in die Tiefe dessen eindringen, was sie sahen, um den Sohn Gottes, der zur Rechten des Vaters sitzt, zu bekennen“: „Das Licht der Liebe leuchtet nämlich auf, wenn wir im Herzen angerührt werden und so in uns die innere Gegenwart des Geliebten empfangen, die uns erlaubt, sein Geheimnis zu erkennen. … Mit seiner Inkarnation, mit seinem Kommen in unsere Mitte hat Jesus uns berührt, und durch die Sakramente berührt er uns auch heute. Auf diese Weise, indem er unser Herz verwandelte, hat er uns ermöglicht und ermöglicht er uns weiterhin, ihn als Sohn Gottes zu erkennen und zu bekennen. Mit dem Glauben können wir ihn berühren und die Macht seiner Gnade empfangen.“ Der Glaube erscheint sinnlich und sinnhaft. Sehen wir Jesus wirklich? Berühren wir ihn persönlich, von innen her – oder bleibt er äußerlich? Verwiesen wird auf eine Heilungsgeschichte. Die blutflüssige Frau berühre Jesus, um geheilt zu werden. Benedikt verweist auf ein Wort des heiligen Augustinus: „»Mit dem Herzen berühren, das ist glauben.«“: „Die Menschenmenge drängt sich um Jesus, doch sie erreicht ihn nicht mit der persönlichen Berührung des Glaubens, der sein Geheimnis erkennt, dass er der Sohn ist, der den Vater offenbart. Nur wenn wir Jesus gleichgestaltet werden, empfangen wir Augen, die geeignet sind, ihn zu sehen.“

Dieser Frage können wir nachgehen – und die Frage wird vielleicht auch uns nachsehen: Sehen wir Jesus auf diese Weise? Oder sind wir doch blind für ihn? Das Geheimnis der Gotteskindschaft mag helfen: Wer sich vom Herzen her öffnet und hingibt, nähert sich dem Herrn und spürt die liebende Nähe Gottes.

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