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Warum das vatikanische Staatssekretariat in London vor Gericht steht

London

Kann eine Abteilung des Vatikans – eines souveränen Staates – gezwungen werden, sich vor einem britischen Gericht zu verteidigen? Nach einem Urteil des britischen Berufungsgerichts muss sich das Staatssekretariat des Vatikans vor einem Gericht wegen des Kaufs eines Gebäudes in der Sloane Avenue in London verantworten – im Rahmen einer Klage des Geschäftsmanns Raffaele Mincione.

Das Urteil bedeutet auch, dass es nun einen Parallelprozess zum "Jahrhundertprozess" des Vatikans geben kann, in dem derselbe Mincione sich gegen den Vorwurf der Finanzkriminalität, einschließlich Veruntreuung und Geldwäsche, wehrt.

Das Londoner Geschäft

Zuallererst eine kurze Zusammenfassung: Im Jahr 2014 vertraute das vatikanische Staatssekretariat Mincione Geld an, das für eine Immobilieninvestition in London bestimmt war: Ein ehemaliges Lagerhaus von Harrod's in der Sloane Avenue 60 in Chelsea sollte in eine Luxusimmobilie verwandelt werden.

Nach vier Jahren beschloss das Staatssekretariat, Mincione die Verwaltung der Immobilie zu entziehen und einen anderen Geschäftsmann, Gianluigi Torzi, mit dem Projekt zu betrauen.

Dann entschied das Staatssekretariat, die vollständige Kontrolle über die Liegenschaft zu übernehmen. Dies ist jedoch ein anderer Aspekt der Saga, mit dem sich der Prozess im Vatikan ebenfalls befasst.

Im Juli bestätigte der Vatikan schließlich den Verkauf der Immobilie – mit einem Verlust von rund 140 Millionen Euro, wie Reuters berichtet.

Was bedeutet das Berufungsurteil?

Das Urteil des britischen Berufungsgerichts besagt, dass Mincione seine Klage gegen den Vatikan einreichen kann.

Ein untergeordnetes Gericht hatte eine Entscheidung in dieser Angelegenheit bis zum Abschluss des im Vatikan geführten Prozesses ausgesetzt. Mincione legte Berufung ein. Das Berufungsgericht hat nun entschieden, dass das Verfahren im Vereinigten Königreich fortgesetzt werden kann.

Darüber hinaus hat es den Anschein, dass das Staatssekretariat auch die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen muss, die sich auf 200.000 Pfund (rund 236.000 Euro) belaufen sollen.

Das Urteil des Gerichts eröffnet neue Szenarien. Zunächst ist daran zu erinnern, dass das Staatssekretariat in Frage gestellt wird und nicht der Heilige Stuhl oder der Staat der Vatikanstadt. Es handelt sich also nicht um ein Verfahren, das die Souveränität des Heiligen Stuhls berührt.

Allerdings handelt es sich um ein Verfahren, das ein entscheidendes Prozesselement beinhaltet: Mincione kann sich auf englisches Recht berufen, weil in dem Vertrag, mit dem er die Verwaltung des Londoner Anwesens verkaufte, eindeutig festgelegt wurde, dass der Vertrag ausschließlich der englischen Rechtsprechung unterliegt.

Nach englischem Handelsrecht ist das Staatssekretariat in diesem speziellen Fall eine juristische Person, eine der Vertragsparteien, und muss daher die im Vertrag festgelegten Handelsgesetze einhalten.

Technisch gesehen handelt es sich um Privatrecht und nicht um öffentliches Recht.

War das Staatssekretariat neutral?

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Mincione legte gegen das erste Urteil Berufung ein, weil er zunächst die Gültigkeit der vereinbarten Verträge anerkannt haben wollte, was auch im Zusammenhang mit dem Berufungsurteil wichtig war.

Die englischen Richter befanden, dass die Entscheidung des Staatssekretariats, als Zivilpartei in dem Prozess gegen den Vatikan aufzutreten, bedeutet, dass das Staatssekretariat keine neutrale Partei ist.

