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Bischof Erik Varden: "Stiklestad steht für die Christianisierung Norwegens"

Bischof Erik Varden OCSO

Die Kirche in Norwegen feiert am 29. Juli den hl. Olav. CNA Deutsch dokumentiert im Wortlaut die Predigt, die Bischof Erik Varden OCSO – Trappist und Prälat von Trondheim – bereits am 28. Juli in Stiklestad hielt, wo der hl. Olav getötet wurde.

Die Feierlichkeiten rund um den hl. Olav bildeten auch den Auftakt für das Programm von EWTN Norwegen, einem neuen Sender in der EWTN-Familie, der mit Unterstützung von EWTN Deutschland aufgebaut werden konnte (CNA Deutsch ist ein Service von EWTN News).

"Wir werden gleich zu Beginn drei Tage live aus Trondheim berichten – und das wäre ohne das deutsche EWTN-Team und dessen Programmdirektor Martin Rothweiler nicht möglich", sagte der Chef von EWTN Norwegen, Pål Johannes Nes, vorab gegenüber der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost".

Predigt im Wortlaut

Unsere erste Lesung beschreibt ein merkwürdiges Ereignis, als Israel nach dem vierzigjährigen Zug durch die Wüste das Gelobte Land erreichte. Mose, der das Volk aus Ägypten geführt hatte, war tot. Einsam war er auf dem Berg Nebo, dem Gipfel des Pisga, gestanden und hatte in das Land geblickt, das Gott Abraham verheißen hatte. Der Herr hatte ihm gesagt: „Deinem Stamm will ich das Land geben, du selbst aber wirst nicht hineinkommen.“ Bis hierher und nicht weiter reichte der Auftrag des Mose. Er starb außerhalb des Landes, in Moab, und wurde dort begraben, der genaue Ort ist unbekannt. Israel zur Erfüllung der Verheißung zu führen, war einem anderen vorbehalten.

Josua war lange Jahre hindurch Moses Helfer gewesen. Er war erfüllt vom Geist der Weisheit. „Mose legte ihm seine Hände auf“ und weihte ihn für sein Amt. Der Herr sagte zu Josua: „Sei nur mutig und stark und achte genau darauf, dass du ganz nach der Weisung handelst, die mein Knecht Mose dir gegeben hat. Weiche nicht nach rechts und nicht nach links davon ab, damit du Erfolg hast in allem, was du unternimmst.“ Diese Ermahnung findet in dem Text, den wir gehört haben, geradezu einen szenischen Ausdruck. Das Gesetz, symbolisiert durch die Bundeslade, teilt den Jordan. Die Grenze vom Exil zur Heimkehr tut sich auf. Wir begreifen, dass das Land und das Gesetz zusammengehören. Absicht des Herrn war es, dass das Volk an diesem Ort leben sollte, nach diesem Gesetz leben sollte. Die Geschichte Israels beleuchtet diesen Zusammenhang immer und immer wieder. Jedes Mal, wenn die Kinder Abrahams ihre Berufung, nach Gottes Gesetz zu leben, vergessen, wenn sie sich einbilden, dass das Land ihnen selbst gehört und dass sie sich dort aufführen können, wie es ihnen gerade passt, wenn sie in Saus und Braus leben – dann zieht der Herr seinen Segen zurück; ja, er reißt sogar nieder, was sie aufgebaut haben. Selbst in rein pragmatischen, alltäglichen Beziehungen rächt es sich gewöhnlich, wenn man die Mittel mit dem Zweck selbst verwechselt. Wenn aber ein Auftrag Gottes auf dem Spiel steht, ist diese Verwechslung fatal.

Israel war kein Volk von Seefahrern. Der Geruch von Meersalz hat sie, anders als die Norweger oder die Griechen, nie gelockt. Wasser bedeutet in der Bibel Chaos, dort ist der Leviathan in seinem Element. Wasser teilte sich, um das Volk aus Ägypten zu entlassen. Wasser teilte sich abermals, um das Volk einzulassen in das Land, das für Israels Freiheit stand, die Freiheit nicht nur zu überleben, sondern übernatürlich, ewig zu leben, anhand der Richtschnur des Gesetzes. Josua wusste, dass es eines Denkmals bedurfte, um diese Berufung im kollektiven Gedächtnis lebendig zu halten. Darum ordnete er das Prozedere an, von dem wir in der Lesung gehört haben. Zwölf Steine – einer für jeden Stamm – wurden vom Flussbett aufgesammelt und zu einem Steinhaufen am Flussufer in Gilgal aufgehäuft. Es durften keine x-beliebigen Steine sein. Josua wollte, dass es die Steine waren, über die die Priester trockenen Fußes gegangen waren, als sie die Bundeslade mitten durch den Jordan trugen. Dass die Israeliten heimkehrten, geschah aufgrund der Kraft des Gesetzes. Daran sollten sie sich erinnern. Ja, die Erinnerung ist es, die der Steinhaufen in Gilgal provozieren sollte. Schön anzusehen wird er wohl kaum gewesen sein. Ohne praktischen Zweck war er auch. Nachkommende Generationen mussten sich unwillkürlich fragen: „Was bedeuten diese Steine?“ Auf diese Weise sollte immer wieder neu erzählt werden, wie Israel gerettet wurde. Die Steine sollten Zeugen für das Leben sein.

Wir stehen heute an einem Ort, der so etwas ist wie das norwegische Gilgal. Stiklestad steht für die Christianisierung Norwegens. Natürlich spielten damals, im Jahre 1030, auch andere Faktoren eine Rolle. Menschen haben komplexe Intentionen; der Glaube hat auch eine politische Dimension, und diese bedarf dauernd Bekehrung. Dass Olav aber das Land nicht für sich selbst, sondern für Christus einnehmen wollte, steht außer Zweifel. Sein Heer schritt voran unter dem Zeichen des Kreuzes. Wie die Bundeslade zu Josuas Zeiten auf das alte Gesetz verwies, so stand das Kreuz für das neue Gesetz. Altes und neues Gesetz ergeben ein Ganzes. Jesus und Josua tragen auf Hebräisch denselben Namen. Der neue Jehoshua vollbringt, wofür der erste als Symbol stand. „Ich bin nicht gekommen“, hören wir Christus sagen, „das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen.“ Zu Christus zu gehören bedeutet, seinem Gesetz zu folgen. Dieses Gesetz ist über jede historische Bedingtheit erhaben und lässt sich durch nichts relativieren. Das Wort, das Fleisch geworden ist, war im Anfang und bildet das Ziel der Geschichte. Christus ist Alpha und Omega. In ihm sind wir geschaffen. Menschliche Leistungen, Begriffe und kulturelle Normen kommen und vergehen wie die Blumen auf dem Feld. Christi Wort dagegen, das neue Gesetz, bleibt ewig bestehen. Es wird nie von gestern sein.

So ein Begriff wie „Gesetz“ lässt uns heute erschaudern. Unter einem „Gesetz“ stellen wir uns Regeln und Pflichten vor. So etwas mögen wir nicht. Wir lassen uns nicht gerne von anderen sagen, wie wir zu leben haben: Wir wollen unsere eigene Wirklichkeit erschaffen. Doch wissen wir überhaupt, wer wir sind und welche Entwicklungsmöglichkeit wir haben? Um uns herum und vielleicht auch in uns selbst sehen wir Zeichen der Verwirrung. Bedenkt aber: Das Gesetz, das Christus uns gibt, ist voller Dynamik und gibt uns Orientierung. Es zeigt uns, wie wir leben sollen, damit wir unser höchstes Ziel erreichen und eintreten in jenes glückselige Land jenseits unseres irdischen Horizonts. Als Josua das Volk durch den Jordan führte, ließ er die Bundeslade, das Gesetz also, an der Spitze des Zuges gehen. Das Volk sollte ihr in einem Abstand von 2000 Ellen folgen. „So werdet ihr wissen“, erklärt Josua, „welchen Weg ihr gehen sollt; denn ihr seid den Weg ja früher noch nie gegangen.“ Aus dem Glauben zu leben heißt, sich dem Neuen hinzugeben. Wollen wir Jesus in eine göttliche Wirklichkeit folgen, die alle unsere Erwartungen übertrifft? Oder bleiben wir in dieser Zeit stehen, in unserer eigenen Begrenztheit, um in Moab begraben zu werden?

Das Denkmal für Israels Geschenk und Berufung in Gilgal blieb einige Zeit bestehen, bevor es verschwand. Schon in der Zeit der ersten Propheten war Gilgal zu einem Zentrum dekadenter Kulte geworden. „Kommt nach Gilgal und sündigt noch mehr“, ruft Amos voller Verachtung (Am 4,4). Wie schwierig ist es, über längere Zeit dem Himmel zugewandt zu leben, wenn uns so vieles hier auf der Erde anzieht und in Unruhe versetzt! Wie können wir da sichergehen, dass die Sache Christi, für die Olav starb, in Stiklestad real gegenwärtig bleibt? Wir sollten uns bewusst sein, was hier eigentlich geschah. Was steckt hinter diesem „eigentlich“? Dass wir als Glaubende an Olavs Lebensopfer erinnern und davon berichten, und zwar im Licht des Glaubens; dass wir dieses Opfer als etwas Mächtiges im Bewusstsein behalten; dass wir es nicht zerreden und in Vergessenheit geraten lassen. Dafür müssen wir, jeder Einzelne von uns, täglich unsere eigene, innere Schlacht von Stiklestad schlagen. Bei dieser inneren Schlacht geht es darum, getrost unter dem Banner des Kreuzes zu gehen, im Bewusstsein, dass (wie Paulus es sagt) Liebe ohne Falschheit das Wort der Wahrheit voraussetzt – der Wahrheit, präzisiert er, die in Liebe gesagt werden muss; denn wird es in Wut gesagt, bewirkt es fast immer das Gegenteil des Beabsichtigten. Christus hat sich als die Wahrheit offenbart. Wir empfangen ihn, sein Wort, sein Gebot, als Wahrheit. Mit Dank, denn die Wahrheit macht frei. Geschichte, Gegenwart und uns selbst von Christus erleuchten zu lassen, genau das ist die Aufgabe, vor die Stiklestad uns stellt. Unsere Zeit, das muss gesagt werden, neigt in die entgegengesetzte Richtung: Christus steht im Schatten unseres Blicks auf uns selbst, unsere Gegenwart und Geschichte. Wir setzen den Scheffel des Minimalismus und der aktuellen Mode auf das Licht der Ewigkeit, und unter diesem Scheffel erstickt das Licht und erlischt es mit einem Seuzfen, das kaum noch jemand wahrnimmt. Erst wenn uns dann die Finsternis umgibt, verstehen wir, was wir verloren haben. Darum lasst uns aufmerksam, freimütig und stark sein – nicht aus uns selbst, sondern aus der Kraft Jesu Christi. Wenn wir nicht von ihm weichen, weder nach links noch nach rechts, können wir voll Weisheit durch alle Wasser hindurch in das Reich seiner Gnade eintreten. Lux illuxit laetabunda singen wir in der Olavssequenz: In Christus und durch Olav breitete sich das Licht des Lebens und der Freude über unser Land. Lasst uns dieses Licht getreu nähren, mit unserem Leben und unserem Tod. Amen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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