Richter Peter Jackons schrieb in einer Stellungnahme, in der er mit den beiden anderen Richtern Males und Birss übereinstimmte, dass die Schlussfolgerung des Richters der Vorinstanz zu dem, was er als das zentrale Argument des Sekretariats bezeichnete, daher "falsch" war.

Ein Abwarten des Prozesses gegen den Vatikan wäre daher nicht sinnvoll.

Mit dem Berufungsurteil wird dem Staatssekretariat auch die Möglichkeit genommen, gegebenenfalls vor dem Obersten Gerichtshof Berufung einzulegen, womit die Angelegenheit faktisch abgeschlossen und grünes Licht für ein weiteres Verfahren gegeben würde.

Darüber hinaus muss das Staatssekretariat innerhalb von 28 Tagen eine Kaution für die Kosten des Berufungsverfahrens hinterlegen.

Einige offene Fragen sind zu klären

Das englische Urteil geht nicht auf die Begründetheit der Anklage und des Verfahrens ein. Der im Vatikan laufende Strafprozess wird letztendlich entscheiden, ob es sich um illegale Handlungen handelt oder nicht.

In dem Berufungsurteil heißt es, dass "ein Ausgangspunkt sein könnte (obwohl dies vom Handelsgericht zu entscheiden sein wird), zu prüfen, was der wahre Wert des Eigentums zum betreffenden Zeitpunkt war. Der Kern der Anklage gegen die Angeklagten im Strafverfahren, soweit sie die Transaktion betrifft, besteht darin, dass der Anteil des Sekretariats an der Immobilie zu einem Preis erworben wurde, der ganz erheblich über dem tatsächlichen Wert der Immobilie lag."

Nach Ansicht der englischen Richter "sollte dies eine relativ einfach zu klärende Frage sein, wenn die Dokumente über die Transaktion offengelegt werden und ein Sachverständigengutachten vorliegt, das beiden Parteien in diesem Rechtsraum ohne weiteres zur Verfügung steht. Wenn das Sekretariat den Marktpreis oder ungefähr den Marktpreis gezahlt hat, hat es einen Vermögenswert erhalten, der den gezahlten Preis wert war, und hätte (jedenfalls was die Transaktion betrifft) keinen Grund für eine Beschwerde. Wenn es hingegen wesentlich mehr als den Marktpreis gezahlt hat, wäre dies, sofern keine überzeugende Erklärung vorliegt, ein deutlicher Hinweis auf Korruption. "

Das Urteil des englischen Berufungsgerichts lässt jedoch mehrere Fragen offen.

Die erste: Wenn die Verträge gültig waren, worum geht es dann in dem Prozess im Vatikan? Die Frage wird zu klären sein, denn wenn es Verträge gibt und alles nach ihnen ablief, dann wird es schwierig, auch nur einen möglichen Betrug am Staatssekretariat oder eine Erpressung zu beweisen.

Zweitens: Wir wissen aus den Zeugenaussagen des Prozesses, dass die Verhandlung, in der die Verwaltung des Anwesens in der Sloane Avenue von Mincione auf Torzi übertragen wurde, ohne einen vom Heiligen Stuhl bestellten Anwalt stattfand. Es handelte sich um eine Entscheidung von Monsignore Alberto Perlasca, dem damaligen Leiter der Verwaltung des Staatssekretariats, der betont hatte, wie sehr Torzi zu diesem Zeitpunkt den Interessen des Heiligen Stuhls diente. Der Vertrag wurde jedoch von ihm unterzeichnet, und die Verträge wurden auf höchster Ebene genehmigt. Warum sind dann weder Monsignore Perlasca noch die Leiter des Staatssekretariats in den Prozess eingebunden?

Diese Fragen werden wahrscheinlich in der Fortsetzung des Vatikanprozesses beantwortet werden, dessen nächste Anhörung für den 28. September angesetzt ist.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency, der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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